Bundesliga

Grammozis-Interview über S04: "Wir haben die Basis geschaffen"

Schalkes Ex-Trainer spricht beim kicker

Grammozis im Interview über S04: "Wir haben die Basis geschaffen"

Dimitrios Grammozis coachte den FC Schalke vom März 2021 bis März 2022. 

Dimitrios Grammozis coachte den FC Schalke vom März 2021 bis März 2022.  imago images/Jan Huebner

kicker: Vor etwas mehr als einem Jahr sind Sie beim FC Schalke 04 beurlaubt worden. Womit haben Sie die Zeit seither verbracht, Herr Grammozis?

Dimitrios Grammozis: Ich hatte endlich einmal ausgiebig Gelegenheit, viel Zeit mit der Familie zu genießen. Ich bin in den vergangenen 25 Jahren als Profi und Trainer sehr eingespannt gewesen, da tut es mir gut, im Kreise meiner Familie mal nicht ans nächste Training oder das nächste Spiel zu denken. Auch meine Freundschaften konnte ich wieder mehr pflegen. Das hat alles sehr gutgetan.

Haben Sie dem Fußball rund ein Jahr lang komplett den Rücken gekehrt?

Nein, überhaupt nicht. Ich war jetzt über einen längeren Zeitraum nicht selbst in der Verantwortung, das heißt aber nicht, dass ich das Thema Fußball gänzlich ausgeblendet habe. Dieser Sport ist meine große Leidenschaft. Ich habe mit viel Interesse verfolgt, was alles so passiert ist - nicht nur in der Bundesliga, sondern auch in der 2. Liga und natürlich auch im Ausland. Ich war immer auf dem aktuellen Stand und habe detailliert beobachtet, wie andere Trainer und Mannschaften so arbeiten und versucht, alles auch mal aus anderen Blickwinkeln zu betrachten.

Grammozis: "Habe mich mit vielen verschiedenen Trainern getroffen, um mich auszutauschen"

Viele freigestellte Trainer hospitieren bei anderen Klubs. Hatten Sie diese Bestrebungen auch?

Ich wollte mich nicht auf einen Verein fokussieren, sondern habe mich mit vielen verschiedenen Trainern getroffen, um mich auszutauschen. Es ging um Themen wie Mannschaftsführung oder Hierarchien innerhalb des Teams.

Ende Februar ist Ihr Vertrag mit dem FC Schalke 04 aufgelöst worden. Wer kam auf wen zu?

Im Endeffekt war es von beiderseitigem Interesse geprägt, das Kapitel abzuschließen. Für mich hat es den Vorteil, dass ich wieder völlig frei und offen für Neues sein kann und mich bei einer Anfrage nicht erst mit einem bestehenden Vertragspartner einigen müsste.

Bahnte sich denn speziell in der Phase der Vertragsauflösung etwas an, weshalb Sie diesen Schritt möglicherweise forcierten? In den Zeitraum fiel zum Beispiel die Trainersuche bei Arminia Bielefeld…

Die Vertragsauflösung hatte damit nichts zu tun. Es ging mir grundsätzlich darum, dass ich jetzt einfach flexibler und freier bin, wenn eine Anfrage kommt. Die Monate März und April sind ja häufig die Monate, in denen im Profifußball Trainer gewechselt werden und schnelle Lösungen gefragt sind. Das heißt nicht, dass ich jetzt auf heißen Kohlen sitze. Natürlich würde ich gerne wieder eine Mannschaft übernehmen, aber es kann auch Vorteile haben, im Sommer bei einem Verein einzusteigen.

Kontakte gab es zu Vereinen immer wieder mal, im In- und Ausland.

Dimitrios Grammozis

Sie wurden öffentlich als Trainerkandidat in Bielefeld und zuletzt auch bei Hansa Rostock genannt, ansonsten fiel Ihr Name in den vergangenen Monaten im Zuge einer Trainersuche nie. Hatte Sie bis zur Vertragsauflösung bei Schalke wirklich kein Verein auf dem Schirm?

Nur, weil mein Name öffentlich nicht gefallen ist, bedeutet das ja nicht, dass es keine Anfragen gab. Kontakte gab es zu Vereinen immer wieder mal, im In- und Ausland. Aber es war kein Paket dabei, das letztlich zu einer Zusammenarbeit geführt hat.

Wie muss dieses Paket für Sie aussehen?

Wichtig ist zu spüren, dass alle Lust auf diese Zusammenarbeit haben, aber auch, dass man klar einen Weg hinter der Idee erkennt.

