Int. Fußball

Der FC Barcelona vor der Saison 2022/23 im kicker-Check

La-Liga-Vorschau, Teil 2

Großer Umbruch, großer Druck: Barça im Check

Stehen Barça um Xavi, Robert Lewandowski und Jules Koundé (v. li.) wirklich goldene Zeiten bevor?

Stehen Barça um Xavi, Robert Lewandowski und Jules Koundé (v. li.) wirklich goldene Zeiten bevor? Getty Images (2), imago images

Sechs Spiele, vier Siege, keine Niederlage: Die Vorbereitung des FC Barcelona lief ohne größere Probleme ab, wenngleich der FCB sich selten mit großen Teams gemessen hat. Auf der US-Tour absolvierte Xavis Team drei Partien gegen amerikanische Klubs, die Katalanen gewannen zudem im Spotify Camp Nou die traditionsreiche Gamper-Trophäe nach einem 6:0 über den mexikanischen Klub UNAM Pumas. Gegen Juventus Turin stand trotz zweier Führungen am Ende ein 2:2 - und doch herrscht Hoffnung.

Wie Barcelona derzeit Geld einnimmt

Denn den prestigeträchtigsten Sieg feierte Barcelona über Erzrivale Real Madrid im Test-Clasico. Dieser wurde gleichzeitig zum ersten Spiel Robert Lewandowskis für einen anderen FCB als den FC Bayern, in dem mit Raphinha ein weiterer Offensiv-Neuzugang traumhaft das Siegtor erzielte. Womit wir bei den vielen Transfers des FC Barcelona in diesem Sommer angelangt wären. Vielversprechende, ja sportlich fast schon ungewohnt logische Geschäfte gingen die Katalanen ein - die finanziell allerdings umso fragwürdiger waren.

Starkes Transferfenster, Schlagabtausch mit Chelsea

Wohl kaum ein Verein internationaler Klasse wechselte seinen Kader so stark aus wie Barça. Der Innenverteidigung gehören nun Jules Koundé (FC Sevilla) und Andreas Christensen (FC Chelsea) an. Vom selben Londoner Klub wurden Koundé und Flügelspieler Raphinha (Leeds United), Berichten zufolge ebenso Ousmane Dembelé und Lewandowski umworben, doch sie alle entschieden sich für den Zweiten der vergangenen La-Liga-Saison. Genauso wie der zentrale Mittelfeldspieler Franck Kessié, der ablösefrei vom italienischen Meister AC Milan verpflichtet wurde. Nur Cesar Azpilicueta tanzte aus der Reihe: Chelseas Kapitän entschied sich für einen Verbleib.

Raphinha (li.) trug sich schon gegen Real Madrid in die Torschützenliste ein.

Raphinha (li.) trug sich schon gegen Real Madrid in die Torschützenliste ein. IMAGO/ZUMA Wire

Barças Neuzugänge verfügen nichtsdestotrotz über eine Menge internationale Klasse und könnten sich zuhauf in die Startelf spielen. Dies nicht mehr tun können derweil Clement Lenglet (vorerst leihweise zu Tottenham gewechselt) sowie der ehemalige Ersatztorhüter Neto (AFC Bournemouth) und die Eigengewächse Oscar Mingueza (Abwehr, Celta Vigo) und Riqui Puig (Mittelfeld, L. A. Galaxy) - die Verantwortlichen trauten ihnen nicht genug zu. Auch Nico steht kurz vor einem Wechsel zum FC Valencia.

Geduld wird mit dieser Mannschaft kaum jemand haben

Wie viel Barça in der kommenden Spielzeit wirklich zuzutrauen ist, ist schwer einzuschätzen, Xavis neu formierte Mannschaft muss sich im Pflichtspielzirkus erst noch zusammenfinden. Die starken Neuzugänge bereiten viel Hoffnung fürs Publikum, gleichwohl aber auch eine Menge Druck für die risikofreudigen Verantwortlichen des FC Barcelona - es müssen nun Erfolge her, damit sich die Transferoffensive auch gelohnt hat.

