Bundesliga

"Für den ein oder anderen Spieler ist ein Wechsel sinnvoll"

Darmstadt-Coach Lieberknecht im Interview

"Für den ein oder anderen Spieler ist ein Wechsel sinnvoll"

Legt einigen Spielern einen Wechsel nahe: Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht.

Legt einigen Spielern einen Wechsel nahe: Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht. IMAGO/Avanti

Herr Lieberknecht, mit dem SV Darmstadt 98 haben Sie zwei unterschiedliche Halbjahre erlebt: erst Aufstiegsjubel, dann Abstiegskampf. Können Sie ein Gesamtjahresfazit ziehen?

Mir fällt so ein Fazit immer etwas schwer. Wir hatten eigentlich das ganze Jahr Höhen und Tiefen. Aber ich denke, dass wir Dankbarkeit zeigen sollten, dass wir den Aufstieg geschafft haben, weil der alles andere als selbstverständlich war. Da steckte viel Arbeit drin. Mein grundlegendes Fazit lautet, dass wir den SV 98 und die Stadt Darmstadt im Jahr 2023 sehr gut repräsentiert haben.

In der Zweitliga-Saison hatte die Mannschaft lange Zeit sehr souverän gespielt, auch Rückschläge gut verkraftet. Aber als der Aufstieg zum Greifen nah war, schien sie immer mehr zu verkrampfen?

Der erste Moment, in dem die Mannschaft gemerkt hat, dass sie etwas verlieren kann, war das Spiel gegen Hannover. Da habe ich auch wirklich Nervosität auf dem Platz gespürt. Natürlich war da auch die Saison 2021/22 im Hinterkopf, als wir in Düsseldorf den Aufstieg fast hätten klarmachen können und dann verloren haben. Nach Hannover haben wir dieses Jahr die volle Energie auf das Magdeburg-Spiel gelegt. Und die Mannschaft hat gezeigt, dass sie das mental aushalten kann.

In der Bundesliga ist die Mannschaft nun nach 16 Spielen Schlusslicht. Wie sieht die Bilanz des Trainers aus?

Wir hatten einen schwierigen Start. Nach einer unrunden Vorbereitung mit vielen Verletzungen kam das schlechte Pokal-Spiel in Homburg. Aber dann gab es eben das erste Spiel in Frankfurt, in dem wir gezeigt haben, was machbar ist. Ich finde, wir haben uns schnell angepasst auf das neue Niveau. Wenn du ständig mit vier oder fünf Toren Unterschied verlieren würdest, glaubst du wahrscheinlich irgendwann, dass du keine Chance hast. Aber wir waren immer in einer gewissen Reichweite. Wir haben eine reelle Chance.

Was muss passieren, damit der SV Darmstadt 98 die Klasse hält?

Wir müssen widerstandsfähig und leidensfähig sein. Und wir müssen den festen Glauben an das große Ziel Klassenerhalt haben, das weiter in Reichweite ist. Diese Zuversicht muss in die Köpfe aller in Verein und Umfeld: der unerschütterliche Glaube, dass das machbar ist.

Sie hatten zuletzt angedeutet, dass es Gespräche mit potenziellen Neuzugängen gibt. Täuscht der Eindruck, dass der Mannschaft vor allem ein Spieler guttäte, der vorne hoch angespielt werden und die Bälle festmachen kann?

Ja, dieses Profil geht definitiv in die richtige Richtung - auch aufgrund der Tatsache, dass Fraser Hornby langfristig ausfällt, mit Aaron Seydel wegen seiner Verletzungen leider schwer planbar ist und der Luftraum auch nicht unbedingt das Spezialgebiet von Luca Pfeiffer ist.

Sie haben mehrfach gesagt, dass es eine große Herausforderung ist, einen so großen Kader zu moderieren. Wird es Abgänge geben?

Meine Empfehlung ist es, den Kader zu verkleinern und den Fokus auf einen noch engeren Kern zu richten. Wobei bis auf unseren Ersatzkeeper Morten Behrens bislang jeder Spieler seinen Einsatz bekommen hat. Aber für den einen oder anderen Spieler ist ein Wechsel sinnvoll, wenn er merkt, dass er zu wenig Spielzeit bekommt. Ich nenne da keine Namen, das müssten die Betroffenen selbst spüren.

Der Abstieg ist eine realistische Option. Haben Sie keine Sorge, dass die Stimmung irgendwann mal kippen könnte? Gegen die Mannschaft? Gegen Sie?

Das hoffe ich nicht, denn bislang habe ich das Darmstädter Umfeld überhaupt nicht so wahrgenommen, sondern schätze es sehr für den Realismus. Ich kann nur mein Bestes geben, meinen Job so gut und authentisch wie möglich machen und die Mannschaft immer wieder aufrichten. Das tue ich, seit ich hier bin. Ich identifiziere mich komplett mit dem Klub, habe mich ihm so verschrieben wie nur einem anderen Verein in meinem Leben. Alles andere kann ich nicht beeinflussen.

Aber die Mechanismen des Marktes könnten dann doch auch in Darmstadt greifen?

Ob die Mechanismen des Marktes irgendwann doch greifen, liegt bis zu einem gewissen Punkt nicht in meiner Macht - außer dass ich eben immer mein Bestes gebe.

Gäbe es irgendeinen Zeitpunkt, an dem Sie selber sagen würdest, dass es keinen Sinn mehr hat?

Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass ich nicht einmal darüber nachgedacht habe, darüber nachzudenken (lacht). Alles kommt, wie es kommt. Das war schon immer mein Credo.

Stephan Köhnlein

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