Bundesliga

Maaßen im Interview: "Eine Entwicklung ist zu sehen - leider nicht in jeder Phase"

Augsburg-Trainer spricht über Stotterstart und Entwicklungsschritte

Maaßen im Interview: "Eine Entwicklung ist zu sehen - leider nicht in jeder Phase"

Im Interview mit dem kicker spricht der Trainer über Kritik, Zuversicht und den XXL-Umbruch.

Im Interview mit dem kicker spricht der Trainer über Kritik, Zuversicht und den XXL-Umbruch. IMAGO/Krieger

(Dieses Interview wurde vor der Umstrukturierung auf der Führungsebene des FC Augsburg und dem Wechsel von Stefan Reuter in die Berater-Rolle geführt)

Herr Maaßen, gab es Ihrerseits Überlegungen, dieses Gespräch vielleicht noch zu verschieben?

Nein, absolut nicht. Warum?

Die jüngsten Ergebnisse sprechen nicht zwingend dafür, dass das der freudigste Termin Ihrer Woche werden wird.

Wir haben diesen Termin gemeinsam vereinbart. Dann findet der Termin auch statt. Ich bin keiner, der sich versteckt.

Wie fällt Ihr Fazit zum Saisonstart aus?

Wir sind mit zwei Punkten aus drei Spielen nicht zufrieden. Es ist positiv zu sehen, dass wir sieben Tore erzielt haben. Neun Gegentore sind zu viel. Das ist das, was wir schleunigst in den Griff bekommen müssen. Wir müssen defensiv stabiler werden, die leichten individuellen Fehler abstellen.

Wie stellt man individuelle Fehler ab?

Jedes Tor, das wir bekommen haben, hat ein anderes Muster. Wenn es immer die gleichen Muster wären, wäre es relativ einfach, das zu analysieren. Aber wenn man sich unsere Gegentore anschaut, sind sie sehr vielfältig. Es geht darum, jedes einzelne Spiel sauber aufzuarbeiten, die richtigen Rückschlüsse zu ziehen. Die Pause jetzt nutzen wir, um ein paar Anpassungen vorzunehmen.

Was uns fehlt, ist die defensive Stabilität und die Konstanz in den Leistungen. Das ist ein Prozess und geht leider nicht von heute auf morgen.

Wie haben Sie das 2:2 gegen Bochum aufgearbeitet?

Wir haben die letzten beiden Spiele gegen Bochum verloren und dieses Mal einen Ansatz gewählt aus einer kompakteren Grundordnung. Ich glaube, das ist legitim, um die Bochumer ein Stück weit zu überraschen. Sie spielen sehr viele lange Bälle, das wollten wir minimieren. Wir sind dennoch mit der Leistung, die wir gezeigt haben - insbesondere nach dem 2:2 -, nicht zufrieden.

Sie und auch die Spieler haben in jüngerer Vergangenheit immer mal wieder den eigenen Mut angepriesen. Wäre es nicht eine Option gewesen, zuhause gegen einen vermeintlichen Abstiegskonkurrenten etwas mutiger aufzutreten, zu agieren, statt dem VfL den Ball zu überlassen und zu reagieren?

Ich hatte diese Frage erwartet. (schmunzelt) Wir haben uns in der letzten Saison mit der offensiven Ausrichtung gegen Bochum sehr schwergetan, in die Pressingmomente zu kommen und haben so Räume geöffnet. Jetzt haben wir gesagt: Okay, wir überraschen sie. Wir wählen die kompaktere Grundordnung. Es war keinesfalls der Plan, dass wir nur tiefstehen wollten, wir wollten auch versuchen, die hohen Auslöser immer wieder zu finden, ohne ihnen den Raum dahinter zu geben. Es hat zum Teil funktioniert, wir sind zweimal in Führung gegangen. Aber nach dem 2:2 war es nicht der Plan, tief vor dem eigenen Strafraum zu stehen. Das wollten wir aktiver gestalten, was uns nicht gelungen ist. Und damit sind wir überhaupt nicht zufrieden.

Die Fans kommentierten den Auftritt mit Pfiffen.

