2. Bundesliga

Hertha zwischen "Ebba" und Flut

5:2-Kantersieg gegen Schalke mit der jüngsten Startelf seit 1995

Hertha zwischen "Ebba" und Flut

Gebührend gefeiert: Fabian Reese "putzt" Torschütze Marten Winkler die Schuhe.

Gebührend gefeiert: Fabian Reese "putzt" Torschütze Marten Winkler die Schuhe. IMAGO/Metodi Popow

Die Wahl der Schuhe war für Marten Winkler nicht ganz einfach. "Seit zwei Tagen trainiere ich mit meinen neuen Schuhen", sagte er nach getaner Arbeit in den Katakomben des Olympiastadions. "Alle haben erstmal gesagt: 'Warum spielst du denn mit Straßenschuhen?' Ich war vor dem Spiel noch unschlüssig, ob ich sie anziehe. Zum Glück habe ich sie angezogen." Zum Glück für ihn und zum Glück für Hertha BSC: Rechtsaußen Winkler war am Sonntagnachmittag beim auch in der Höhe restlos verdienten 5:2 gegen Schalke einer der Protagonisten. "Wenn man gewinnt und auch noch so deutlich", befand der Doppeltorschütze, "dann macht es umso mehr Spaß. Wir wollen alle kicken - und wie man heute gesehen haben, können wir das auch."

Nach drei sieglosen Spielen und einer ersten Rückrundenhälfte, in der Herthas schwerster Gegner nicht selten die eigene Lethargie war, lieferte der temperamentvolle Auftritt gegen Schalke eine Ahnung davon, welche Wucht dieser Kader offensiv entfalten kann. "Wir konnten an diesem Nachmittag viele Häkchen an die richtige Stelle setzen", bilanzierte Fabian Reese, der kein Tor, aber drei Assists verbuchte. "Schönes Wetter, volles Stadion, gute Stimmung, Heimsieg, drei Punkte - rundum ein wunderschöner Sonntag. Wir haben unseren Matchplan sehr gut auf Schalke angepasst und eins gegen eins über den gesamten Platz gespielt."

Es war für erbarmungswürdig schlecht verteidigende Schalker ein Nachmittag des Grauens, während Hertha auf den ängstlichen Auftritt beim FC St. Pauli (0:2) mit maximaler Entschlossenheit antwortete - nach einer Woche, die es in sich hatte. Am Dienstag hatte Trainer-Sohn Bence Dardai (18, offensives Mittelfeld) den Bossen seinen ablösefreien Abgang im Sommer verkündet, ihn zieht es zum VfL Wolfsburg.

Und Dardai senior war seit Mitte der Woche sicht- und hörbar angefressen über den kicker, der die bis dahin maue Rückrundenbilanz und die im Sommer offene Trainerfrage thematisiert und berichtet hatte, dass es Ende Januar in Teilen der Chefetage Gedankenspiele um eine sofortige Trennung gab. "Es war eine schwierige Woche", sagte Pal Dardai nach dem Kantersieg gegen Erzrivale Schalke. "Von außen kommt Druck, das hat intern keiner verstanden. Die Jungs haben in der Woche sehr gut trainiert, und ich habe gesagt: 'Das möchte ich auch im Spiel sehen.'"

Defensive ein paar Wackler, aber offensive Stringenz

Pal Dardai

Gegen S04 hatte er viel Grund zur Freude: Pal Dardai. IMAGO/Beautiful Sports

Defensiv offenbarte Hertha im ersten Abschnitt einige Wackler, offensiv hatte der Vortrag des Hauptstadtklubs eine Schlagkraft und Stringenz wie seit Wochen nicht. "Wir haben mit Ball sehr guten Fußball gespielt, schon in der ersten Halbzeit, wir hätten deutlicher führen sollen", sagte der Coach. Und anders als in etlichen Spielen dieser Saison machten die Berliner gegen Schalke nach der Pause den Deckel drauf und, wie Dardai korrekt protokollierte, "im richtigen Moment die nötigen Tore".

Das Offensivquartett um die Doppeltorschützen Winkler und Haris Tabakovic, Dreifach-Vorbereiter Fabian Reese und Spielgestalter Maza war nicht zu bändigen. "Es gab ein paar Veränderungen in der Startelf, wir hatten viele gute Fußballer auf dem Platz", sagte Reese. "Ich glaube, das hat man gesehen. Wir haben Spielfreude gezeigt und schöne Tore geschossen."

Überzeugendste Darbietung des Jahres 2024

Die überzeugendste Darbietung des Jahres 2024 gelang Hertha mit der jüngsten Startelf (23,93 Jahre im Schnitt) seit dem 10. Spieltag der Zweitligasaison 1995/96. Einige Etablierte - Kapitän Toni Leistner und Winter-Zugang Aymen Barkok - blieben 90 Minuten auf der Bank, andere wie Maza und Jeremy Dudziak (erster Startelfeinsatz seit Ende September) nutzten ihre Chance. Es war vor der imposanten Kulisse von 69.135 Zuschauern eine Leistung, die für die Berliner zum Maßstab im Saisonfinale werden soll. "Wir wollen auch die verbleibenden Spiele gewinnen, den Leuten guten Fußball bieten und schauen, wie viele Punkte wir noch holen können", sagte Reese.

Nach der Länderspielpause geht’s am 30. März daheim gegen den 1. FC Nürnberg weiter. "Nächstes Heimspiel, was gibt es Besseres", meinte der Linksaußen maximal gutgelaunt. "Da wollen wir bestmöglich an die heutige Leistung anknüpfen und wieder drei Punkte holen." Bis dahin dürfte sich auch der Familienzuwachs im Hause Reese akklimatisiert haben.

Der Hertha-Profi und seine Freundin holen sich am Montag einen Zwergpudel namens Ebba. "Wir sind ein Paar aus dem Norden, der Name ist ein nostalgischer Gruß in die Heimat", sagte Reese nach der Torflut gegen Schalke mit einem Lächeln.

Und Doppeltorschütze Winkler? Bekam vom Vorgesetzten Zuckerbrot. "Wenn ein Winkler von der 3. Liga nach einem halben Jahr Ausbildung bei uns zwei solche Tore schießt, dann lohnt es sich, sich oft mit ihm zu beschäftigen", sagte Dardai. "Er hat immer wieder Vertrauen bekommen, natürlich auch mal einen Arschtritt. So bin ich, es ist nicht einfach mit mir." Ist es nicht.

Steffen Rohr, sge

Bence Dardai enttäuscht nach Spielende, Trainer Pal Dardai Enttäuschung Fußball Fussball DFL 2.Bundesliga Herren 8.Spieltag Saison 2023 2024 30.09.2023 Hertha BSC Berlin vs. FC St.Pauli DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi-video *** Bence Dardai disappointed after end of match, coach Pal Dardai disappointment Sports Football Soccer DFL 2 Bundesliga Herren 8 Spieltag Saison 2023 2024 30 09 2023 Hertha BSC Berlin vs FC St Pauli DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi video

Dardai mit Gegenfrage: "Möchtest du gewinnen?"

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