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FC Bayern - Harry Kane im Interview: "Tuchel hat mich beeindruckt"

Bayerns Stürmer spricht über Rekordjagden und die NFL

Kane im Interview: "Tuchel hat mich beeindruckt"

Hat in München voll eingeschlagen: Harry Kane.

Hat in München voll eingeschlagen: Harry Kane. IMAGO/Kirchner-Media

Er hat München im wahrsten Sinne des Wortes im Sturm erobert. Auch für die Bundesliga ist Harry Kane eine absolute Attraktion; er pulverisiert Rekorde, beim 3:0 gegen Hoffenheim stellte er mit seinem 22. Tor im 16. Spiel den Hinrundenrekord von Robert Lewandowski ein. Und: Mit ihm hat der FC Bayern wieder den vergangene Saison schmerzlich vermissten echten Neuner.

Als Mensch ist Englands Kapitän bodenständig, ein Gentleman mit bester Kinderstube. Charaktermerkmale, die die Bayern-Bosse enorm schätzen; eine Persönlichkeit, die auch in der Kabine mächtig Eindruck hinterlässt. Der kicker traf Kane an der Säbener Straße zum großen Interview.

Direkt nach einer Trainingseinheit kam der Angreifer im roten Trainingsoutfit ins Konferenzzimmer und nahm sich reichlich Zeit, um über sein neues Leben in der bayerischen Landeshauptstadt zu reden. Und natürlich auch darüber, was er mit dem deutschen Rekordmeister alles vorhat.

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Wie gut ist dieser EM-Kader - und wer wird gestrichen?
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Ihre erste Winterpause liegt hinter Ihnen, Herr Kane. Wie war sie?

Ich hatte eine echt gute Zeit mit meiner Familie. Wir waren in der Karibik, was sich anfangs tatsächlich etwas seltsam angefühlt hat. Normalerweise habe ich Fußball gespielt. Diesmal konnte ich mir in Ruhe alle Premier-League-Spiele anschauen, das hat Spaß gemacht - und, um ehrlich zu sein, man gewöhnt sich schnell daran. Vor allem, weil es eine gute Möglichkeit war, um Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern zu verbringen, die ich in den vergangenen vier Monaten nur selten gesehen habe.

Wie haben Ihre Ex-Kollegen reagiert? Sie wollten ja ein Foto schicken …

Genau. In die Whatsapp-Gruppe der Nationalmannschaft habe ich ihnen ein Foto von mir geschickt, wie ich in der Sonne liege. Das war kurz vor Silvester, als die alle spielten (grinst). Ich habe ihnen dann viel Erfolg für die Spiele gewünscht - ein paar von ihnen wünschten mir im Gegenzug einen guten Rutsch. Wohl wissend, dass sie in der Kälte waren und ich in der traumhaften Karibik-Sonne.

Wenn wir so weitermachen, werden wir noch stärker.

Harry Kane

Das erste knappe Halbjahr beim FC Bayern ist vorbei. Haben Sie in den freien Tagen Ihren Start in München ein wenig Revue passieren lassen?

Ich bin sehr zufrieden, muss ich sagen. Es war mein erster Transfer nach einer wirklich langen Zeit bei Tottenham, daher wusste ich nicht genau, was auf mich zukommt. Ich habe einfach an mich und meine Fähigkeiten geglaubt. Mir war klar, dass ich zu einer super Mannschaft stoßen werde, aber mir war nicht klar, was mich exakt erwartet und wie alles laufen wird. Jetzt aber bin ich total glücklich, wie ich mich in München und im Team eingelebt habe. Die paar Monate im Hotel waren super, jeder dort war wirklich grandios zu mir - genau wie die Fans, die mich unheimlich unterstützen. Alles in allem hätte ich mir keinen besseren Start vorstellen können.

