Bundesliga

Keven Schlotterbeck über Nicos Wechsel: "Eine Erleichterung"

Freiburger Innenverteidiger im kicker-Interview

Keven Schlotterbeck über Nicos Wechsel: "Auch eine Erleichterung"

Er sprach ausführlich im kicker-Interview: Keven Schlotterbeck.

Er sprach ausführlich im kicker-Interview: Keven Schlotterbeck. imago images

Mit welchen Gefühlen haben Sie den Abschied Ihres Bruders Nico zu Borussia Dortmund begleitet, Herr Schlotterbeck?

Auf der einen Seite freue mich, dass er den Sprung zu Dortmund geschafft hat. Das hat er sich in der vergangenen Saison verdient. Auf der anderen Seite ist es auch schade, weil er ein enges Familienmitglied ist, das ein Jahr lang nah bei mir war. Immerhin sehen wir uns schon am 2. Spieltag wieder. Aber letztlich ist es auch so, dass sich für mich vielleicht eine neue Tür öffnet.

Ist es sportlich gesehen also eher eine Erleichterung?

Ja, es ist auch eine Erleichterung. Ich habe letzte Saison nicht viel gespielt, Nico dagegen sehr viel. Gleiche Position, gleicher starker Fuß, da hat Papa einiges richtig gemacht. Aber diese Konstellation gab es in der Liga in den letzten Jahren nicht so oft und leider konnten wir selten zusammenspielen. Jetzt bin ich in der Freiburger Innenverteidigung der letzte überlebende Linksfüßer und Nico kann hoffentlich nächstes Jahr im Mai um die Deutsche Meisterschaft mitspielen.

Was hat Ihr Vater denn richtig gemacht?

Ich bin Rechtshänder, Nico ist Linkshänder, das ist echt verkappt bei uns. Unser Papa predigt immer, er habe uns extra früh mit links trainieren lassen, weil er wusste, dass Linksfüßer gesucht sind. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich vertraue ihm natürlich (grinst).

Der SC mit Nico als Führungsspieler war mit Platz 6 und dem Pokalfinale sehr erfolgreich. Warum hat es für Sie nicht zu mehr Spielanteilen gereicht?

Ein Knackpunkt war Olympia, als ich zum Ende der Sommervorbereitung kurzfristig noch in den Kader berufen wurde. Das war ein absolutes Highlight, das ich erleben durfte. Ich habe zum ersten Mal den Nationaldress getragen und bei den Spielen in Tokio viele neue Eindrücke gesammelt. Durch die recht späte Rückkehr war ich im Verein im Hintertreffen und dann haben die Jungs die ersten zehn Ligaspiele nicht verloren und nur sieben Gegentore bekommen. Was soll man da groß machen? Da war es schwierig für mich, zum Trainer zu gehen und zu fragen: "Wie siehts aus, darf ich auch mal spielen?"

Hätten Sie lieber auf eine Olympia-Teilnahme verzichten sollen?

Nein, ich denke, ich würde es wieder so machen. Die Chance bekommt man gerade als Fußballer durch die U-23-Regel wohl nur einmal im Leben. Dieses besondere Olympia-Trikot kann man sich nicht jedes Jahr in den Schrank hängen.

Ihr Bruder startete zu dieser Zeit durch und wurde direkt im September 2021 erstmals für die A-Nationalmannschaft berufen.

Die ganze Saison war bei aller Freude für ihn auch schwierig für mich einzuordnen, vor allem die Differenzen zwischen dem Familiären und dem Sportlichen. Da konnte ich schlecht zu ihm sagen: "Hey, Nico, weg da, ich bin jetzt mal wieder dran als großer Bruder." Ich habe es ihm gegönnt, aber natürlich auch meinen Stolz und will die eigene Karriere vorantreiben. Die Mannschaft hat performt, die Viererkette war eingespielt und hat zusammen mit Flekki im Tor und den Sechsern gut funktioniert. Es war verzwickt, ich hatte wenig Grund zur Beschwerde, auch wenn ich mich über mehr Spielzeit gefreut hätte. Das kann ich hoffentlich nächste Saison ändern.

Er hat mich gefragt und ich habe gesagt, wenn er das möchte, komme ich gerne mit.

Keven Schlotterbeck

Sie beide haben immer wieder das enge Verhältnis zueinander betont. Wurde das in der vergangenen Saison distanzierter?

Nein, absolut nicht. Nico kam in den Halbzeitpausen und nach den Spielen immer direkt zu mir, um sich Feedback zu holen. Ich habe ihn immer unterstützt, stand hinter ihm und habe ihm alles gegönnt. Ich war auch bei den Länderspielen im Stadion.

Und auch bei der Vertragsunterschrift in Dortmund, wie auf Fotos zu sehen war.

Genau. Er hat mich gefragt und ich habe gesagt, wenn er das möchte, komme ich gerne mit. Ich hätte ihn auch gefragt, ob er mitkommt.

Jetzt geht der Blick nach vorne. Auf Nicos Abgang hat der SC mit einem überraschenden Ausrufezeichen geantwortet und Nationalspieler Matthias Ginter verpflichtet. Auch wenn er ein anderer Spielertyp und Rechtsfüßer ist, rückt er allem Anschein nach in der Stammelf an die Seite von Philipp Lienhart. Wie sehen Sie Ihre Chancen?