Vor allem in den nationalen Wettbewerben haben die Katalanen die Chance auf Titel, die Copa del Rey, die bereits in der schwierigen Saison 2020/21 gewonnen wurde, erscheint als ein realistisches Ziel. Aber eben auch als Minimalziel. Angemessener wäre wohl die erste Meisterschaft seit 2019, worauf sich Titelverteidiger Real aber sicher nicht freiwillig einlassen wird. Und die Königlichen, samt punktueller Verstärkungen, werden von Beginn an eingespielt sein.

Abwehrsorgen und Überangebot

Die Vorbereitung sah zwar gut aus, bei den Härtetests, etwa gegen Juve, kassierte die vergangene Saison häufig in der Kritik stehende Defensive jedoch wieder zwei Gegentore aus dem Nichts. Auf der anderen Seite präsentierte sich Dembelé, der seinen Vertrag verlängert hat, im Angriff spielfreudig und in einer starken Verfassung.

Präsentierte sich in der Vorbereitung in einer starken Verfassung: Ousmane Dembelé (re.)

Präsentierte sich in der Vorbereitung in einer starken Verfassung und schenkte Juve zwei Tore ein: Ousmane Dembelé (re.) Getty Images

Die Offensivkräfte sollen es richten. Raphinha hat bereits bewiesen, dass er dazu in der Lage sein kann, von Mittdreißiger Lewandowski darf aufgrund seiner Fitness noch einiges erwartet werden. Was jedoch nicht außen vor gelassen werden darf, ist das knifflige Überangebot im vorderen Bereich. Es stehen ja auch noch die erst in der Vorsaison verpflichteten Ferran Torres und Pierre-Emerick Aubameyang sowie das wieder gesunde Eigengewächs Ansu Fati zur Verfügung. Memphis Depay wird nach einem Jahr in Spaniens Nordosten wohl zu Juventus Turin wechseln.

Wenn also sechs oder sieben Akteure um drei Startplätze streiten (wobei Lewandowski als Star-Neuzugang wohl gesetzt sein wird), ist Unruhe nicht ausgeschlossen. Während es im Kontrast auf den Außenverteidigerpositionen nach den Abgängen von Mingueza und Dani Alves an Alternativen mangelt. Jordi Alba fehlt weiterhin Entlastung auf links - und ob Sergino Dest auf rechts in seiner dritten Saison wirklich durchstarten wird, ist mehr als fraglich. Dem Vernehmen nach soll immerhin bald ein Transfer von Chelseas Linksverteidiger Marcos Alonso erfolgen.

Es darf nicht nur einiges erwartet werden, das muss es auch

Eines steht fest: Wenn Xavi sein Barcelona, das sich im Mittelfeld um Routinier Sergio Busquets, La-Masia-Talent Gavi, Kreativgeist Pedri und Neuzugang Kessié wohl am wenigsten Sorgen machen muss, zu einer Einheit formen und die Neuzugänge gut einbinden kann, ist mit den Katalanen 2022/23 wieder zu rechnen. In der Offensive, deren Angebot auch noch mit ManCitys Bernardo Silva erweitert werden könnte, verfügen sie ebenfalls über eine Menge Power. Und in der Abwehr wurde zumindest das Zentrum verstärkt - inklusive der Vertragsverlängerung mit Ronald Araujo, der auch rechts hinten agieren könnte.

Das alles klingt möglicherweise sogar so gut, dass der FCB jetzt wohl auch jeden erdenklichen Ausgang der Posse rund um Frenkie de Jong abfedern kann. Denn durch die Aktivierung des nächsten "Hebels" und der Veräußerung weiterer Anteile sollten die Katalanen all ihre Neuzugänge nun bei La Liga registrieren und somit auch einsetzen können - selbst wenn de Jong am Ende doch bleibt. Was aber nur noch mal unterstreichen würde, dass dieser spektakuläre Transfersommer geradezu eine vorgezogene Kür war. Jetzt folgt die Pflicht, und die lautet: Erfolg.

Martin Jerez

Die internationalen Top-Transfers des Sommers