Ein paar Stellschrauben, hatte Jonas Boldt gehofft, würden genügen, um diesen für Zweitligaverhältnisse gut und vor allem kostspielig zusammengestellten Kader wieder aufstiegsreif zu machen. Der Sportvorstand muss sich ankreiden lassen, dass er allein in dieser Spielzeit darauf gleich zwei Mal gesetzt hat: Vor Weihnachten, als die Zweifel an Tim Walters Spielstil bereits groß waren, und auch nach Walters Aus, als er zunächst darauf gehofft hatte, mit dessen vorherigen Assistenten Merlin Polzin und leichten Anpassungen den Turnaround bewerkstelligen zu können.
Die Erkenntnis, dass die auch von Boldt diagnostizierte Verunsicherung doch größer als angenommen ist, wirft Fragen auf: Zum Beispiel die, ob er seinen Kader etwa doch überschätzt hat? Ziemlich deutlich sichtbar wird zumindest, dass er bei aller vorhandenen offensiven Wucht im Verbund mit seinem Sportdirektor Claus Costa seit der Dopingsperre für Mario Vuskovic eineinhalb Jahre und drei Transferperioden daran gescheitert ist, einen adäquaten Innenverteidiger-Ersatz zu verpflichten. Das hat ihm im Aufsichtsrat neben dem langen Zögern in der Trainerfrage zusätzlichen Kredit gekostet.
Baumgart: Drei schwierige Aufgaben auf einmal
Mit dem Problem, dass mit Ausnahme des nun zurückkehrenden Kapitäns Sebastian Schonlau kein überdurchschnittlicher zentraler Abwehrspieler im Kader ist, muss auch Baumgart leben. Der gebürtige Rostocker aber hat in seiner bisherigen Trainerlaufbahn gezeigt, dass er auch aus weniger Möglichkeiten, als er in Hamburg trotz der Verteidiger-Not vorfindet, viel machen kann. Er hat den SC Paderborn als Außenseiter in die Bundesliga geführt, und er hat in Köln nachgewiesen, dass er nicht nur in einem beschaulichen Umfeld wirken kann, sondern auch in großen Klubs mit großer medialer Aufmerksamkeit.
Hamburg wird dennoch Baumgarts bisher größte Aufgabe. Weil es beides bisher Geleistete zu vereinen gilt: Er muss aufsteigen und die Wucht des HSV bewältigen. Ganz nebenbei muss der Trainer auch noch seinen neuen Boss retten. Für Boldt ist Baumgart die letzte Patrone im fünften Anlauf Richtung Bundesliga. Die Fragen aus dem Aufsichtsrat, weshalb er diese erst so spät ergriffen und warum er das Innenverteidiger-Problem nicht gelöst bekommen hat, werden nur bei einem Aufstieg verstummen.