Bundesliga

Bald Nummer 1 bei Werder Bremen? Mio Backhaus im Interview

Leihspieler spricht über Ambitionen, Adrenalin und Verbandswechsel

Nummer eins bei Werder? Backhaus: "Zetterers Weg macht mir Mut"

Im Profifußball angekommen: Mio Backhaus im Trikot des FC Volendam.

Im Profifußball angekommen: Mio Backhaus im Trikot des FC Volendam. Getty Images

Herr Backhaus, Sie sind geboren in Mönchengladbach, aufgewachsen in Japan, wurden Nachwuchskeeper beim SV Werder Bremen - bis zur U 23. Jetzt sind Sie Stammtorwart in der Eredivisie. Und das alles mit erst 19 Jahren.

Ich selbst kann mich gar nicht daran erinnern, als wir damals mit der Familie nach Japan gezogen sind, weil das sehr früh war. Meine Mutter ist Japanerin, sie arbeitete als Musikerin und wollte wieder in ihrer Heimat spielen. Ich bin zweisprachig aufgewachsen, die Sommerferien habe ich immer in Deutschland verbracht. Und irgendwann wollte ich zurück, ich habe dann bei meinen Großeltern in Baesweiler gewohnt. Das war schon eine Umstellung, aber ich glaube, mir persönlich tat das sehr gut. Ich kenne jetzt beide Kulturen, konnte jeweils das Gute daraus mitnehmen.

Wo bestehen Unterschiede?

In Japan ist es schon noch mal etwas anderes, was Pünktlichkeit oder Höflichkeit angeht. Als ich zurückgekommen bin, dachte ich: Die Deutschen sind aber ganz schön unzuverlässig. (lacht) Europa befindet sich da schon auf einem sehr hohen Niveau, aber wenn man dann nach Japan kommt, ist es so, als wäre man in einer komplett anderen Welt.

Spielersteckbrief

Inwiefern?

Ich komme aus der Nähe von Tokio - da ist einfach viel los! Doch die Menschen sind trotzdem zurückhaltender, viel ruhiger. Hier in Deutschland sind alle sehr aktiv, die Leute suchen viel mehr das Gespräch, das ist in Japan eher nicht so.

Fühlen Sie sich eher deutsch oder japanisch?

Ich muss sagen, wirklich zu Hause fühle ich mich in Japan. Aber ich habe mich der deutschen Seite angepasst, ich bin eher kommunikativ, würde ich sagen.

… und sind dann im vergangenen Sommer in Holland gelandet, wurden von Werder an den FC Volendam ausgeliehen.

Vor zwei Jahren hätte ich mir das gar nicht vorstellen können, dass ich so früh irgendwo anders leben würde - weil ich mich durch und durch wie ein Norddeutscher, wie ein Bremer gefühlt habe. Aber mir wurde hier die Chance geboten, dass ich mich einfach noch mal auf einem anderen Niveau zeigen kann.

Da hatte ich Pipi in den Augen.

Mio Backhaus

Ihr prägendstes Erlebnis bislang in der Eredivisie?

Das erste Spiel natürlich, das war ja auch mein Profidebüt, davon träumt man als junger Spieler. Und dann unser erster Saisonsieg vor den eigenen Fans an einem Freitagabend, 1:0 gegen Utrecht - da hatte ich schon ein bisschen Pipi in den Augen. Ich dachte: Endlich hat sich das alles gelohnt. Nicht dass ich es endgültig geschafft habe, aber ich habe auf jeden Fall einen Schritt auf der Treppe nach oben gemacht. Doch das reicht mir noch lange nicht.

Sie sind aktuell der zweitjüngste Keeper in den europäischen Top-Ligen.

Das ist natürlich eine Ehre, aber wenn man sich darüber Gedanken macht, dann macht man sich schon zu viele Gedanken.

Was ist in der Eredivisie anders als in der Regionalliga Nord, als in der U-19-Bundesliga?

Es ist ein sehr viel taktischeres Spiel, ein sehr hohes Tempo, die Spieler sind technisch alle gut. Und da habe ich natürlich auch schon die eine oder andere harte Erfahrung gemacht: Dass jeder kleine Fehler bestraft wird. Wenn du kurz mal nicht da bist, dass es dann direkt scheppert. Ich bin sicher, dass das in der Bundesliga noch mal anspruchsvoller sein wird.

Bislang sind es 43 Gegentore in 19 Partien mit Volendam.

Klar, es waren nicht ausschließlich gute Spiele von mir - aber auch nicht allzu viele davon. (lacht) Ich merke einfach die Entwicklung in meinem Spiel. Am Anfang der Saison war vieles neu. Mittlerweile weiß ich: Welches Stresslevel brauche ich? Wie viel Risiko kann ich gehen? Ich habe da jetzt echt ein gutes Gefühl, auch auf diesem Niveau.

Mich macht dieses Adrenalin besser. 50.000 schreiende Zuschauer helfen mir sogar eher.

