Bundesliga

Freiburgs Torjäger Nils Petersen im kicker-Interview: "Ich werde an den 15 Toren gemessen"

Freiburgs Torjäger im kicker-Interview

Petersen weiß: "Ich werde an den 15 Toren gemessen"

Er geht stets kritisch mit seinen eigenen Leistungen um: SC-Torjäger Nils Petersen.

Er geht stets kritisch mit seinen eigenen Leistungen um: SC-Torjäger Nils Petersen. imago

Aus dem Freiburger Trainingslager in Sotogrande/Spanien berichtet Patrick Kleinmann

kicker: Sind Sie nach einem anstrengenden Jahr an den Feiertagen etwas zur Ruhe gekommen, Herr Petersen?

Nils Petersen: So gut es geht. Weihnachten und Silvester sind ja doch immer ein bisschen mit Stress verbunden, ich hatte auch meine Läufe zu erledigen. Viel Zeit zum Regenerieren bleibt da nicht. Ein bisschen muss man die Spannung aufrechterhalten, wenn es so früh wieder losgeht. Aber es war gut, ein paar Tage nicht die Jungs oder das Stadion zu sehen, um durchpusten zu können.

kicker: Steht einem der Sinn da eher nach Schlafen, Familie und Freunden oder sogar anderem Sport?

Petersen: In den vergangenen Jahren habe ich mal Urlaub gemacht und bin auch mal nach Hause gefahren. Nachdem dieses Jahr mit dem Abstiegskampf und der Nationalmannschaft schon stressig genug war, wollte ich keinen Reisestress. Deswegen sind meine Freundin und ich vor Ort geblieben, die Familie war über Weihnachten da, das war sehr angenehm.

kicker: Haben Sie Fußball geschaut?

Petersen: Gar nicht. Natürlich bekommt man trotzdem viel mit und verfolgt auch einiges im Liveticker. Es gab schon Jahre, in denen ich nach England geflogen bin, um ein Spiel zu sehen. Dieses Jahr habe ich angesichts von nur acht oder neun Tagen Pause und dem kurzen Sommerurlaub gesagt, dass ich lieber zu Hause bleiben möchte. Das war auch genau richtig.

Wir waren ständig mit Freiburg in den Schlagzeilen.

kicker: Mit welchen Gefühlen haben Sie Silvester auf ein intensives Jahr zurückgeblickt?

Petersen: Es war so viel... Der Abstiegskampf mit unserer Rettung am letzten Spieltag, die Gerichtsverhandlung um meine Gelb-Rote Karte auf Schalke, der Halbzeit-Elfmeter in Mainz. Wir waren ständig mit Freiburg in den Schlagzeilen. Dann kam noch meine Nominierung für die Nationalmannschaft - es war viel Positives dabei, das sollte am Ende auch so hängenbleiben.

kicker: Was ist speziell im Gedächtnis geblieben?

Petersen: Auf jeden Fall das Nationalmannschaft-Debüt mit den zwei Wochen in Südtirol. Auch, dass ich viele Tore geschossen habe, die 15 Treffer der vergangenen Saison waren meine Bestleistung. Und der Klassenerhalt in letzter Sekunde.

kicker: Die Hinrunde der laufenden Saison war mit drei Treffern etwas weniger erfolgreich.

Petersen: Ich wusste, dass ich das Niveau aus der letzten Saison wahrscheinlich nicht halten kann. Die Gegner stellen sich irgendwann mehr auf einen ein, dazu hatten wir auch eine bessere Verteilung der Torschützen. Natürlich war mein Ziel jetzt nicht, nur drei Tore zu schießen, am Ende sind sie es aber geworden. Das ist in 13 Spielen absolut okay, ich hatte Jahre in der Bundesliga, da war das meine normale Quote. Jetzt werde ich natürlich an den 15 Toren gemessen, aber damit kann ich umgehen - in der Hoffnung, dass die Rückrunde eine bessere Ausbeute mit sich bringt.

kicker: Ist es auch eine Sache der fehlenden Kraft? Ihre Pause im Sommer war durch das Trainingslager mit der Nationalmannschaft kürzer.

Petersen: Unser Spiel ist ja ohnehin sehr laufintensiv. Natürlich kann das auch ein Punkt sein, warum ich nicht so oft zum Torabschluss gekommen bin. Dazu schießt jetzt Luca Waldschmidt die Elfmeter sensationell, die Tore fehlen ja theoretisch auch. Dann habe ich diese Saison auch schon vier Spiele verletzungsbedingt verpasst, das ist für mich relativ neu, vorher war ich selten verletzt. In der Summe sind es viele Faktoren, auch die Sommerpause.

Hier wissen alle, dass es letzte Saison einfach total gut lief und ich mit 15 Toren auch schon am Limit von Glück und Erfolg war.

kicker: Sie sind jemand, der seine Statistiken selbst extrem gut kennt. Haben Sie die Ausbeute zwischenzeitlich mal mit anderen Spielzeiten verglichen?