Niemand hört gerne Pfiffe. Wir wollen erfolgreichen Fußball spielen, wir wollen ansehnlichen Fußball spielen und unsere Fans glücklich machen. Wir haben in den ersten beiden Spielen sehr hoch verteidigt, sieben Gegentore bekommen und jetzt mal einen anderen Ansatz gewählt. Das war der Ansatz für dieses eine Spiel. Es geht darum, es im nächsten Spiel besser zu machen. In der Bundesliga werden kleinste Fehler sofort bestraft. Wir müssen hart dafür arbeiten, dass wir das Momentum auf unsere Seite ziehen. Ich bin absolut überzeugt von der Mannschaft. Sie ist jung und hungrig.

Enrico Maaßen spricht in der Augsburger WWK-Arena mit dem kicker.

Enrico Maaßen spricht in der Augsburger WWK-Arena mit dem kicker.

Nach der Länderspielpause geht es zu formstarken Leipzigern, es droht inklusive dem Pokalaus in Unterhaching ein ziemlicher Fehlstart. Machen Sie sich Sorgen um Ihren Job?

Druck hat jeder Bundesliga-Trainer, es geht immer um Ergebnisse. Wir haben in der letzten Saison mit allen Aufs und Abs das Minimalziel Klassenerhalt geschafft und diese Saison nach einer klaren Analyse in die Kaderplanung mit einfließen lassen, auch Dinge rundherum verändert. Wir haben den Umbruch mit dieser jungen Mannschaft bewusst und mit voller Überzeugung eingeleitet. Das ist ein Prozess. Und Siege helfen, geben Vertrauen. Was man sieht, ist, dass wir sehr hart arbeiten müssen, um das Momentum auf unsere Seite zu ziehen. Aber wir arbeiten alle hart, auch ich.

Also machen Sie sich keine Sorgen?

Mit Angst und mit Sorgen diesen Job zu machen, verkopft, das verkrampft. Ich gebe jeden Tag Vollgas. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich das mit Haut und Haaren lebe. Man braucht die nötige Souveränität und die Lockerheit. Ich spüre großes Vertrauen von allen, mit denen ich zusammenarbeite. Dem versuche ich jeden Tag gerecht zu werden.

Sie haben von 40 Pflichtspielen 21 verloren, aktuell die schwächste Bilanz aller FCA-Trainer. Was verleiht Ihnen Zuversicht, die Kurve zu kriegen?

Die Art und Weise, wie wir im Team und im Verein zusammenarbeiten. Die Jungs, die da sind, brennen, die wollen gemeinsam etwas entwickeln. Wir haben einen positiven Geist. Die Spiele, die wir teilweise gezeigt haben, geben mir Zuversicht. Was uns fehlt, ist die defensive Stabilität und die Konstanz in den Leistungen. Das ist ein Prozess und geht leider nicht von heute auf morgen, auch wenn ich mir das wünschte. Ich bin selbstkritisch, aber zuversichtlich.

Als FC Augsburg werden Sie sich verständlicherweise mal anpassen müssen und haben das ja gegen Bochum auch getan, aber was würden Sie denn grundsätzlich als die Idee in Ihrem Spiel bezeichnen?

Gegen den Ball ist es ein gutes Mittel, den Gegner zu spiegeln, wenn wir sehr hoch im Eins-gegen-eins-Pressing spielen. Oder wir arbeiten als Mittelfeld-Pressing-Block zusammen, wenn wir uns etwas tiefer zurückziehen. Im Ballbesitz gilt es, eine Entwicklung zu nehmen. Ich will nicht alles kundtun, aber wir haben ein paar Strukturen angepasst in dieser Saison. Wir können im 4-2-2-2 mit breiten Außenspielern spielen; mit Stürmern, die eher zurückfallend die Halbräume besetzen. Die Stürmer werden dann eher zu Zehnern, einen Mix aus dem 4-2-3-1 oder mit zwei falschen Neunern. Eine Entwicklung ist zu sehen - leider nicht in jeder Phase.

Spieler- und Ergebnisentwicklung muss einhergehen.

Ist die Rückkehr zur Dreierkette mal wieder eine Option?

