Bundesliga

Hausgemachte Unruhe bei den Schiedsrichtern

Altbekannte Probleme tauchen wieder auf

Hausgemachte Unruhe bei den Schiedsrichtern

Eigentlich Rot gemäß der jüngsten Linie: Im Spiel Bayern gegen den BVB wurde Julian Ryersons (re.) Tritt gegen Jamal Musiala (M.) nicht mal mit Freistoß geahndet.

Eigentlich Rot gemäß der jüngsten Linie: Im Spiel Bayern gegen den BVB wurde Julian Ryersons (re.) Tritt gegen Jamal Musiala (M.) nicht mal mit Freistoß geahndet. picture alliance / SvenSimon

Das Positive vorweg. Die 24 Bundesliga- Schiedsrichter liegen gut im Rennen. Zumindest der kicker-Notenschnitt von 2,97 kommt der bisher besten Spielzeit 2019/20 (2,95) nahe. Anfang Dezember 2023 lag man mit einer 2,84 aber noch auf Rekordkurs. Der Abfall seitdem hat auch mit den beiden vergangenen Spieltagen zu tun. Dort traten mal wieder altbekannte Probleme auf, die auch branchenintern für Unruhe sorgen.

Rückblick, 26. Spieltag: Erstliga-Neuling Timo Gerach zeigt Wolfsburgs Patrick Wimmer im Spiel gegen Augsburg (1:3) beim Stand von 1:0 die Rote Karte wegen angeblicher Notbremse an Kevin Mbabu. Regelkriterium: das Verhindern einer klaren Torchance. Dass Mbabu diese halbrechts an der Strafraumkante gehabt hätte, zumal Wolfsburg Maxence Lacroix noch hätte eingreifen können, wird mehrheitlich verneint. Laut Medienchef Alex Feuerherdt auch von den Verantwortlichen der DFB Schiri GmbH: "Gelb wäre die deutlich bessere Entscheidung gewesen."

Rechtfertigungen sorgen immer wieder für Unmut

Damals greift jedoch der fachlich exzellente Ex-Weltschiedsrichter Dr. Felix Brych als VAR nicht korrigierend ein. Gerach sprach im TV-Interview zwar kurz über sein Unbehagen, betonte aber vor allem die Elemente, die doch noch Rot ermöglicht hätten. Die verstärkte Bereitschaft zu öffentlichen Erklärungen der Schiris hebt sich im internationalen Vergleich grundsätzlich positiv ab. Solche Rechtfertigungen mit teilweise kleinen Regelaspekten, die das eigene Handeln entlasten, sorgen aber zu oft für Unmut bei Protagonisten wie Zuschauern. Ein klares Zugeben von Fehlern wäre in solchen Ausnahmefällen angebracht.

Aber was genau ist ein Fehler? Ein klarer und offensichtlicher obendrein? Diese Frage macht den VAR zu schaffen. Einerseits ist diese Definition als Eingriffsschwelle für VAR weitverbreitet. Andererseits gibt es Vorgaben von UEFA und FIFA, die von den VAR isolierte Bewertungen von Szenen gemäß den aktuellen Regelauslegungen einfordern.

Bei Abweichung von der Feldentscheidung sollen die Referees vor dem Bildschirm eine "zweite Chance" erhalten. Was als Leitlinie beim DFB gilt, ist nicht ganz klar. VAR-Chef Jochen Drees hatte auch schon erklärt, dass in begründeten Zweifelsfällen die Schiris lieber einmal mehr in die Review Area gehen sollen. Was nicht zum Fall Gerach passt.

Diskussion um Entscheidung in München

Auch bei Bayern gegen Dortmund hätte VAR Benjamin Cortus Schiri Harm Osmers in der 31. Minute besser in die Review Area geschickt. Osmers hatte nach einem Tritt von Julian Ryerson mit offener Sohle auf den Unterschenkel von Jamal Musiala nicht mal Foul gepfiffen. Bei Sky entschuldigte sich Osmers dafür, plädierte aber auf "Dunkelgelb". Das wäre laut Feuerherdt gerade noch akzeptabel gewesen. Warum? Dieses Einsteigen erfordert gemäß der Linie für gesundheitsgefährdende Fouls Rot. Schiriboss Lutz Michael Fröhlich hatte diese Konsequenz nach einer verpassten Roten Karte für Freiburgs Vincenzo Grifo am 8. Spieltag eingefordert.

MUNICH, GERMANY - MARCH 30: Jamal Musiala of Munich while his exchange with Head Coach Thomas Tuchel during the Bundesliga match between FC Bayern München and Borussia Dortmund at Allianz Arena on March 30, 2024 in Munich, Germany. (Photo by Markus Gilliar - GES Sportfoto/Getty Images) (Photo by Markus Gilliar - GES Sportfoto/Getty Images)

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Bei Grifo scheute sich damals VAR Daniel Schlager, Schiri Tobias Reichel zu korrigieren. Wie zuletzt Brych bei Gerach und Cortus bei Osmers. Der "Kollegen-Schutz" spielt mindestens unterbewusst eine Rolle - wie auch ein strukturelles Defizit. Schon im Oktober 2022 hatte Drees angekündigt, künftig mehr auf feste, eingespielte Gespanne aus Schiris und VAR zu setzen. Das wurde bisher kaum umgesetzt, zum Unverständnis einiger Aktiver.

Lauf-Leistungstest wirft Fragen auf

Auch der beim Stützpunkt Ende Februar, Anfang März in Frankfurt zwischen Spieltagen durchgeführte Lauf-Leistungstest wirft Fragen auf. Bisher war das Bestehen dieses Tests nur im Sommer Einsatz-Voraussetzung. Nun wollte die Führung die Fitness während der Saison überprüfen, auch mit Blick auf die Kaderzusammenstellung im Mai für 2024/25. Nachvollziehbar, aber warum wurde nicht in der Wintervorbereitung "scharf" getestet, als die Schiris nur übungsweise liefen? Seit dem Stützpunkt-Test sind FIFA-Assistent Mark Borsch sowie Zweitliga-Schiri Robin Braun verletzt.

Im Saisonfinale gilt es, den jüngsten Eindruck zu widerlegen. Mutig: Nach kicker-Informationen darf dabei Zweitliga-Schiri Florian Exner (33) am Sonntag bei Hoffenheim gegen Augsburg erstmals in der Bundesliga "schnuppern". Es geht auch um einen versöhnlichen Abschied für Fröhlich, der mit seiner zugänglichen Art seit 2016 zu oft eine straffere Führung verpasste. Zu den jüngsten Aufregerszenen fehlte es intern wie extern teilweise an zeitnahen, klaren Einordnungen der Chefs. Auf Fröhlichs Nachfolger Knut Kircher wartet ab Sommer viel Arbeit.

Dieser Text erschien erstmals in der kicker-Ausgabe vom 4. April

Carsten Schröter-Lorenz

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