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Die 2. Liga 2023/24: Und es hat Boom gemacht

Geballte Tradition im Unterhaus

Die 2. Liga 2023/24: Und es hat Boom gemacht

HSV, Hertha, Schalke und viele mehr - geballte Tradition in der 2. Liga.

HSV, Hertha, Schalke und viele mehr - geballte Tradition in der 2. Liga. imago images

Unübersehbar standen die Menschen im Schein der Abendsonne auf dem Bahnhofsvorplatz und auf allen angrenzenden Straßen. Es wurden an die 250.000 Menschen geschätzt. Nur mühsam konnte sich der Zug vom Banhofsvorplatz aus formieren, mit berittener Polizei und der Schalker Jugend in Kluft sowie einer Kapelle in Bergmannstracht an der Spitze. Die Autos mussten förmlich durch die Menschenmauern geschoben werden. Zentnerweise regnete es blau-weißes Konfetti aus den Fenstern. Immer wieder scholl es im Chor: "Bravo Schalke, bravo Berni Klodt."

Mit diesen Sätzen und der Zeile "Wie Weltmeister empfangen ..." umrahmte der kicker die triumphale Heimkehr von Schalke 04 am Tag nach dem Gewinn der siebten - und bislang letzten - Deutschen Meisterschaft. Weltmeister Klodt mit zwei Treffern und Manfred Kreuz hatten Königsblau am 18. Mai 1958 in Hannover vor rund 80.000 Zuschauern zum 3:0-Sieg gegen den Hamburger SV um den 21 Jahre jungen Uwe Seeler geschossen.

Rund um die 2. Liga

65 Jahre später bestreiten der sechsmalige Deutsche Meister HSV und Schalke 04 an diesem Freitag (20.30 Uhr, LIVE! bei kicker) das Saison-Eröffnungsspiel der 2. Liga mit dem Ziel, am 19. Mai 2024 den Aufstieg in die Bundesliga bejubeln zu dürfen. Nun könnte man meinen, die Euphorie des Schalker Anhangs sei nach dem jüngsten Abstieg abgeebbt. Doch weit gefehlt. Zwei Stunden nach dem Verkaufsstart waren alle 50.000 Tickets im Heimbereich der Arena für die ersten acht Hinrundenspiele 2023/24 vergriffen. Schalke 04, mit rund 170.000 Mitgliedern einer der größten Klubs der Welt, ist auch als Zweitligist beliebt wie eh und je.

Acht Zweitligisten spielten schon in Europas Königsklasse

Wie exquisit die 1974 aus der Taufe gehobene 2. Liga (bis 1981 zweigeteilt, Gruppen Nord und Süd) in ihrer 50. Saison besetzt ist, zeigen diese Zahlen: 13 frühere Bundesligaklubs gehen an den Start; zu den neun Klubs, die seit 1903 die Deutsche Meisterschaft (DFB) am häufigsten gewannen, gehören vier Zweitligisten (1. FC Nürnberg, Schalke, HSV, 1. FC Kaiserslautern); acht Teams spielten bereits im Europapokal der Landesmeister oder der Champions League (Hertha BSC, Hansa Rostock, HSV, Schalke, Eintracht Braunschweig, Nürnberg, 1. FC Magdeburg, Kaiserslautern).

Der 2022/23 aufgestellte Zuschauerrekord dürfte fallen

So attraktiv und populär war diese Liga früher keineswegs, vielmehr stand sie über ein Vierteljahrhundert lang ganz tief im Schatten der im August in ihre 61. Saison gehenden Bundesliga. Im Schnitt kamen zwischen 4000 und 8000 Zuschauer zu den Spielen der 2. Liga; erstmals lag die durchschnittliche Besucherzahl mit 10.804 in der Saison 1999/2000 im fünfstelligen Bereich.

Auftakt in der 2. Bundesliga

Wirtschaftlich überleben konnten viele Zweitligaklubs nur über die Subventionen der Bundesliga aus den für beide Ligen gemeinsam geschlossenen Fernsehverträgen über eine Beteiligung in Höhe von etwa 20 Prozent an den Erträgen. Und es dauerte über 15 Jahre, bevor der Zuschauerzuspruch die Schallmauer von 20.000 durchbrach (Saison 2016/17, Schnitt: 21.560). Den Allzeitrekord stellte die 2. Liga in der vergangenen Saison auf: 22.154 sahen im Schnitt die 306 Spiele, es wurden 6.779.038 Tickets abgesetzt. Diese Rekordmarke dürfte nun fallen.