Grammozis: "Die Möglichkeit, mal als Trainer in die USA zu gehen, hatte ich schon mal"

Ist ein Engagement im Ausland denkbar?

Auf jeden Fall wäre auch das sicher eine schöne Erfahrung. Die Möglichkeit, mal als Trainer in die USA zu gehen, hatte ich schon mal.

Wann?

Zwischen meiner Zeit bei Darmstadt und Schalke.

Warum hat es nicht geklappt mit der MLS?

Der Gedanke war reizvoll und ist es immer noch, aber ich habe mich damals letztendlich aus familiären Gründen gegen diesen Schritt entschieden. Die Distanz wäre doch zu groß gewesen.

Ich gönne Darmstadt den Aufstieg sehr und wünsche mir für Schalke, dass der Verein den Kampf um den Klassenerhalt erfolgreich zu Ende führt.

Dimitrios Grammozis

Blicken wir auf Ihre beiden Ex-Vereine: Spielen Darmstadt 98 und Schalke 04 in der nächsten Saison in derselben Liga?

Ja.

In welcher?

In der 1. Liga. Ich gönne Darmstadt den Aufstieg sehr und wünsche mir für Schalke, dass der Verein den Kampf um den Klassenerhalt erfolgreich zu Ende führt. Ich finde, dass die Mannschaft jetzt konkurrenzfähig ist, das Gefühl hatte man in der Hinrunde nicht immer. Ich denke, dass Schalke gute Chancen hat, die Klasse zu halten, zumal die Fans ein großer Trumpf sind.

Waren Sie seinerzeit sehr enttäuscht über Ihre Freistellung?

Natürlich ist das keine schöne Erfahrung, sie gehört aber manchmal zu diesem Geschäft dazu. Ich habe die Entscheidung nie persönlich genommen, wir können uns alle nach wie vor in die Augen schauen.

War es mehr als ein Trostpflaster, dass sich Ihr Vertrag mit dem Aufstieg automatisch um ein Jahr verlängert hatte und Ihr Gehalt in den siebenstelligen Bereich vorstieß, obwohl Sie zu dem Zeitpunkt schon seit mehr als zwei Monaten kein Trainer mehr waren?

(lacht) Über Vertragsdetails spreche ich nicht, aber natürlich hätte die Situation für mich schlechter sein können.

"Der FC Schalke gehört in die 1. Liga": Grammozis gönnte S04 den Wiederaufstieg

Wie haben Sie damals auf den Zweitliga-Schlussspurt der Schalker geblickt?

Mit viel Spannung. Und ich war sehr froh, dass der Verein die direkte Rückkehr in die Bundesliga geschafft hat, denn der FC Schalke gehört in die 1. Liga, da kann es keine zwei Meinungen geben.

Wo und mit welchen Gefühlen haben Sie das Saisonfinale mitverfolgt, als Schalke mit dem 2:1 in Nürnberg die Zweitliga-Meisterschaft perfekt gemacht hat?

Zu dem Zeitpunkt war ich in Griechenland. Und natürlich habe ich ein bisschen Wehmut verspürt, weil ich gerne mit dabei gewesen wäre, aber es überwog ganz klar die Freude darüber, dass die Saison noch mit diesem positiven Höhepunkt zu Ende gegangen ist.

Wie viel Dimitrios Grammozis steckte im Aufstieg?

Das müssen andere beurteilen. Ich weiß nur, dass ich immer mein Bestes gegeben und dem großen Ziel Bundesliga-Rückkehr alles untergeordnet habe.

Sie hatten die Mannschaft maßgeblich mit zusammengestellt…

Das stimmt. Ich denke, dass wir es mit vereinten Kräften gut hinbekommen haben, den Verein nach dem Abstieg recht schnell zu stabilisieren. Wir haben die Basis geschaffen für all das, was dann folgte. Der Wiederaufstieg war keine Selbstverständlichkeit, es hätte auch in die andere Richtung gehen können. Es gibt ein paar Beispiele von Klubs, bei denen das so gelaufen ist. Und wenn ich sehe, welche Entwicklung der eine oder andere Spieler genommen hat, macht mich das schon ein Stück weit stolz.

An wen denken Sie dabei besonders?

Wir haben einige junge Spieler gefördert, von denen mehrere im Profigeschäft angekommen sind. Mehmet Aydin und Florian Flick zum Beispiel. Ganz zu schweigen von Henning Matriciani, der jetzt auf dem besten Weg ist, mit seiner beherzten Art zum Schalker Publikumsliebling zu werden. Ich freue mich sehr für ihn, dass er nun mit einer Einladung zur U21-Nationalmannschaft belohnt worden ist.

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