Motorsport

Hypermiling: 2000 Kilometer mit einer Tankfüllung - geht das?

Spritsparen auf die Spitze getrieben

Hypermiling: 2000 Kilometer mit einer Tankfüllung - geht das?

Tanken: Je seltener das sein muss, desto besser.

Tanken: Je seltener das sein muss, desto besser. Engin Akyurt/pixabay

Als der Bund im September von der Spritpreisbremse ging, wurde schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Zur befürchteten Preisexplosion ist es zwar nicht gekommen. Doch noch immer bleibt Kraftstoff ein kostbares Gut. Sparen beim Fahren ist also angesagt.

In besonderem Maße wird das beim sogenannten Hypermiling betrieben. "Hyper" bedeutet so viel wie "übermäßig", Miling steht für die zurückzulegende Strecke. Im Klartext: Es geht darum, mit einer Tankfüllung so weit wie möglich zu kommen.

Ursprung in den USA

Dass dabei - Stichwort "Miling" - nicht von Kilometern, sondern von Meilen die Rede ist, hat damit zu tun, dass der auf die Spitze getriebene Spritspar-Sport seine Anfänge in den USA genommen hat. Ausgerechnet im Land der berüchtigten "Gas Guzzlers" also, der durstig blubbernden Benzinschleudern, wie sie bei uns eher selten anzutreffen sind, die sich jenseits des Atlantiks - und da oft in Gestalt dicker Pick-up-Trucks - aber noch immer großer Beliebtheit erfreuen.

"In den USA sind die Distanzen lang und die Tempolimits niedrig", erklärt Eckart Seifert, das seien optimale Voraussetzungen fürs Hypermiling. Der 30-Jährige aus Halle kennt sich aus. Er ist der wohl bekannteste deutsche Hypermiling-Akteur, auf seinem Youtube-Kanal "asphalt.art" lässt er das Publikum regelmäßig an den Versuchen teilhaben, das Maximale an Strecke aus verschiedenartigsten Fahrzeugen herauszukitzeln, deren Spar-Erfolge freilich auch von der jeweiligen Fahrzeuggröße, Tankkapazität und Spezifikation (Benziner oder Diesel) abhängen. Die besten Voraussetzungen, sagt Seifert, biete eine Limousine mit möglichst großen Rädern und geschlossenem Felgendesign, einem Diesel als Antrieb und, natürlich, einem großen Tank.

Spritspar-Rekorde

"Ich finde es faszinierend, mit wie wenig Kraftstoff man ein Auto bewegen kann, wenn man es wirklich darauf anlegt", bekundet der Hypermiler. Mit dem Mazda-Roadster MX-5 brachte es der Spritspar-Experte auf 960 Kilometer, mit dem immerhin 290 PS starken VW Golf GTI TCR auf 1036 Kilometer. Den Rekord hält der große Skoda Superb Combi 2.0 TDI evo, 2056 Kilometer standen schließlich auf der Uhr, bei einem Durchschnittsverbrauch von 3,37 l/100 km. Und sogar noch mehr wäre möglich gewesen, denn am Ende der vordefinierten Strecke - bis zum Liegenbleiben wird nicht gefahren - waren laut Anzeige im Fahrzeug beachtliche 200 Kilometer Restreichweite übrig. "Nach 24 Stunden Fahrt haben wir aber einfach nicht mehr gekonnt", erinnert sich Seifert.

Eckart Seifert

Beherrscht die Kunst des Sparens: Eckart Seifert ist einer der bekanntesten Hypermiler. Seifert/asphalt.art

Damit wäre ein Teil der Hypermiling-Vorgehensweise bereits umrissen: Gesammelt werden die Kilometer nicht über Tage oder Wochen hinweg, sondern in einem Stück. Die Strategie beginnt mit einer verbrauchsoptimierten Routenplanung, idealerweise ist die zurückzulegende Strecke flach und führt weitestgehend über Autobahnen. Ballungsräume werden zu Tageszeiten mit hohem Verkehrsaufkommen gemieden, denn Stop-and-Go im Stau ist verbrauchsintensiver als Cruisen mit gleichmäßigem Tempo. Auch regnerische Wetterlagen sind ungünstig - wenn die Reifen die Nässe "wegdrehen" müssen, wie Seifert sagt, kostet das Kraft und somit Sprit.

Vor Fahrtbeginn wird der Tank randvoll gefüllt und der Reifenluftdruck deutlich erhöht, das senkt den Rollwiderstand. Eine abnehmbare Antenne kommt runter vom Dach, der Aerodynamik wegen, elektrische Komfortverbraucher wie Klimaanlage, Radio oder Ambientebeleuchtung bleiben ausgeschaltet. Dann geht es auf die Autobahn und dort in den Windschatten eines Lkw, dem man mit verhaltenen 80 bis 90 km/h folgt. Gefahren wird im Zweier-Team, um sich am Steuer abwechseln zu können. Stopps legen die Spar-Profis möglichst wenige ein, denn "jedes Anhalten vernichtet Energie, weil ich danach wieder beschleunigen muss", wie Seifert erklärt.