Die Hinrunde ist für Bayern wegen des Nachholspiels gegen Union noch nicht vorbei - und Sie stehen schon bei über 20 Toren allein in der Bundesliga.
Das stimmt. Wenn wir zudem noch Tabellenführer wären, wäre es ideal. Aber Bayer Leverkusen ist einfach stark in die Saison gestartet. Nichtsdestotrotz: Wenn mir im August jemand gesagt hätte, dass ich bis Weihnachten mehr als 20 Tore erziele, hätte ich das sofort unterschrieben. Nach den ersten Spielen hatte ich schon das Gefühl, dass wir - ich und die Spieler um mich herum - noch mehr erreichen können, wenn wir uns besser kennenlernen.

Finden immer besser zusammen: Die Spieler des FC Bayern München.

Finden immer besser zusammen: Die Spieler des FC Bayern München. IMAGO/ActionPictures

Inzwischen sind wir seit einer Weile zusammen, ich denke, es wird besser und besser, was im November und Dezember auch sichtbar war. Wenn wir so weitermachen, mehr Trainingseinheiten und Spiele absolvieren, werden wir noch stärker. Ich hoffe, dass ich mich weiterhin entwickle, aber nicht nur mich, sondern auch die Spieler um mich herum, wie Leroy Sané, Jamal Musiala, Kingsley Coman und Serge Gnabry, wenn er wieder da ist. So, dass wir hoffentlich alle eine starke zweite Saisonhälfte erleben.

Sie haben in den letzten Monaten immer wieder erwähnt, dass Sie sich trotz der vielen Tore noch nicht bei 100 Prozent sehen. Wie nah sind Sie jetzt dran?

Gegen Ende des Jahres, denke ich, war ich kurz davor. Ich fing an, mich wirklich gut zu fühlen. Auch wenn ich noch nicht in meinem Haus gelebt habe, fing ich an, mich in der Umgebung und auf dem Trainingsplatz zu 100 Prozent wohlzufühlen. Die Winterpause war jetzt eine kleine Unterbrechung, es braucht vermutlich zwei, drei Spiele, um wieder in den Rhythmus zu kommen. Trotzdem fühle ich mich bereit und hoffe, dass ich noch besser abschneiden werde als in der bisherigen Saison.

Im Dezember sind Sie von Ihrem Hotel im Stadtzentrum in das ehemalige Haus von Lucas Hernandez gezogen. Sind Sie endlich in München angekommen?

Ich glaube ja. Am Anfang war so viel los, da hat sich vieles um den Job gedreht. Ich habe viele neue Leute kennengelernt, musste mich an die Umgebung erst gewöhnen. Das war nicht so einfach, als die Familie nicht da war. Jetzt sind alle hier, die Kinder gehen zur Schule, und es fühlt sich langsam wie zu Hause an, was sehr wichtig ist. Ich bin ein Typ, der gern zu Hause bei seiner Familie ist und viel Zeit mit ihr verbringt. Auch für sie ist alles neu, aber ich denke, es ist eine großartige Erfahrung. Meine Frau hat fast ihr ganzes Leben lang in London gelebt - wir freuen uns total, dieses neue Kapitel gemeinsam zu beginnen.

Tuchel hat sehr viel investiert - und das hat mich beeindruckt.

Harry Kane

Hat sich Ihre Familie auch schon eingelebt?

Es ist sicher nicht einfach, und man macht sich immer Sorgen um die Kinder, ob sie Spaß an der Schule haben und Freunde finden. Aber ich bin sicher, das werden sie. Das Gute ist, dass sie in einem wirklich guten Alter sind, um die Sprache zu lernen. Sie sind wahrscheinlich schneller als ich (lacht). Ich denke, im Leben geht es um Erfahrungen, und für uns als Familie ist das ein großer Schritt. Wir werden einfach alles aufsaugen und es genießen.

Wie sieht es mit Ihrem Deutsch aus?

Es geht langsam voran. Mir fällt es wirklich schwer. Zwei Stunden pro Woche lerne ich die Sprache. Ich versuche zuzuhören, wenn die Leute um mich herum deutsch reden, um hier und da etwas aufzuschnappen, aber das braucht Zeit.

