Bundesliga

Eintracht: Glasners dünnhäutige Reaktion ist problematisch

Frankfurt: Kommentierende Analyse nach dem 0:2 in Berlin

Glasners dünnhäutige Reaktion ist problematisch

Holte nach der Niederlage gegen Union Berlin zum Rundumschlag aus: SGE-Coach Oliver Glasner.

Holte nach der Niederlage gegen Union Berlin zum Rundumschlag aus: SGE-Coach Oliver Glasner. Getty Images

Menschlich ist Glasners dünnhäutige Reaktion nach der Niederlage an der Alten Försterei nur allzu verständlich. Der ehrgeizige Trainer war tief gefrustet darüber, dass sich seine Mannschaft wie so oft in den vergangenen Wochen auf stümperhafte Art und Weise Gegentore einfing. Beim 0:1 verteidigte seine Elf mal wieder einen Eckball schlecht: Erst verlor Hrvoje Smolcic ein Kopfballduell, dann versäumte es Evan Ndicka, den Ball zu klären. Auch Tuta sah schlecht aus, da er sich plötzlich auf die Torlinie bewegte und damit den Raum für den Torschützen Rani Khedira öffnete.

Es ist in der Liga bereits das 16. Gegentor nach einer Standardsituation, das achte (!) nach einem Eckball. Geradezu grotesk war die Entstehung des 0:2, Glasner sprach von "unterirdisch". Nach einem Abschlag des nicht attackierten Frederik Rönnow verlor zunächst Tuta ein Kopfballduell, anschließend trat Smolcic am Ball vorbei, und schließlich bekam Kevin Trapp den Ball auch noch aus spitzem Winkel durch die Beine geschossen. Slapstick pur. Welcher Trainer wäre da nicht restlos bedient?

Trotzdem ist Glasners Reaktion problematisch. "Alles, was ich heute sage, kann und wird gegen mich verwendet werden", sagte er auf der Pressekonferenz. An wen er das adressierte, ließ er offen. Die Leistung seiner Elf wollte er jedenfalls lieber nicht analysieren. Seine Abwehr legte er bei "DAZN" allerdings in Schutt und Asche: "Das ist eine Frage der Qualität. Ich weiß nicht, wie man Qualität trainieren kann." Man muss keinen Doktortitel in Psychologie besitzen, um zu ahnen, dass diese pauschale Kritik bei den betreffenden Spielern nicht gut ankommt. Das ohnehin schon angeknackste Selbstvertrauen wird durch diese Äußerung mutmaßlich weiter geschwächt.

Zudem prangert Glasner damit indirekt die Einkaufspolitik von Sportvorstand Markus Krösche an. Martin Hinteregger wurde nach seinem Karriereende im vergangenen Sommer nicht ersetzt, dem im Januar schon wieder abgegebenen Jerome Onguené fehlt die Qualität für die Bundesliga, der noch entwicklungsfähige Smolcic gibt bislang ebenfalls keine gute Figur ab. Das kann den Trainer nicht zufriedenstellen. Ob es hilfreich ist, dieses Fass öffentlich aufzumachen, steht auf einem anderen Blatt.

"Passiert einem Trainer": Krösche spielt das Thema runter

Zumal zur Wahrheit gehört: Mit genau diesen Verteidigern stand Frankfurt zur Winterpause noch auf Platz 4 - trotz zahlreicher englischer Wochen. Krösche erklärte am Montag gegenüber dem kicker gelassen: "Oliver hat nach dem Spiel emotional reagiert. Das passiert mal bei einem Trainer, denn einige Fehler wiederholen sich. Und wir waren über weite Strecken das bessere Team. Wenn man die unnötigen Punktverluste in dieser Saison zusammennimmt, ist das schon ärgerlich. Wir haben uns heute ausgetauscht und die gleiche Sicht auf die Dinge!"

