Bundesliga

BVB-Stürmer Haller: Ein Mann auf Mission

Stürmer, Einflussgeber, Führungsfigur

Haller: Ein Mann auf Mission

Kann beim BVB in diesem Jahr die Sommer-Vorbereitung komplett absolvieren: Stürmer Sebastien Haller.

Kann beim BVB in diesem Jahr die Sommer-Vorbereitung komplett absolvieren: Stürmer Sebastien Haller. IMAGO/Kirchner-Media

Von der USA-Reise des BVB berichtet Matthias Dersch

Das kleine Mädchen ist erkennbar nervös, als die Türen des Veranstaltungssaals am Fuße des High Roller, dem gigantischen Riesenrad in Las Vegas, aufgehen und sich dutzende Blicke auf sie richten. Es hat das neue Cup-Trikot von Borussia Dortmund an, das an diesem Abend offiziell vorgestellt wird. Der Mann an ihrer Seite nimmt sie an die Hand und spricht ihr Mut zu. Sie lächelt - und dann laufen die beiden gemeinsam durch das Spalier aus BVB-Fans und -Partnern, die sich zu diesem Anlass in der US-amerikanischen Glücksspielmetropole versammelt haben.

Der Mann an der Seite des Mädchens ist nicht irgendwer. Es ist Sebastien Haller, Stürmer von Borussia Dortmund - und Familienvater. Er kennt Nervosität von seinen eigenen Kindern und weiß, welche Mittel es dagegen gibt. Und er spürt Verantwortung. Für sich und seine Familie. Aber auch für seinen Klub. Und in diesem Moment auch für das Mädchen mit Lampenfieber.

Haller geht mit einer natürlichen Art der Autorität voran

Es ist nur eine kleine Beobachtung auf dieser elftägigen US-Reise, auf der sich der BVB gerade befindet. Doch sie sagt einiges aus über den Menschen Sebastien Haller. Und auch über den Sportler. Es gibt Charaktere, die strahlen umgehend Präsenz aus, sobald sie einen Raum betreten. Haller ist einer von ihnen. Und er füllt diese Präsenz mit einem hohen Maß an Professionalität, Souveränität, aber auch Offenheit aus. Spricht er mit den Medien, ist er klar in seinen Aussagen.

In seinem Team ist er einer der Leistungsträger und Anführer, nicht erst, seit er von den BVB-Verantwortlichen in den neuen, nun sechsköpfigen Mannschaftsrat berufen wurde. Der 29-Jährige führt weniger, weil er große Reden schwingt oder sich vor Kraft strotzend auf die Brust haut. Er führt mehr durch eine natürliche Art der Autorität und etwas, dass die Amerikaner "Impact" nennen.

Die vergangene Rückrunde hat bewiesen, wie groß dieser "Impact", also der Einfluss Hallers, auf das Spiel seiner Mannschaft sein kann. Mit ihm als Sturmspitze schossen seine Kollegen wesentlich mehr Tore als ohne ihn. Mit ihm sammelte der BVB allein in den 19 Spielen nach der WM-Pause 46 Punkte. Ohne ihn in den 15 Spielen zuvor lediglich 25. Dass die Aufholjagd am Ende nicht im Meistertitel mündete, war Haller nicht anzulasten - auch wenn er im Saisonfinale gegen Mainz (2:2) einen Strafstoß verschoss. Denn: Ohne ihn wäre der BVB überhaupt nicht in diese Finalsituation gekommen. Und dass es dazu kam, war keineswegs selbstverständlich beim Rückblick auf jenen Tag während des Sommertrainingslagers der Borussia in Bad Ragaz, als bei Haller ein Tumor im Hoden gefunden wurde.

Von jetzt auf gleich war die Welt Hallers eine andere. Anstatt mit seinen Teamkollegen auf dem Fußballfeld zu stehen, musste er nach der Krebsdiagnose eine kräftezehrende Therapie absolvieren und sich zwei Operationen unterziehen. Monatelang war an Fußball nicht zu denken, die Gesundheit und die Familie standen im Vordergrund. Haller gewann den Kampf und feierte im Januar sein Comeback. Der Rest der Geschichte ist bekannt - siehe oben.

Hallers Premiere: Zweieinhalb Wochen überhaupt keinen Sport

Im Sommer hatte Haller Gelegenheit, zu verarbeiten, was ihm da widerfahren war. Er pausierte im Juni bei den Spielen der Elfenbeinküste und bekam Sonderurlaub von seinem Klub. "Ich habe die Zeit genutzt, um mal etwas länger Ferien zu machen. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich zweieinhalb Wochen überhaupt keinen Sport gemacht. Aber das war wichtig für mich, um den Körper mal zu resetten", sagt er nach dem Test gegen San Diego Loyal (6:0), bei dem er wie selbstverständlich die Ausführung eines Strafstoßes übernahm, den der BVB zugesprochen bekam.

Der Fehlschuss gegen Mainz - er hat offenbar nicht am Selbstvertrauen des Angreifers gekratzt, der in seinem Leben schon so viel härtere Prüfungen bestehen musste. "Ich bin ein Stürmer, ich möchte treffe, ich möchte Verantwortung übernehmen. Wenn ich ausgewählt habe, dann schieße ich, auch wenn ich vorher verschossen habe", sagt er. "Ich könnte sogar 100 Mal verschießen und würde immer noch antreten."

Es ist Haller nicht nur bei der Trikotpräsentation in Las Vegas oder den Testspielen gegen San Diego und Manchester United anzumerken, mit wie viel Freude er bei der Arbeit ist, sondern nahezu jeden Tag. Häufig in seiner Hand dabei: Eine kleine Musikbox, mit der er sich vor und nach den Einheiten in Stimmung bringt. Jetzt eine volle Vorbereitung absolvieren zu können sei "das Beste, worauf ich hoffen konnte", sagt er. "Ich spiele Fußball, seit ich klein bin. Das ist das, was ich am meisten liebe. Ich genieße jeden Moment - und möchte diese Energie an das Team weitergeben."

In Las Vegas profitiert auch das kleine Mädchen mit Lampenfieber davon.

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