Eine andere Kultur, anderes Essen, eine andere Währung, ein anderer Verkehr, eine andere Liga. Was vermissen Sie von der Insel?

Das ist echt eine gute Frage ... Ich bin keiner, der viel vermisst. Ich bin jemand, der weitermacht und nach vorne schaut und nicht zu sehr in die Vergangenheit. Ich versuche, alles zu verarbeiten, und genieße es, hier zu sein. Zum Glück sprechen viele Leute hier auch Englisch, was mir sehr hilft. So ist das Leben: Man hat einen Job, eine Familie, um die man sich kümmert, und so geht es weiter. Sobald sich das Wetter bessert, werde ich mir ein paar Golfplätze suchen und ein paar Löcher spielen, während die Kinder zur Schule gehen. Mein Leben hier bekommt immer mehr Routine.

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Was sind Ihre Lieblingsspots in München?

Ich war noch nicht so viel unterwegs, aber klar, der Englische Garten ist wirklich schön. Ich möchte in die Berge fahren, damit die Kinder Ski fahren können - und ich ihnen zusehen kann. Mein Lieblingsspot aber wird vermutlich ein schöner Golfplatz werden (grinst).

Ihr Ex-Klub, die Spurs, hat zum ersten Mal seit 13 Jahren das internationale Geschäft verpasst. Wann haben Sie das erste Mal über eine neue Herausforderung im Ausland nachgedacht? Und wann ist Ihre Entscheidung gereift?

Ich habe mich darauf fokussiert, der Mannschaft zu helfen und mich auf das nächste Spiel zu konzentrieren. Natürlich hatten wir letztes Jahr eine schwierige Saison, also wollte ich mich nicht davon ablenken lassen. Normalerweise fängt man immer am Ende der Saison an, die Möglichkeiten abzuwägen. Mein Vertrag lief noch ein Jahr, ich wusste also, dass die Möglichkeit eines Wechsels bestand, und es ging nur darum, ein Gespräch mit dem Vorsitzenden von Tottenham zu führen. Wenn ich gehen würde, könnte es ein europäischer Verein sein, Bayern war ein Klub, der sehr präsent war für mich. Als ich mir die Mannschaft genauer angesehen habe, dachte ich, das könnte eine gute Option für mich sein.

Auch englische Klubs haben Sie umworben. Wäre ein Wechsel zu einem anderen Premier-League-Verein für Sie überhaupt denkbar?

Im Fußball kann man nie nie sagen, weil sich viele Dinge ändern können. Tottenham war ein großer Teil meines Lebens. Als Team hatten wir wirklich tolle Momente zusammen, aber Bayern München war eine wirklich gute Option für mich. Ich wollte etwas anderes erleben, ich wollte den europäischen Fußball kennen lernen.

Thomas Tuchel hat sich sehr bemüht, Sie für den FC Bayern zu gewinnen. Wie wurden Sie überzeugt?

Thomas hat mir seine Vorstellungen erzählt, wo er mich in der Mannschaft sieht, was wir brauchen und wie ich die Mannschaft verbessern kann. Er hat sehr viel investiert - und das hat mich beeindruckt.

Shearers Rekord? "Wer weiß, was in Zukunft passiert."

Harry Kane

Die Ankunft, die Unterschrift spät in der Nacht, Ihr Debüt im erfolglosen Supercup gegen Leipzig. Wie würden Sie Ihre ersten 48 bis 72 Stunden in München beschreiben?

Es war, gelinde gesagt, hektisch. Als ich hier ankam, ging es direkt ins Mannschaftstraining, am Sonntag hatten wir dann die Pressekonferenz - das war viel. Ich habe noch nie erlebt, wie ein Transfer abläuft, deshalb war mir wahrscheinlich nicht klar, wie viel dazugehört, aber in gewisser Weise war es eine tolle Erfahrung. Von der Ankunft bis zu dem Moment, als ich 24 Stunden später auf der Bank in der Arena saß ... Es war wie ein Wirbelwind, aber ich habe es wirklich genossen. Ich hatte alle hier, meine Eltern, meinen Bruder, meine Frau, die Kinder. Auch für sie war es cool, es zu sehen und zu erleben.

