Europa League

Leverkusens Drama, 3.Akt: Spaßbremse Xabi Alonso

Ein Offenbarungseid in drei Akten

Leverkusens Drama, 3.Akt: Spaßbremse Xabi Alonso und der geprobte Absturz

Tragödie zum Abschluss: Enttäuschung bei Bayer 04 Leverkusen.

Tragödie zum Abschluss: Enttäuschung bei Bayer 04 Leverkusen. IMAGO/Sven Simon

Was bisher geschah: Bis zur Pause hat Bayer 04 sein Publikum gequält, liegt durch ein Eigentor 0:1 zurück. Im Saal fragt man sich und fleht: Wo bist Du, schöner Bayer-Fußball? Himmel, hilf! Danach gibt Florian Wirtz eine 20-minütige magische Vorstellung und Bayer dreht das Spiel. Wirtz’scher Zauber im Harry-Potter-Kostüm bringt das Publikum zum Rasen.

Vorhang, 3. Akt: Der Ausstoß an Glückshormonen ist so hoch wie selten in der Bay-Arena in den vergangenen Monaten. Xabi Alonso sorgt sich offenbar ob der überschwappenden Euphorie und sieht sich in die Rolle als Spaßbremse berufen. Neun Minuten nach Florian Wirtzs Zauberkunststück zum 2:1 und mitten in die Leverkusener Dominanz hinein, schreibt der Trainer das Drehbuch um, bringt Innenverteidiger Odilon Kossounou rechts in der Viererkette, schiebt Rechtsverteidiger Jeremie Frimpong dauerhaft nach vorne. Ein fatales Zeichen zum Rückzug.

Statt die gerade erlangte Dominanz weiter auszuüben, gibt Bayer das Heft aus der Hand. Xabi Alonso wird allerdings nach Abpfiff eine andere Verteilung von Ursache und Wirkung sehen. "Ich dachte", erklärt der Trainer, "dass wir mehr Stabilität und mehr Kontrolle bräuchten, aber wir haben die Initiative verloren. Deswegen habe ich gewechselt."

Für Monaco das Signal, wieder ins Spiel kommen zu können. Schon sechs Minuten später steht es 2:2. Ein Tor, das nie fallen darf. AS-Außen Krepin Diatta mit Blickrichtung zur Mittellinie dreht sich blitzschnell mit dem Ball in Richtung Zentrum. Wirtz und der sonst so starke Amine Adli machen die Tür nicht zu. Diatta läuft unbedrängt zentral vor dem Strafraum in Position, Bayers Abwehrkette bestaunt dies aus selbst zu Corona-Hochzeiten übertriebenen Sicherheitsabstand. Diatta schlenzt die Kugel in die von ihm aus gesehen linke Ecke.

Ganz mies verteidigt - aber noch nicht der Tiefpunkt im Leverkusener Potpourri überflüssiger Gegentore. Der folgt in der dritten Minute der Nachspielzeit. Und kommt diesmal nicht aus dem Nichts. Zwar trifft Bayer in der 88. Minute durch den bis dahin blassen Adam Hlozek noch den Innenpfosten, doch Monacos Toptorjäger und diesmal nur als Joker eingesetzter Wissam Ben Yedder ist dem dritten Treffer gleich zweimal nahe. Ehe Bayer zeigt, dass man wirklich noch schlechter als beim 2:2 verteidigen kann.

Europa League, Play-offs

Drei AS-Spieler spielen sich den Ball 25 Meter vor dem Tor zu. Einzig Robert Andrich versucht - natürlich chancenlos - Druck auszuüben. Man kann das Unglück kommen oder besser gesagt stehen bleiben sehen: Während Innenverteidiger Axel Diasi sich den Ball in aller Ruhe für seinen Siegtreffer zurechtlegen darf, stellt die Leverkusener Defensive lieber im Strafraum eine doppelte Überzahl her als den Schützen zu attackieren. Nach zwei Weltklasse-Toren bringt Bayer 04 eine für die Kreisklasse reife Defensiv-Parodie zur Aufführung.

Das Dramatische daran: Die Alonso-Elf erlebt einen quasi geplanten Absturz, dem die Profis beim 3:2-Sieg in Gladbach nach einer 3:0-Führung nur knapp entgangen waren und auch jüngst beim 3:1 bei 1899 Hoffenheim "erfolglos" geprobt hatten. "So viel Platz darfst du dem Gegner nie lassen. Ich verstehe nicht, wie wir nicht im Stande sind, ein Spiel kontrolliert bis zum Ende zu bringen. Das ist für mich ein Mysterium. Ob es daran liegt, dass sie manche nur eine gewisse Zeit lang konzentrieren können - ich weiß es nicht. Die letzten 15 Minuten machen mich sauer", soll sich später nicht nur Kapitän Lukas Hradecky ratlos zeigen.

In all diesen drei Partien hatte Bayer nach einer Führung in den Verwaltungsmodus geschaltet, sich weit zurückgezogen, um zu kontern, aber die dann noch mehr notwendige Seriösität in der Defensivarbeit vermissen lassen. Xabi Alonso kommentierte später den letzten Akt der Bayer-Tragödie so: "Die ersten 20, 25 Minute nach der Pause waren gut. Danach haben wir nicht gut verteidigt. Wir brauchen mehr Aggressivität. Das zweite Tor ist zu einfach, auch bei der Ecke vor dem 2:3 hatten wir nicht genug Intensität. Auf diesem Niveau ist das ein Problem."

In der Tat. Doch erst beim großen Finale nach dem Schusspfiff zeigen sich die Bayer-Profis bei einer gigantischen Rudelbildung so körperbetont aggressiv, wie sie sich ihr Trainer vor den letzten beiden Gegentreffern gewünscht hätte und aufgrund der Erlebnisse in Gladbach und Sinsheim bereits intern eingefordert hatte.

Der Stoff, aus dem Tragödien sind

Xabi Alonsos Mannschaft hat noch nicht bewiesen, dass sie dauerhaft in der Lage ist, taktisch so kontrolliert zu spielen. Das Textbuch des Spaniers und die Umsetzung durch seine Protagonisten erscheinen phasenweise immer wieder wie zwei verschiedene Welten. Der Stoff, aus dem Tragödien sind.

Vorhang! Am Sonntag bittet Bayer gegen Mainz 05 zum nächsten Drama in die Arena. Eine weitere Tragödie würde nicht nur für einen vorgezogenen Aschermittwoch sorgen, sondern das komplette Projekt des Leverkusener Schauspiels infrage stellen.

Stephan von Nocks

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