Verwegene Methoden

Man ahnt es: Mit dem Alltag der Autofahrer und Autofahrerinnen hat die Hypermiling-Taktik größtenteils wenig zu tun. Manches eignet sich für die Praxis, bei anderem ist Zurückhaltung geboten. Eckart Seifert ruft in seinen Videos eventuelle Nachahmer beständig zu Vorsicht auf, er für seinen Teil legt großen Wert darauf, auf seinen Spritspar-Fahrten nie die Wege der Vernunft zu verlassen. Das Fahren im Gefolge eines Lkw beispielsweise geschieht mit, sofern vorhanden, aktiviertem Abstandstempomat und mit Aufmerksamkeit, auch ein Reservekanister ist immer dabei, droht der Spritvorrat tatsächlich zur Neige zu gehen, geht es runter von der Autobahn, dies vor allem dann, wenn der Tankstutzen auf der linken Seite liegt, wo man beim Nachfüllen dem vorbeiziehenden Verkehr besonders ausgesetzt ist.

Zu hören ist aber auch von Hypermilern, die eher verwegene Methoden anwenden: Um die Aerodynamik des Fahrzeugs zu verbessern, werden schon mal die Außenspiegel entfernt, zweifelhafte Anbauteile angebracht oder Fugen und Lüftungseinlässe abgeklebt.

Spätestens beim letzten Punkt hört für Artem Malakhov vom Nürnberger Autohaus "Road Star" der Spaß auf. "Davon ist dringend abzuraten", warnt der Kfz-Mechaniker und Automobilkaufmann. "Der Motor bekommt keine Kühlluft, er kann überhitzen, am Ende droht ein kapitaler Motorschaden".

Sicherheit infrage gestellt

Auch Wolfgang Lieberth, Verkehrsexperte beim ADAC Nordbayern, hält die unorthodoxen Maßnahmen für bedenklich. Die "Sicherheit schwer infrage gestellt" sieht er beispielsweise, wenn der Reifenluftdruck weit übers erlaubte Maß hinaus erhöht wird: "Da geht Grip verloren, der Bremsweg verlängert sich und die Reifen fahren sich ungleichmäßig ab". Zudem sei mit Komforteinbußen zu rechnen. Ebensowenig hält Lieberth es für eine gute Idee, den Tank bei sommerlicher Hitze bis zum Anschlag zu befüllen: "Der Kraftstoff dehnt sich aus, und obwohl es einen Ausgleichsbehälter gibt, kommt es womöglich zum Überlaufen von Sprit oder zum Entweichen von Dämpfen".

Wolfgang Lieberth

Verkehrsexperte: Wolfgang Lieberth vom ADAC Nordbayern. ADAC

Auch das Verharren im Windschatten kann nach Ansicht des Experten "durchaus gefährlich" werden. Zumindest bei allzu dichtem Auffahren: "Man kann ja nicht durch den Lkw hindurchschauen und bemerkt insofern gar nicht, was vor ihm passiert", sagt Lieberth. Umso überraschender komme es dann, wenn der Laster plötzlich bremst. Selbst das Deaktivieren der Klimaanlage sieht der ADAC-Fachmann kritisch: "Sie hilft auch, konzentriert zu fahren, Abschalten kann zulasten der Verkehrssicherheit gehen".

Und was ist davon zu halten, beim Zurollen auf eine Ampel auszukuppeln? Das bringt erstens rein technisch nichts, denn im sogenannten Schubbetrieb kappen moderne Autos sowieso die Kraftstoffzufuhr. Risiken birgt es außerdem, denn aus einer plötzlich auftretenden Gefahrensituation kann das Fahrzeug nicht schnell genug wegbewegt werden.

Sparen ohne Risiko

"Es gibt genügend andere Spar-Tipps, die etwas bringen, mit denen man sich aber auf der sicheren Seite bewegt", sagt Wolfgang  Lieberth. Solche Ratschläge hat auch Spar-Profi Eckart Seifert parat, nachzulesen sind sie hier.

Daneben regen sich Stimmen, die Hypermiling schlicht als sinnfreies Verbrennen von Kraftstoff bewerten. Ralf Altenberger, Leiter der Geschäftsstelle Bayern des alternativen Verkehrsclubs Deutschland (VCD) mit Sitz in Nürnberg, ist da hin- und hergerissen. "Wenn man so will, ist Hypermiling eine sanfte Form des Motorsports", meint er, "und Motorsport ist nie umwelt- und klimafreundlich". Sehe er aber, was möglich ist, wenn bestimmte Spartechniken zur Anwendung gelangen, dann erkenne er schon auch positive Aspekte: "So kann vom Hypermiling eine gewisse Werbewirkung für sparsames Autofahren ausgehen".

Alles schon dagewesen

Ganz neu ist das Thema übrigens nicht. Die Jagden nach günstigen Verbrauchswerten trugen früher nur andere Etiketten: Im Rahmen der sogenannten Mobil-Sparfahrt beispielsweise hat es ein Opel Astra Turbodiesel bereits im Jahr 2000 auf einen Durchschnittsverbrauch von 3,1 l/100 km gebracht - auf einem alltagsnahen Streckenprofil, das nicht nur Autobahnen, sondern auch Ortsdurchfahrten und bergige Teilstücke umfasste. Und für Bummeln hat es Strafpunkte gegeben.

Ulla Ellmer