Bundesliga

Warum Demirbay bei Bayer Leverkusen nie glücklich wurde

Rekordeinkauf verlässt Leverkusen

Das Ende eines Missverständnisses: Warum Demirbay bei Bayer nie glücklich wurde

Er wurde in Leverkusen nie glücklich: Kerem Demirbay.

Er wurde in Leverkusen nie glücklich: Kerem Demirbay. imago images

Sein Abschied war ein ganz leiser. Im Trainingslager im österreichischen Saalfelden war Kerem Demirbay rein sportlich betrachtet nur noch eine Randfigur. Wegen einer Blessur am Sprunggelenk nahm der Mittelfeldspieler nicht am Mannschaftstraining teil. Allerdings ackerte der 30-Jährige im Fitnessbereich des Teamhotels so intensiv, dass selbst interne Beobachter vermuteten, dass Demirbay nicht wegen einer Blessur pausierte, sondern weil sein Wechsel zu Galatasaray Istanbul nicht mehr gefährdet werden sollte.

Dieser ist seit Donnerstag perfekt. Leverkusen und sein Rekordeinkauf beendeten das Missverständnis - für einen Bruchteil der einst gezahlten 32 Millionen Euro Ablöse. Der an der Börse notierte türkische Spitzenklub zahlt für Demirbay, dessen Vertrag in Leverkusen noch bis 2024 lief, eine fixe Ablöse von knapp vier Millionen Euro. Durch Boni kann das Gesamtpaket auf etwas über sechs Millionen Euro anwachsen.

Der Transfer beendet ein großes Missverständnis. Stellte der Stratege doch im Bayer-Trikot nie dauerhaft seine spielerische Klasse so unter Beweis, wie er es zuvor bei 1899 Hoffenheim so eindrucksvoll getan hatte. Im Rückblick auf seine vier Jahre in Leverkusen ist aus einem der kreativsten Bundesliga-Profis, der in seiner Hochzeit in der deutschen Nationalmannschaft debütierte (zwei Einsätze, ein Treffer) und 2017 mit dem DFB-Team den Confed Cup gewann, einer geworden, der sein immenses spielerisches Potenzial nur häppchenweise andeutete.

Ende September 2022: "Gewinner in der Krise"

So auch in der vergangenen Saison, als er vom 5. bis zum 7. Spieltag jeweils einmal traf - die beste Torserie, die der inzwischen 30-Jährige im Bayer-Trikot hinlegte. "Gewinner in der Krise" nannte der kicker ihn Ende September 2022. Der damalige Trainer Gerardo Seoane lobte ihn dafür, dass er Führung und Verantwortung übernommen habe.

Doch irgendwie bezeichnend für Demirbays Zeit bei Bayer: Trotz seiner drei Treffer wurde er - zum Teil nach guten Leistungen - in all diesen drei Partien ausgewechselt. Als nach der Entlassung von Seoane Anfang Oktober Xabi Alonso neuer Werkself-Trainer wurde, verlor der Standardspezialist, der in Leverkusen nie dauerhaft unumstritten war, immer mehr an Status. So stand Demirbay 2023 nur in zehn von 27 Leverkusener Pflichtspielen in der Anfangsformation, wurde sechsmal eingewechselt.

Auch in die Spielzeit 2021/22 startete Demirbay vielversprechend: Nach sieben Ligaspielen wies er einen Notenschnitt von 2,57 auf. Am Saisonende lag dieser bei 3,42. Eine Saison zuvor war dieser sogar auf seinem historischen Tiefstwert von 3,81 angelangt. Ganze vier Ligaspiele hatte sich der Linksfuß eine bessere Note als 3,5 verdient - viel zu wenig aus Sicht des Klubs.

Dieser hatte Demirbay einst als Unterschiedsspieler und perspektivischen Nachfolger für damalige Leistungsträger wie Julian Brandt (wechselte 2019 zum BVB), Kai Havertz (ging 2020 zum FC Chelsea) und Charles Aranguiz (kehrte 2023 zu Internacional Porto Alegre zurück) geholt. Doch so unterschiedlich diese drei Spielertypen waren, so erfolglos lief auch die Suche nach Demirbays fester Rolle in der Werkself.

"Freischaffender Künstler" durfte er nie dauerhaft sein

Als Zehner wirkte der herausragende Passspieler in seiner Fähigkeit, das Spiel zu lenken, oft zu weit vorne positioniert. Auf der Doppelsechs kamen zum einen seine Defensivschwächen zu sehr zum Tragen, zum anderen wurde diese Position von anderen Profis wie Aranguiz oder später Robert Andrich dominiert.

Wohl entscheidend aber: Die Rolle des "freischaffenden Künstlers" als Achter, die er bei 1899 Hoffenheim innehatte, fiel ihm nie dauerhaft zu. Was auch daran lag, dass im Bayer-Spiel erst mit Havertz und später mit Florian Wirtz zwei junge Senkrechtstarter und absolute Ausnahmekönner zum Dreh- und Angelpunkt wurden - der Part, der eigentlich Demirbay zugedacht war.

Social-Media-Star und Wunderkind: Das ist Leipzig-Neuzugang Xavi Simons

alle Videos in der Übersicht

Doch schon seine Debüt-Saison in Leverkusen war schleppend verlaufen. Zwar gelang ihm am 2. Spieltag beim 3:1 in Düsseldorf sein erster Assist, doch auf sein erstes Bundesligator für den Werksklub musste er bis zum 26. Spieltag warten: Am 18. Mai im aufgrund der Pandemie leeren Weserstadion lieferte er sein bestes Saisonspiel ab. Mit einem Treffer und einer Torvorlage in der Partie, in der Wirtz als rechter Flügelspieler sein Profi-Debüt gab und Havertz für den verletzten Kevin Volland als Mittelstürmer statt als Zehner auflief …

Das Image Demirbays, der medial meist sehr, sogar zu selbstbewusst wirkte, war teamintern ein deutlich besseres. So lobte ihn Torhüter Lukas Hradecky via "Bild" als Teamplayer und Führungsfigur: "Kerem hat unsere Mannschaft immer zusammengehalten", urteilte der Werkself-Kapitän zum Abschied, "er ist ein Musterprofi."

Jetzt versucht Demirbay, in Herford geborener Sohn türkischstämmiger Eltern, sein Glück am Bosporus. Nach 149 Pflichtspielen mit insgesamt 15 Treffern und 30 Torvorlagen für Bayer 04. Zu Galatasaray wechselt er zwar auch unter dem unvermeidlichen medialen Getöse, aber nicht als neuer Topstar. Vielmehr startet er in Istanbul in der Rolle des Herausforderers.

Setzt sich Demirbay in Istanbul durch?

Bei Bayer sah er auch angesichts der bei Xabi Alonso höher im Kurs stehenden Andrich und Exequiel Palacios sowie Sommer-Zugang Granit Xhaka keine Perspektive mehr. Doch in Istanbul muss er sich auch erst gegen etablierte Kräfte wie Nicolo Zaniolo, Sergio Oliveira oder Lucas Torreira, die die Mittelfeldzentrale im 4-2-3-1-System bilden, durchsetzen.

Dass Demirbay das Ausländerkontigent von Galatasaray in der Süper Lig nicht belastet, war für den Klub ein bedeutendes Argument für seine Verpflichtung. Wunderdinge werden von ihm, anders als 2019 in Leverkusen, am Bosporus nicht erwartet. Vielleicht gelingen ihm diese ja wieder regelmäßig für seinen neuen Verein - und nicht nur die eine oder andere Gala.

Stephan von Nocks

Wer sind die Local Player der 18 Bundesligisten?