Ein Wort der Selbstkritik kam Glasner nicht über die Lippen. Dabei trägt nicht zuletzt er die Verantwortung dafür, dass seit der Winterpause kaum ein Spieler sein volles Potenzial ausschöpft. Bei aufkommender Kritik verwies er gerne auf die Erfolge im vergangenen Jahr, Ende Januar sagte er beispielsweise: "Diese Mannschaft hat jetzt das erste Mal in der Champions League gespielt und ist ins Achtelfinale eingezogen. Aber gefühlt ist es immer noch ein bisschen zu wenig. Das ärgert mich, weil man den Leistungen der Spieler nicht gerecht wird." Dabei war objektive Kritik schon damals angebracht. Glasner ist es nicht gelungen, den Abwärtstrend zu stoppen. In der Rückrunden-Tabelle ist Frankfurt inzwischen auf Platz 11 abgestürzt, selbst Schalke und Augsburg holten mehr Punkte. Statt von der Champions League zu träumen, muss die Eintracht auf der Hut sein, dass sie nicht komplett die internationalen Plätze verspielt.

Ablösefreien Profis fehlt es an Konstanz - Kolo Muani würde ein weiteres SGE-Jahr gut tun

Hinterfragen müssen sich auch die Profis. Zu oft fehlt es an Galligkeit, an Gier, generell an Konstanz. Man kann durchaus die Frage aufwerfen, ob die im Sommer ablösefreien Ndicka und Daichi Kamada gut beraten wären, zu größeren Klubs zu wechseln. Finden sie nicht zu mehr Konstanz, werden sie wahrscheinlich scheitern. Auch Djibril Sow, der von der Premier League träumt, stagniert in seiner Entwicklung und ist viel zu oft nur ein Mitläufer. Bäume wird er in der stärksten Liga der Welt eher nicht ausreißen, sollte es seinem Berater gelingen, ihn dort unterzubringen.

Der einzige Spieler, dem es zuzutrauen ist, sich bei einem europäischen Top-Klub auf Anhieb zu behaupten, heißt Randal Kolo Muani. Doch selbst dem französischen Überflieger würde ein weiteres Jahr am Main in seiner Entwicklung guttun, sofern Frankfurt auch kommende Saison international spielt. Wolfsburg, Leverkusen und Mainz sitzen den Hessen allerdings im Nacken. Die Eintracht muss schnell die Kurve bekommen, das Verpassen der internationalen Wettbewerbe würde den Klub zurückwerfen. Schon die Conference League wäre eine Enttäuschung.

Glasners Zukunft ist offen - Frankfurt die ideale Kragenweite?

Nach nur einem Sieg aus den vergangenen acht Pflichtspielen stehen in Frankfurt nun unruhige Tage bevor. Denn nicht nur sportlich brodelt es. Ob Vorstandssprecher Axel Hellmann tatsächlich an Bord bleibt oder zur DFL wechselt, ist auch nach einer ersten Aussprache mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Philip Holzer offen. Fraglich ist zudem, ob Glasner das Angebot annimmt, seinen bis 2024 datierten Vertrag vorzeitig zu verlängern. Das ist sicherlich nicht ausgeschlossen, möglich erscheint aber auch ein Abschied schon in diesem Sommer.

Sein dünnhäutiger Auftritt nach dem Spiel in Berlin weckt allerdings Zweifel, ob der Coach der Aufgabe bei einem richtig großen Klub gewachsen wäre. Mit internationalen Stars kann er so nicht umspringen. Vielleicht ist die Eintracht genau die richtige Kragenweite für den 48-Jährigen. Trotz der jüngsten Misere ist der volksnahe Österreicher in Frankfurt beliebt und anerkannt, mit dem Gewinn der Europa League setzte er sich ein Denkmal. Nun muss er zeigen, dass er diese Krise meistern kann, damit die SGE auch in der kommenden Spielzeit international vertreten ist. Krösche betont: "Jetzt heißt es, nach der Pause den Schalter umzulegen. Wir haben weiterhin die Möglichkeit, unsere Ziele in der Liga und im Pokal zu erreichen und eine sehr gute Saison zu spielen." Korrekt.

Zwei Bayern-Bezwinger und drei Dortmunder in der kicker-Elf des 25. Spieltags