Motorsport

DTM: Neustart unter gelber Flagge

Neue Regeln, neue Teams - ADAC übernimmt Rennserie

Neustart unter gelber Flagge

Aufgereiht und bereit für den Start: Die DTM-Boliden für die Saison 2023. 

Aufgereiht und bereit für den Start: Die DTM-Boliden für die Saison 2023.  IMAGO/HochZwei

Monte Carlo, Indianapolis, Oschersleben. Zwei globale Klassiker des Motorsports und der Auftakt in ein neues Zeitalter für die deutschen Rennfans - all das an einem Wochenende. Und alles auf höchst unterschiedlichen Strecken. Die Formel 1 rast am Sonntag durch das enge Fürstentum, die IndyCars jagen 200-mal um das legendäre Oval und die DTM eröffnet ihre Saison in Sachsen-Anhalt in der kurvenreichen Motorsport-Arena Oschersleben.

Es wird die insgesamt 36. Ausgabe der 1984 eingeführten Serie, die lange unter dem Label Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft fuhr und inzwischen auf GT3-Sportwagen setzt. Gleich ein halbes Dutzend neue Teams ist diesmal am Start, geändert aber hat sich vor allem auch das Kommando über die DTM: Nun hat dort der ADAC das Sagen. Der frühere Formel-1-Fahrer Gerhard Berger mit seiner Organisation ITR hat sich nach der letzten Saison als Veranstalter verabschiedet.

Bergers Traum erfüllt sich nicht

Angeblich aus finanziellen Gründen, wie es aus seinem Umfeld und aus Industriekreisen heißt. Experten werfen Berger vor, zu viel Geld in Projekte investiert zu haben, die nur wenig bis gar keine Perspektive hatten, etwa in die "DTM Electric". Die mögliche Rennserie mit vollelektrischen Rennwagen hatte der zehnmalige Grand-Prix-Gewinner beim DTM-Saisonfinale 2020 in Hockenheim stolz der Öffentlichkeit präsentiert. Ein eigens aufgebauter Demonstrations-Prototyp mit 1200 PS drehte im badischen Motodrom bereits seine ersten Runden. Mit der Einführung dieser E-Rennwagen wollte Berger sich seinen lang gehegten Traum erfüllen: DTM-Boliden mit über 1000 PS Leistung. Damit wären die Fahrzeuge der zukünftigen DTM-Ära fast doppelt so leistungsstark gewesen wie die aktuellen GT3-Autos mit knapp 600 PS.

Bergers euphorische Vision lautete damals: "Unser Ziel ist es, in der DTM Electric nicht nur den neuesten Stand der Technik zu zeigen, sondern auch zentrale Innovationen auf die Rennstrecke zu bringen, die spektakuläres Racing ermöglichen. So wollen wir auch die klassischen Motorsportfans für Zukunftstechnologien gewinnen und sie mit attraktivem Rennsport begeistern."

Doch das schon für 2023 angekündigte Projekt hatte einen großen Haken: die immensen Kosten. Nach Informationen des kicker hätte allein die Entwicklung des Prototyps bis hin zur Rennreife über 20 Millionen Euro gekostet. Viel zu viel Geld für die aktuellen Mannschaften in der DTM, die nicht mehr wie früher vom Werk direkt gestellt werden, sondern längst als von den Herstellern unterstützte Kundenteams antreten. Das sorgt heute für Markenvielfalt und hält das Budget im Rahmen, ungefähr 1,5 Millionen Euro kostet es, ein Fahrzeug einzusetzen.

Gerhard Berger

Gerhard Berger ist nicht mehr in der DTM. IMAGO/Pakusch

Bergers Projekt "eine Seifenblase"

Ernst Moser, 21 Jahre lang (bis 2020) Teamchef von Phoenix Racing in der DTM und dabei verantwortlich für Werkseinsätze von Opel und Audi, nahm kürzlich in einem Interview mit dem Online-Portal Motorsport-Magazin.com kein Blatt vor den Mund, als er äußerst kritisch feststellte: "Als Gerhard Berger dieses Projekt mit den elektrischen Tourenwagen vorgestellt hat, hat er damit meiner Meinung nach die Fachwelt verarscht!" Ein ehemaliger Berger-Mitstreiter sagte dem kicker, das Elektrik-Projekt sei "von Beginn an eine Seifenblase gewesen".

Fakt ist, dass Berger als 1. Vorsitzender die Auflösung der DTM-Organisation ITR am 30. November 2022 mit der Kündigung aller Mitarbeiter zum Jahresende besiegelte. Nur zwei Tage später verkündete der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V. (ADAC), der Verein mit rund 21 Millionen Mitgliedern, dass er zukünftig für die Ausrichtung der DTM verantwortlich sei. Zuvor hatte der ADAC die Markenrechte der deutschen Traditionsrennserie von der Berger Motorsport AG erworben - für angeblich 18 Millionen Euro, wie der Bayerische Rundfunk berichtete.