Schalke thront oben: So viele Dauerkarten verkauften die Zweitligisten

Von den 13 größten Arenen stehen sieben in Zweitliga-Städten

Dafür sprechen folgende Zahlen: Die Kapazität der 18 Zweitligastadien beträgt insgesamt 631.098 Plätze. Damit liegt man fast auf Augenhöhe mit der Bundesliga (Gesamtkapazität: 732.772 Plätze). Durch den Abstieg von Hertha und Schalke und unter Berücksichtigung der Auf- und Absteiger an der Schnittstelle zur 3. Liga hat sich die Gesamtkapazität der Zweitliga-Stadien um 92.711 Plätze erhöht. Von den 13 größten Stadien des deutschen Profifußballs stehen sieben in Zweitliga-Städten.

Im Zuschauerranking liegt die 2. Liga europaweit auf Platz 6

Ebenso bemerkenswert ist das Zuschaueraufkommen im internationalen Vergleich, hier liegt die 2. Liga auf dem 6. Platz aller Profiligen in Europa und somit fast auf Augenhöhe mit der französischen Ligue 1. Weltweit nimmt die 2. Liga im Zuschauerranking aller Sport-Profiligen Platz 14 ein - und dürfte weiter klettern, kommen doch Schalke dazu mit der zehntgrößten Arena der europäischen Profiligen sowie der HSV (Volksparkstadion auf Platz 18).

Arena auf Schalke

Wieder Zweitliga-Standort - und eines der größten Stadien in der 2. Liga: die Arena auf Schalke. IMAGO/Kirchner-Media

Schalke, Hertha, HSV - bei den TV-Quoten in den Top 10

Auch das Fernsehen wird die hohe Attraktivität positiv zu spüren bekommen, bei den Einschaltquoten der Liveübertragungen rangieren Schalke, der HSV und Hertha seit Jahren unter den Top 10 des deutschen Fußballs. "Ich bin voller Begeisterung dabei und schaue genauso hin wie bei den Bundesligaspielen", sagt Friedhelm Funkel, Rekordaufstiegstrainer der 2. Liga im kicker-Einwurf.

Bei eigener Vermarktung der 2. Liga drohen fatale Folgen

Kurzum: Die 2. Liga steht schon lange nicht mehr so tief im Schatten der Bundesliga wie bis vor gut einem Jahrzehnt. Drohgebärden aus der Bundesliga nach dem Scheitern eines Investorendeals in diesem Frühjahr, vornehmlich wegen der ablehnenden Haltung zahlreicher Zweitligavereine, sind da wenig hilfreich.

Eine Abspaltung von der 2. Liga, die sich dann bitte selbst vermarkten solle, könnte fatale Auswirkungen auf das ohnehin gesunkene internationale Ansehen des deutschen Fußballs haben. Die Solidarität gerade beim Thema Vermarktung zeichnet den deutschen Profifußball seit Jahrzehnten aus. Unbestritten hätte die 2. Liga bei einer eigenen Vermarktung bei Abschluss der bisherigen Medienverträge eine geringere Summe erlöst als jene etwa 250 Millionen Euro, die sie in der Saison 2022/23 von den Gesamterlösen der DFL in Höhe von etwa 1,28 Milliarden Euro erhalten hat.

In der Premier League gibt es einen Fallschirm für Absteiger

Beim Umsatz ohne Transfererlöse bewegen sich die Zweitligisten in Deutschland und in England etwa auf Augenhöhe - im Gegensatz zu den gewaltigen Unterschieden zwischen Premier League und Bundesliga. Die britische Championship vermarktet sich selbst (gemeinsam mit 3. und 4. Liga).

Solidarität praktiziert aber auch die Premier League. Sie reduziert die wirtschaftlichen Risiken für ihre Absteiger. Diese erhalten pro Saison über 200 Millionen Euro aus einem "Fallschirm" in gestaffelter Höhe bis zu drei Jahren von den Vermarktungserlösen der Premier League. Das sorgt für eine mächtige Spreizung innerhalb der Championship, in der die Premier-League-Absteiger über diese Solidaritätsleistung auf den mehr als dreifachen Umsatz kommen als alle anderen Klubs.

Eine attraktive 2. Liga startet an diesem Freitag, Spannung wird mit Blick auf den nächsten TV-Vertrag nicht nur in den Stadien garantiert sein.

Rainer Franzke

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