Mio Backhaus

Welches Stresslevel braucht man denn?

Dazu muss man wissen, dass ich ein Kopfmensch bin. Ich brauche Stress, damit ich nicht zu locker bin, wenn ich in ein Spiel reingehe. Aber es darf natürlich auch nicht zu viel Nervosität sein, dass man zu verkopft ist. Dafür arbeite ich mit einem Mentalcoach zusammen. Der größte Schritt ist es, zu realisieren, wenn man zu wenig Stress hat, denn mich persönlich macht dieses Adrenalin besser. Und dann helfen mir sogar eher die 50.000 Zuschauer, die einen im Auswärtsspiel gegen Ajax Amsterdam anschreien. Das löst bei mir deutlich mehr Positives als Negatives aus.

Wie schwierig ist es als 19-Jähriger, den Anforderungen auf dieser Position gerecht zu werden: der Reife, der Ausstrahlung?

Mittlerweile habe ich ja auch schon 20 Spiele. Das ist auch schon ein kleiner Erfahrungsschatz. (lacht) Im Endeffekt ist es halt immer noch Fußball. In dem Sinne ändert sich nicht viel, ob ich jetzt U 19 oder U 23 oder Eredivisie spiele - oder vielleicht mal Bundesliga.

Ihr erklärtes Ziel, mit Werder?

Ja, sicher. Es ist geplant, dass ich im Sommer zurückkehre. Und dann ist es natürlich auch mein Ziel, irgendwann die Nummer eins zu werden. Ob es dann der direkte Weg wird, oder ob es etwas länger dauert, das weiß man nie. Ich will im Sommer jedenfalls so weit sein, dass ich mit einer breiten Brust nach Bremen komme und in jedem Training zeige, was ich drauf habe.

Es macht mir persönlich Mut, dass Zetti als vorherige Nummer zwei zumindest seine Chance bekommen hat - und sie nutzen konnte.

Mio Backhaus

Wie sehen Sie die Konstellation? Michael Zetterer hat in dieser Saison Stammkeeper Jiri Pavlenka abgelöst, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft.

Es macht mir persönlich Mut, dass Zetti als vorherige Nummer zwei zumindest seine Chance bekommen hat - und sie nutzen konnte. Sein Beispiel ist auch genau der Weg, den ich einschlagen muss: Immer bereit zu sein und bei einer sich bietenden Möglichkeit eine Top-Leistung abzuliefern.

Sie sehen sich als Herausforderer?

Na klar, aktuell steht schließlich Michael Zetterer im Tor.

Welcher Kontakt besteht zu Werder?

Mit Torwarttrainer Kiki Vander spreche ich mindestens einmal in der Woche. Die Kommunikation läuft sehr gut, ich kriege auch Videoanalysen von Werder, die wir uns gemeinsam angucken.

Würden Sie sagen, dass Sie nach dem Jahr in Volendam schon bereit wären für die Bundesliga?

Also, wir haben jetzt noch fünf Monate bis zum Saisonende - wenn ich spiele und so weiter mache, dann bin ich bereit, ja.

Und dann ist da ja noch das Thema Nationalmannschaft: Zuletzt sind Sie im Oktober für die deutsche U 20 aufgelaufen, doch der japanische Verband wirbt offensiv um Sie.

Ich habe das natürlich im Visier, und bin sehr glücklich über das Interesse aus Japan. Es ist nicht selbstverständlich, dass der Nationaltrainer bereits nach Bremen oder jetzt der U-23-Trainer zu mir nach Holland gekommen ist. Das macht natürlich etwas mit mir. Es ist eine schwierige Entscheidung, die man jetzt nicht so auf die Schnelle treffen kann. Ich mache mir da schon viele Gedanken.

Es wäre natürlich ein großer Reiz, wenn man in zwei Jahren schon die Möglichkeit hätte, eine Weltmeisterschaft zu spielen.

Mio Backhaus

Ende vergangenen Jahres wurden Sie bereits nach Japan eingeladen.

Ich konnte mir das Trainingszentrum anschauen und schon einmal Hallo sagen bei der A-Nationalmannschaft. Es wäre natürlich ein großer Reiz, wenn man in zwei Jahren schon die Möglichkeit hätte, eine Weltmeisterschaft zu spielen.

Wie bemüht sich der DFB um Sie, die Torwartnation Deutschland?

Ja, da gibt es ebenfalls einen Austausch mit meinem U-20-Trainer Hannes Wolf und Torwarttrainer Stefan Wessels. Und klar, mein Torwartidol kommt aus Deutschland. Würde ich mal die Möglichkeit bekommen, mit Manuel Neuer zu trainieren, wäre das sicher etwas Besonderes. Seinetwegen habe ich als kleiner Junge das erste Mal meine Handschuhe angezogen.

Handelt es sich aktuell denn um eine 50/50-Entscheidung?

Das kann ich so konkret noch nicht sagen, ich gebe mir da noch Zeit.

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