ADAC übernimmt

Auf kicker-Nachfrage betonte der ADAC jedoch, diese Summe sei "definitiv nicht gezahlt worden", dass es aber "auch nicht nur hunderttausend Euro sind", sei auch klar. Kolportiert werden acht bis neun Millionen Euro, zahlbar über drei Jahre, die Berger nur für die Markenrechte an der DTM erhalten soll. Die bemerkenswerten Zahlen werden nicht kommentiert, aber auch nicht dementiert. Für den ADAC ergibt die Übernahme aber durchaus Sinn, schließlich organisiert die mächtige Motorsport-Abteilung des Klubs bereits zahlreiche andere Rennserien unter seiner gelben Flagge, vom Kart Masters über den Tourenwagen Junior Cup bis zum GT Masters. An der Spitze der Pyramide steht fortan die DTM, deren offizieller Partner der ADAC bereits seit 2002 war. Und auch mehrere ADAC-Regionalverbände beziehungsweise Ortsklubs sollen von der neuen Zeitrechnung profitieren, sie treten nun als Veranstalter der DTM-Events auf.

Davon gibt es wie im vergangenen Jahr acht mit insgesamt 16 Rennen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Dabei ersetzen die Motorsport-Arena Oschersleben, der Sachsenring und das niederländische Seebad in Zandvoort die bisherigen Austragungsorte in Portimao (Portugal), Imola (Italien) sowie Spa-Francorchamps in Belgien. Der Saisonhöhepunkt findet wie gehabt auf dem Nürnberger Norisring statt.

Sheldon van der Linde

König der DTM: Der 24-jährige Südafrikaner Sheldon van der Linde gewann im vergangenen Jahr für das BMW-Kundenteam Schubert die Meisterschaft. IMAGO/HochZwei

Längere Distanz und neue Regeln

An jedem der acht Wochenenden werden jeweils zwei Rennen über eine neue und längere Distanz von 60 Minuten plus eine Runde (bisher 55 + 1). durchgeführt. Dabei öffnet sich das Pflichtboxenstoppfenster nach 20 und schließt nach 40 Minuten. Dann müssen die neuen Pirelli-Reifen (bisher Michelin) gewechselt werden.

Neu ist auch das Punktesystem, bei dem nun gleich 15 (statt zehn) Fahrer Zähler nach der folgenden Abstufung holen können: Der Sieger erhält 25 Punkte, der Zweite 20, der Dritte 16, für Platz 15 gibt es noch ein Pünktchen. Zudem werden noch drei, zwei und ein Zähler für die schnellsten drei Piloten in den jeweiligen 20-minütigen Qualifiyings vergeben. Dabei wird es ein Fahrer-, ein Team- und ein Hersteller-Klassement sowie eine Wertung für den schnellsten Boxenstopp geben. Wie im Vorjahr überträgt ProSieben die DTM-Rennen im Free-TV.

Wer welche Aussichten auf all die Titel hat, ist hingegen schwer zu prophezeien. Sechs unterschiedliche Marken (Audi, BMW, Ferrari, Lamborghini, Mercedes-AMG, Porsche) und 14 Kundenteams (sechs davon neu) sowie 28 Fahrer bilden das internationale Starterfeld.

Ex-Champion Götz nicht nominiert

Unter den Protagonisten fehlt allerdings ein klangvoller Name aus Deutschland, nämlich der des DTM-Champions von 2021, Maximilian Götz. Der Uffenheimer wurde von seinem Arbeitgeber Mercedes-AMG überraschend nicht für die DTM nominiert und stattdessen mit anderen Aufgaben betraut - eine nicht nur für viele DTM-Fans schwer nachvollziehbare Entscheidung.

Wie wichtig ein Zugpferd, das zudem noch zu den Titelträgern zählt, auch aus Marketinggründen ist, beweist BMW M Motorsport: Man sicherte sich die Dienste des langjährigen Audi-Werksfahrers und dreimaligen DTM-Champions René Rast. Im letztjährigen Meisterteam Schubert Motorsport sitzt Rast nun just an der Seite von Titelverteidiger Sheldon van der Linde aus Südafrika. Das sorgt sofort für Spannung an einem Wochenende voller Highlights.

Der DTM-Kalender

An jedem der acht Wochenenden findet am Samstag und Sonntag ein Rennen statt. ProSieben überträgt wieder live im Free-TV.

1. Oschersleben 27./28. Mai
2. Zandvoort (NED) 24./25. Juni
3. Norisring 8./9. Juli
4. Nürburgring 5./6. August
5. Lausitzring 19./20. August
6. Sachsenring 9./10. September
7. Spielberg (AUT) 23./24. September
8. Hockenheim 21./22. Oktober

Martin Gruener, Arno Wester