Petersen: Zum Glück gar nicht. Wenn ich mich damit zu sehr beschäftigen würde, könnte ich gar nicht mehr schlafen. Für mich ist es wichtig, dass ich in Freiburg einen Standort habe, wo es ruhig ist und ich nicht direkt in Frage gestellt werde, wenn ich "nur" drei Tore schieße. Hier wissen alle, dass es letzte Saison einfach total gut lief und ich mit 15 Toren auch schon am Limit von Glück und Erfolg war.

kicker: Sie kratzen in den Spielen über 90 Minuten immer an der 13-Kilometer-Marke. Nagt es etwas an der Motivation, wenn man sich seltener für den Aufwand belohnt.

Petersen: Es kommt immer auf das Ergebnis an. Wenn wir das Spiel verlieren, sage ich mir auch: Du läufst 13 Kilometer, verlierst das Spiel und bekommst keinen Ball... Wir hatten aber auch viele Partien, in denen ich gespielt habe, viel gelaufen bin und einen Teil zum Sieg beigetragen habe. Unser Trainerteam weiß das. Früher war ich ein Stürmer der, wenn er nicht getroffen hat, nicht wichtig war. Jetzt ist es schon schön zu wissen, dass ich trotzdem kein Wechselkandidat bin, wenn ich drei Spiele lang nicht getroffen habe, weil ich als erster Verteidiger trotzdem eine wichtige Rolle einnehme. Da habe ich unter Christian Streich viel dazu gelernt.

kicker: Inzwischen haben Sie Papiss Demba Cissé als besten Bundesliga-Torschützen für Freiburg eingeholt. Ist Ihnen die Bestmarke immer bewusst?

Petersen: Den Rekord habe ich schon im Hinterkopf. Ich werde auch überall damit bombardiert, selbst auf der eigenen Homepage. Das ist ja etwas Schönes, ich bin schon gefragt worden, ob es für mich Druck bedeutet. Tut es aber überhaupt nicht. Ich habe das Selbstverständnis, in meiner Vertragslaufzeit noch mal ein Tor zu schießen und dann an erster Stelle zu stehen. Und auch wenn es eine sekundäre Geschichte ist, ist es schön, wenn man in den Rekordbüchern vorne steht.

kicker: Noch schöner ist, den Bestwert auszubauen, nachher kommt bald schon der nächste Rekordschütze...

Petersen: Die Gefahr ist immer da. Cisse hat ja vermutlich auch nicht gedacht, dass ihn so bald jemand einholen würde.

kicker: Im Vergleich zur vergangenen Saison treffen Ihre Mitspieler wieder häufiger. Sind Sie froh, nicht mehr den Alleinunterhalter spielen zu müssen?

Petersen: Total. So schön es war, immer Tore zu schießen, im Fokus zu stehen und auch deswegen zur Nationalmannschaft nominiert zu werden. Es war aber auch immer Druck und Verantwortung, treffen zu müssen. Dieses Jahr ist es schön zu wissen, dass es andere Spieler gibt, die Tore schießen und wir defensiv so gut drauf sind, dass wir nicht immer viele Tore erzielen müssen.

Wenn man sieht, wie sich Stuttgart und Hannover verstärken, weiß man schon, dass da noch eine wahnsinnige Rückrunde auf uns warten kann.

kicker: Welche Ziele haben Sie für die Rückrunde?

Petersen: Klar würde ich gerne mehr Tore schießen und mehr Spiele machen als in der Hinrunde. Ansonsten gibt es für mich kein anderes Ziel, als drei Mannschaften hinter uns zu lassen. Die Gefahr ist immer da, wieder hinten reinzurutschen. Wenn man sieht, wie sich Stuttgart und Hannover verstärken, weiß man schon, dass da noch eine wahnsinnige Rückrunde auf uns warten kann. Da kann es schnell auch mal in die andere Richtung gehen, deswegen schiele ich überhaupt nicht nach oben.

kicker: Gab es zuletzt Kontakt zu Bundestrainer Joachim Löw?

Petersen: Zuletzt nicht. Dadurch, dass ich in den letzten Länderspielpausen verletzt war, hatte sich das Thema erübrigt. Im Oktober hatte mir geschrieben und gefragt, wie es mir geht. Da musste ich aber ohnehin absagen.

kicker: Haben Sie die Sorge, dass Sie im laufenden Umbruch außen vor bleiben könnten?

Petersen: Ich bin Realist. Natürlich habe ich die Hoffnung, weiterhin eine Rolle zu spielen. Ich weiß aber auch, dass der öffentliche Druck groß ist, dass sich viele Menschen Veränderung herbeisehnen. Und man sieht, dass Spieler von hinten heranrücken, die aus dem Nichts in der Bundesliga erfolgreich sind und auch kurz vor dem Sprung in die Nationalmannschaft stehen. Ich kann das ganz gut einordnen und habe durch die bisherigen Länderspiele ohnehin schon mehr erreicht als ich gedacht habe. Über jedes weitere würde ich mich trotzdem freuen.

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