Wie gehen Sie mit diesem Hype um?

Ich weiß die Unterstützung der Fans und den Hype drum herum zu schätzen, aber ich lasse mich davon nicht in meiner Arbeit beeinflussen. Ich weiß ganz genau, was ich tun und wie ich der Mannschaft und dem Verein helfen kann. Ich vertraue auf meine Fähigkeiten, darauf konzentriere ich mich. Bei großen Transfers kommen manchmal Spieler, die unbedingt beeindrucken wollen und sich dabei vielleicht verletzen. Für mich ging es nur darum, gut zu trainieren und mich zu erholen. Die Regeneration ist für mich enorm wichtig, ich versuche, mich zu entspannen und ruhig zu bleiben - und nicht zu viel außerhalb des Trainings zu machen.

Man hört sich zu: Harry Kane und Thomas Tuchel (re.).

Man hört sich zu: Harry Kane und Thomas Tuchel (re.). IMAGO/ActionPictures

Sie wurden von José Mourinho, Antonio Conte und Mauricio Pochettino trainiert. Was zeichnet Thomas Tuchel aus?

Jeder Trainer ist auf seine Art und Weise anders. Thomas hat tolle taktische Ideen und weiß, wie er spielen will. Er bringt eine gute Energie und Leidenschaft mit, wenn er in der Umkleidekabine ist. Ich höre gern zu und lerne gern. Thomas und ich unterhalten uns viel über Fußball, wir sprechen über die Spiele und darüber, was er von mir braucht. Sei es, dass ich mich tiefer fallen lasse oder höher bleibe, denn letztendlich wollen wir dasselbe. Wir wollen die Meisterschaft und die Champions League gewinnen. Je mehr wir miteinander reden und je mehr wir versuchen, uns gegenseitig zu helfen, desto größer ist die Chance, dass wir das erreichen.

Was fehlt noch, um die Vorstellungen des Trainers vollständig zu erfüllen?

Man kann nicht eine ganze Saison lang jede Woche ein perfektes Spiel machen. Dadurch, dass Leverkusen dieses Jahr so gut spielt, sieht es so aus, als ob wir nicht so gut spielen würden. Aber es war einer unserer besten Saisonstarts seit vielen Jahren. Wir müssen geduldig bleiben. Außerdem haben wir noch ein Spiel in der Hinterhand. Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft sehr hungrig ist, und das müssen wir in den kommenden Spielen zeigen, vor allem am Ende der Saison, wenn im März und April die wirklich wichtigen Spiele anstehen.

Für mich wären es sozusagen beides Finals zu Hause.

Harry Kane über die Frage Wembley oder Allianz-Arena

Vieles ist in dieser Saison gut gelaufen, aber nicht alles. Nach dem Pokal-Aus in Saarbrücken, als Sie nach einem Schlag aufs Knie nicht zum Einsatz kamen, war in England vom Fluch des Harry Kane die Rede. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, die Meisterschaft zu gewinnen und in der Champions League zu triumphieren?

Ich denke, wenn man sich jetzt die Champions League anschaut und die Mannschaften betrachtet, ist Bayern München wahrscheinlich einer der drei Top-Favoriten auf den Sieg. Wie man in den vergangenen Jahren gesehen hat, gewinnt nicht immer die beste Mannschaft, es kommt auf viele Faktoren an. Ich habe immer das Gefühl, dass man in der Champions League einen Lauf haben muss, und ich hoffe, dass wir gegen Lazio diesen Stein ins Rollen bringen.

Harry Kane im Gespräch mit den kicker-Reportern Georg Holzner (li.) und Mario Krischel (re.).