Man muss schauen, wie die Dinge sich entwickeln. Nico war der Shootingstar, aber Matze Ginter hat sich über Jahre auf hohem Niveau bewiesen, daher wird es nicht unbedingt leichter kommende Saison. Allerdings habe ich den starken linken Fuß und eine gute Spieleröffnung, kann andere Räume anspielen.

Also sind Sie weiter Herausforderer?

Ich glaube schon. Nicht umsonst sind beide Nationalspieler, auch Philipp hat eine grandiose Saison gespielt, noch einen Schritt nach vorne gemacht, ist defensiv stärker und macht auf einmal fünf Saisontore durch eine gute Präsenz vorne bei Standards. Es wird eine spannende Aufgabe für mich.

Den aktuellen Eindrücken nach könnte die Dreierkette, in der Sie gerne als Mittelmann agieren, seltener als vorige Saison zum Einsatz kommen. Ein Nachteil?

Auch das wird sich zeigen. Ich muss einfach als Option bereitstehen und habe letzte Saison, bis auf die Partie gegen Bielefeld, gute Leistungen gezeigt, wenn ich von Beginn an spielen durfte. Der Trainer weiß, dass er sich auf mich verlassen kann. Auch wenn man reinkommt, braucht man einen klaren Kopf. Den glaube ich zu haben, auch wenn ich letzte Saison in einigen wenigen Momenten den Frust mal rauslassen musste. Da ich jetzt die erste komplette Sommervorbereitung beim SC durchziehen konnte, nachdem zweimal Verletzungen und einmal Olympia dazwischenkamen, fühle ich mich so fit wie nie. Und die Europa League bietet zusätzliche Chancen für alle.

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Vor einigen Monaten gab es mal die Tendenz, dass beide Seiten bis zum Herbst warten wollen, um dann zu schauen, ob die Verlängerung Ihres 2023 endenden Vertrags Sinn ergibt. Jetzt erfolgte die Verlängerung doch schon Ende Juni. Warum?

Es kam von beiden Seiten und beiden Parteien war wichtig, dass schon vor der Saisonvorbereitung Klarheit herrscht. Wir hatten in den vergangenen Monaten viele Gespräche. Meine persönliche Lage war nicht immer rosig, da hatte ich mir schon Gedanken gemacht, wie es weitergeht. Dadurch, dass Freiburg das Vertrauen in mich durch die Verlängerung untermauert hat, will ich jetzt unbedingt zeigen, warum ich zu Recht meinen Platz in dieser tollen, erfolgreichen Mannschaft mit überragendem Teamgeist habe.

Teamkollegen wie Lucas Höler oder Nils Petersen erzählten, wie Ihr Bruder neben seinen starken Leistungen auf dem Feld durch seine große Klappe geholfen habe, das Selbstvertrauen des gesamten Teams zu stärken, das dadurch selbstsicherer, forscher und frecher auftrat. Können Sie da zumindest teilweise einspringen?

Nico und ich sind komplett unterschiedliche Charaktere. Er strahlt äußerlich viel Selbstvertrauen aus, bei mir ist es nicht so außenwirksam, aber man sieht mein Selbstvertrauen auf dem Platz, weil ich zocken kann. Nico hat Spaß und mehr Leben in die Kabine gebracht. Davon haben die Jungs und auch ich einiges mitgenommen, ich werde inzwischen ab und an auch etwas lauter oder gehe mehr aus mir raus. Insgesamt hat jeder Einzelne von uns letztes Jahr einen großen Schritt nach vorne gemacht. In der Kabine ist es immer noch so lustig und lebhaft wie vorige Saison. Es wäre komisch, wenn wir nach dieser erfolgreichen Runde nicht mir breiter Brust ins erste Spiel gehen. Jetzt heißt es: Vollattacke, um das Jahr zu bestätigen.

Die wird direkt im ersten Pflichtspiel nötig sein, wenn der SC in der ersten Pokalrunde bei Zweitliga-Aufsteiger Kaiserslautern auf dem Betzenberg gefordert ist. Das ist nicht der typische niederklassige Vertreter aus dem Amateurtopf zum Einstieg. Was haben Sie bei der Auslosung gedacht?

Man grübelt ein bisschen. Ich freue mich riesig auf den Betze, ich war noch nie oben. Aber man kennt die Wahnsinns-Stimmung, das ist sicher geil. Ich habe mich auch mal mit Heintzi (Dominique Heintz, Anm. d. Red.), der beim FCK groß geworden ist, darüber unterhalten, als er noch bei uns war. Auf der anderen Seite fragst du dich: "Muss das unbedingt sein?". Als Bundesligist heißt es aber unterm Strich: weiterkommen! Wir dürfen uns keinen Ausrutscher leisten, wollen wie gesagt die Saison bestätigen. Wir waren im Pokalfinale, nächstes Jahr darf es gerne ein Schritt weitergehen. Es wird gleich spannend in diesem ersten Spiel, wenn der Gegner schon zwei Ligaspiele hinter sich hat. Da müssen wir direkt zu 100 Prozent da sein und jeder um die 12 Kilometer abspulen, um hoffentlich den ersten Sieg zu landen.

Abschließend: Wie lauten Ihre konkreten Ziele für diese Saison? Haben Sie sich eine bestimmte Anzahl von Einsätzen vorgenommen?

Eine Einsatzmarke habe ich mir nicht gesetzt, aber natürlich will ich nicht noch einmal so eine Saison erleben wie zuletzt. Ich hoffe, dass ich mich durch eine gute Vorbereitung in den Vordergrund spielen kann, relativ zügig zu meinen Einsätzen komme und mit guten Leistungen überzeuge.

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