Auch das ist möglich. Stabilität kann man durch harte Arbeit erreichen. Aber man kann natürlich auch stabiler werden, indem man auf der einen oder anderen Position vielleicht defensiv orientiertere Spieler hinstellt.

Kevin Mbabu zum Beispiel anstelle von Arne Engels rechts hinten?

Er verfügt über eine gute Erfahrung, hat in der letzten Saison fast jedes Spiel gemacht. Er bringt Intensität mit, Geschwindigkeit, gutes Defensivverhalten. Von daher ist er eine sehr gute Alternative für unseren Kader.

Jener Kader ist seit ihrem Antritt einmal umgekrempelt worden, alleine aus diesem Sommer resultieren acht Zu- und 16 Abgänge. Wieso der XXL-Umbruch?

Es ist die Vereinsstrategie, mit jungen Spielern zu arbeiten. Wir sind diesen Weg bewusst gegangen, haben im Kader Freiräume geschaffen, in die sich viele Jungs jetzt reinentwickeln können. Das braucht Zeit, und trotzdem muss es schnell gehen. Spieler- und Ergebnisentwicklung muss einhergehen. Wir haben aber auch ein paar erfahrene Typen dazu geholt, wie zum Beispiel Sven Michel. Die Mischung passt gut.

Sie sind seit rund 14 Monaten im Amt. Was ist Ihnen bislang besonders in Erinnerung geblieben?

Sehr viele Momente, positive wie negative.

Zum Beispiel?

Natürlich ist es etwas Besonderes, zuhause gegen Bayern München zu gewinnen. Negativ war, dass wir nach Führung viele Punkte verspielt haben, auch sehr späte Gegentore kassiert haben. Das sind alles Momente, die im Kopf bleiben.

Zum Abschluss ein paar Personalien: Nationalspieler Mergim Berisha wollte unbedingt weg, landete letztlich in Hoffenheim. Haben Sie noch versucht, Ihn von einem Verbleib zu überzeugen?

Mergim ist ein Spieler mit enormer Abschlussqualität, der uns in der letzten Saison gefehlt hat, wenn er nicht auf dem Platz stand. Das Thema wurde aber rechtzeitig angegangen, wir haben dementsprechend auf der Position schon Spieler vorverpflichtet. Daher sind wir in der Offensive trotz des Wechsels von Mergim gut aufgestellt.

Statt Rafal Gikiewicz steht nun Finn Dahmen im Tor. Ist es dadurch ein bisschen ruhiger in der Kabine geworden?

Finn ist sicherlich ein ruhigerer Typ und trotzdem keineswegs leise oder unscheinbar. Er hat eine positive Aura und ist vielleicht nicht ganz so extrovertiert wie Giki.

Daniel Caligiuri, dessen Vertrag im Sommer nicht verlängert worden war, erklärte jüngst im kicker, es habe aus seiner Sicht "trotz der Zusicherung keinen fairen Konkurrenzkampf" gegeben. Was entgegnen Sie?

Ich will kein Öl ins Feuer gießen, das gehört sich einfach nicht. Und dabei belasse ich es.

Wie gehen Sie das Spiel in Leipzig am Samstag an?

Wir fahren mit Optimismus nach Leipzig und wollen auch dort möglichst drei Punkte holen. Das ist in jedem Spiel unser Ziel, unabhängig vom Gegner.

Wollen Sie auch Leipzig überraschen?

Eine Idee, dass man den Gegner versucht zu überraschen oder versucht, ihn seiner Stärken zu berauben, muss man immer in petto haben. Es ist aber mindestens genauso wichtig, den Fokus aufs eigene Spiel zu behalten.

Wann war diese Saison eine erfolgreiche für Sie und für den FCA?

Wir wollen uns weiterentwickeln und nicht zufrieden sein mit dem, was wir erreicht haben. Wir wollen in jedem Spiel die Chance auf den Sieg suchen und den Zuschauern etwas bieten. Es gilt, immer gierig und selbstkritisch zu sein, aber trotzdem selbstbewusst zu bleiben. Und das Wichtigste: So erfolgreich wie möglich Fußball spielen.

Mario Krischel