Harry Kane im Gespräch mit den kicker-Reportern Georg Holzner (li.) und Mario Krischel (re.). kicker

Haben Sie schon einmal vom "Finale dahoam" gehört?

Nein, nicht wirklich.

Es ist das Champions-League-Finale "zu Hause". Wäre das für Sie das Finale dieses Jahr in Wembley? Oder nächstes Jahr in München?

Ich würde jedes von ihnen nehmen, oder beide! Es ist mir egal, ob es im Wembley-Stadion oder in der Allianz-Arena ist. Für mich wären es sozusagen beides Finals zu Hause.

In der Bundesliga wird es immer wieder Vergleiche mit Robert Lewandowski geben, der in den vergangenen Jahren gefühlt alle Rekorde gebrochen und Ihnen sozusagen große Fußstapfen hinterlassen hat. Haben Sie ihm schon geschrieben, dass Sie hinter seinen Rekorden her sind und er sich warm anziehen soll?

Ich habe ihn ein paarmal getroffen, einmal bei einem Werbedreh und einmal sind wir uns am Flughafen über den Weg gelaufen. Er hat unglaublich viel für den Klub geleistet. Aber unabhängig von Lewandowski: Wer auch immer vor dir im Verein Rekorde aufgestellt hat - natürlich versucht man, das Beste aus sich herauszuholen, seine eigenen Bestmarken zu setzen und diese Rekorde zu brechen. Allerdings denke ich nicht über diese Themen nach. Ich möchte einfach nur spielen, über alles andere dürfen die Medien und die Fans reden. Robert hat völlig zu Recht einen extrem hohen Stellenwert hier, er hat die Messlatte hochgelegt. Für mich war es jetzt ein guter Start. Und wenn wir in den März oder April kommen, bin ich hoffentlich ein bisschen näher an seinen Rekorden dran.

Alan Shearer

Sein Premier-League-Tor-Rekord steht noch immer: Alan Shearer. imago images

Alan Shearer hält mit 260 Toren den Rekord als bester Torjäger in der Premier League. Ihnen fehlen 47 Tore. Werden Sie diese Challenge eines Tages noch angehen?

Ich bin wirklich stolz auf die Anzahl meiner Tore in der Premier League, aber diesen Rekord zu brechen war nie mein oberstes Ziel. Je näher ich der Marke in den letzten Jahren kam, desto häufiger habe ich natürlich darüber gesprochen, aber wir müssen abwarten. Wer weiß, was in der Zukunft passieren wird. Ich bin jetzt hier bei Bayern, habe einen Vierjahresvertrag unterschrieben - und darauf konzentriere ich mich.

Was sind Ihrer Ansicht nach die entscheidenden Unterschiede zwischen Premier League und Bundesliga?

In der Bundesliga versuchen mehr Mannschaften, von hintenheraus das Spiel aufzuziehen; mehr Mannschaften pressen, spielen manchmal Mann gegen Mann. Also sind die Räume etwas größer, was wir ausnutzen können, wenn wir unser Tempo ins Spiel bringen. Vielleicht herrscht in der Premier League ein bisschen mehr Struktur; ein paar mehr Mannschaften verteidigen im Block. Was die Atmosphäre betrifft, die ist fantastisch in Deutschland, ganz anders als in der Premier League.

Wie sehen Sie, als Nationalmannschaftskapitän, Englands Chancen bei der EM im Sommer?

Wir haben gute Chancen. Die Mannschaft hat in den letzten Jahren einige gute Erfahrungen gemacht, bei der letzten Europameisterschaft standen wir im Finale (2:3 i.E. gegen Italien, d. Red.). Ich habe das Gefühl, dass wir bei dieser EM eine gute Rolle spielen können. Wie immer bei Turnieren kommt es auf bestimmte Aspekte an. Es ist lange her, dass England eine Trophäe gewonnen hat. Wir als Spieler müssen versuchen, das zu ändern.

Ich mag die USA. Vielleicht möchte ich in der NFL weitermachen.

