2. Bundesliga

Hertha-Boss Bernstein im Interview: "Legen eine Vollbremsung hin"

Der Klub-Präsident über sein erstes Jahr im Amt und "drei Krisenstäbe"

Hertha-Boss Bernstein im Interview: "Wir legen gerade eine Vollbremsung hin"

Das Ziel sind ruhigere Fahrwasser: Hertha-Präsident Kay Bernstein.

Das Ziel sind ruhigere Fahrwasser: Hertha-Präsident Kay Bernstein. IMAGO/camera4+

Seine Wahl am 26. Juni 2022 war ein Paukenschlag. Kay Bernstein - in Marienberg im Erzgebirge geboren, in Dresden und später in Berlin-Marzahn aufgewachsen, Beinahe-Schulabbrecher, Mitbegründer der Hertha-Ultra-Gruppierung "Harlekins Berlin", gelernter Industriemechaniker, Inhaber einer Kommunikations- und Eventagentur - gewann nach einem hitzig geführten Wahlkampf gegen Frank Steffel, den Unternehmer, CDU-Politiker, Präsidenten des Handballbundesligisten Füchse Berlin und Favoriten des Klub-Establishments.

Das ist am Montag exakt ein Jahr her: ein Jahr, das gespickt war mit Turbulenzen und Schlagzeilen und das mit dem siebten Bundesliga-Abstieg der Klub-Historie endete. "Wir hatten nie vier Wochen Normalbetrieb am Stück, sondern waren die ganze Zeit parallel in drei Krisenstäben aktiv", sagt Bernstein im kicker-Interview. "Die Finanzen, die Spionage-Affäre, der Investoren-Wechsel, die Personalie Fredi Bobic, die sportliche Krise, die Lizenzierung: Meistens war ein Problem noch gar nicht um die Ecke, da kam schon das nächste."

"Hertha ist auf dem Weg zurück in die Realität"

Auch wenn der drohende Lizenzentzug abgewendet werden konnte, sieht der Präsident den Traditionsklub weiterhin in einer überaus schwierigen finanziellen Lage. "Hertha liegt immer noch auf der Intensivstation", erklärt Bernstein. "Der Unterschied zu 2022: Es stehen jetzt mehr Ärzte und mehr Helfer am Bett." Und weiter: "Hertha ist auf dem Weg zurück in die Realität und inzwischen hier und da gezwungenermaßen im Notbetrieb. Wir haben jetzt feste Budgetgrenzen, die wir - egal, was passiert - nicht sprengen werden." Der Klub erfahre "viel Zuspruch, das treibt uns an. Aber wahr ist auch: Hertha ist noch nicht über den Berg."

Die aktuellen Sparmaßnahmen - im Profi-Kader ebenso wie in der Geschäftsstelle und in der Akademie - sind aus Bernsteins Sicht alternativlos: "Wenn man sieht, wie sorglos hier in den vergangenen Jahren gewirtschaftet wurde, und es damit vergleicht, was wir jetzt machen, muss man sagen: Wir legen gerade eine Vollbremsung hin." Das Ziel sei es, bis 2025/26 ein ausgeglichenes Betriebsergebnis zu erreichen, "bis dahin wird es ein harter Kampf".

Die Zusammenarbeit mit dem im März eingestiegenen neuen US-Investor 777 Partners lobt der Klub-Boss: "Wir sind sicher nicht im Schwitzkasten von 777 Partners. Es gibt die Investorenvereinbarung mit den Zahlungszielen, und an die hat sich 777 bisher gehalten. Es ist ein konstruktives Miteinander auf einer guten kommunikativen Grundlage und mit derselben Stoßrichtung und einer gewissen Geräuschlosigkeit - alles Dinge, die es mit dem vorherigen Investor (Lars Windhorst; Anm. d. Red.) so nicht gab. Dass Reibung nicht ausbleibt, ist klar. Aber klar ist auch, dass wir als Klub nicht alle Altlasten auf den neuen Partner abwälzen wollen."

Im kicker-Interview (Montagausgabe oder ab Sonntagabend im e-Magazine) spricht Bernstein außerdem über das Vertrauen in Trainer Pal Dardai, die Trennung von Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic, die Kritik aus der Ostkurve am Investoren-Deal, die Verlängerung der 40-Millionen-Euro-Anleihe, den Erfolg von Stadtrivale Union und eine mögliche zweite Amtszeit ab 2024.

Steffen Rohr

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