Harry Kane

Was ist mit der deutschen Nationalmannschaft?

Ich glaube, dass Deutschland stark sein wird. Ich weiß, dass hier viel darüber geredet wird und die Fans sich vielleicht Sorgen machen, aber ich denke, sie haben eine wirklich gute Mannschaft. Als Engländer würde ich Deutschland sowieso niemals unterschätzen. Vor allem im eigenen Land werden sie alles daransetzen, die eigenen Fans zu beeindrucken und etwas zurückzugeben.

Welche Verantwortung tragen Sie als Kapitän?

Die Tatsache, dass ich jetzt hier in Deutschland spiele, ist eine wertvolle Erfahrung, die ich hoffentlich an die Mannschaft weitergeben kann. Ich möchte auf dem Platz, im Training und im Spiel mit gutem Beispiel vorangehen.

Apropos Kapitänsamt: Ist das etwas, das Sie hier bei Bayern anstreben, oder passiert das - wenn dann - einfach so?

Es passiert einfach. Wir haben einige Leader im Team, es hängt also vom Trainer und vom Verein ab. Sollte es jemals ein Spiel geben, in dem unsere Kapitäne nicht spielen können, wäre ich sehr stolz darauf, die Binde für diesen Verein zu tragen. Aber darüber denke ich im Moment nicht nach. Ob ich nun Kapitän bin oder nicht, ich bin immer derselbe. Ich trainiere immer gleich, spreche gleich, spiele gleich - und das wird sich auch nicht ändern.

Lang ist's her: David Beckham mit einem sehr jungen Harry Kane (re.), links: Katie Goodland.

Lang ist's her: David Beckham mit einem sehr jungen Harry Kane (re.), links: Katie Goodland. IMAGO/Avalon.red

Es gibt das bekannte Foto von Ihnen als Kind mit David Beckham, der ebenfalls Kapitän Englands war und in dieser Rolle ein Wechselbad der Gefühle durchlebte. Auf Instagram hatte er auch mit einem Augenzwinkern auf Ihr Tor von der Mittellinie gegen Darmstadt reagiert. Was bedeutet Beckham für den englischen Fußball?

Beckham war ein großes Idol von mir, als ich aufgewachsen bin. Er war der Kapitän der Nationalmannschaft. Er war derjenige, der ich als Kind sein wollte. Und er war ein großartiges Vorbild. Wir sind immer mal in Kontakt und haben uns ein paarmal getroffen. Er hat mir zum Beispiel gratuliert, als ich zum FC Bayern kam. Hoffentlich können wir ihn mal zu einem Spiel als Zuschauer nach München einladen - ein Spiel, das wäre wirklich schön.

Heute ist Beckham Miteigentümer von Inter Miami. Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Auch eine gute Frage. In zehn Jahren werde ich 40 sein. Wer weiß ... Ich möchte so lange Fußball spielen, wie es mein Körper und mein Geist zulassen. Es macht mir einfach so viel Spaß, und ich will nicht, dass es aufhört. Vielleicht kann ich mit 40 immer noch spielen. Ich mag die USA, ich verbringe viel Zeit dort. Ich habe aber auch schon mal über die NFL (die nordamerikanische Football-Liga, d. Red.) nachgedacht und darüber, dass ich dort vielleicht weitermachen möchte. Wir werden sehen. Ich glaube aber nicht, dass ich zum Beispiel als Trainer arbeiten möchte, obwohl mir viele Spieler sagen, dass man mit zunehmendem Alter und gegen Ende der Karriere anders darüber denkt.

Franz Beckenbauer hat einmal gesagt, er wolle nie Trainer werden - und ist ein großer Trainer geworden.

Schau an. Vielleicht ändere ich meine Meinung in ein paar Jahren.

Dieses Interview erschien erstmals in der Montagsausgabe des kicker am 15. Januar. Hier können Sie sich den kicker als eMagazine im Flex-Abo sichern.

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