2. Bundesliga

Dardai über Bernstein: "Er ist unsterblich"

Hertha nimmt Abschied vom verstorbenen Präsidenten

Dardai über Bernstein: "Er ist unsterblich"

In tiefer Trauer: Hertha und Pal Dardai trugen am Samstag Schwarz.

In tiefer Trauer: Hertha und Pal Dardai trugen am Samstag Schwarz. picture alliance/dpa

Haris Tabakovic reckte den rechten Arm nach oben und deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger Richtung Himmel. Dann hielt er das schwarze Aufwärmtrikot mit der Aufschrift "Wir Herthaner in tiefer Trauer", das er sich zuvor gegriffen hatte, in die Luft. Es war der Moment des Jubels über Herthas 1:0 und ein stiller Gruß, es war ein Moment, der alles auf einmal ausdrückte: Trauer und Trotz und Erlösung. Und als dieses unwirkliche, stille Fußballspiel zu Ende war, nach 96 gespielten Minuten, da sagte Herthas Kapitän Toni Leistner: "Man geht in das Spiel rein und denkt, man ist auf alles vorbereitet. Und dann hört man den Stadionsprecher und kriegt einfach nur Gänsehaut."

Die Lücke, die du hinterlässt, wird nicht zu schließen sein.

Stadionsprecher Fabian von Wachsmann über Kay Bernstein

Fabian von Wachsmann, der Stadionsprecher, der Kay Bernstein sehr gut kannte, hatte vor dem Anpfiff warme Worte gefunden. "Du hast uns gezeigt, warum wir diesen Klub lieben", sagte von Wachsmann. "Es bricht uns das Herz. Die Lücke, die du hinterlässt, wird nicht zu schließen sein." Und dann versagte ihm die Stimme. Etliche Klub-Angestellte standen Arm in Arm am Spielfeldrand. Der kommissarische Präsident Fabian Drescher, bisher Bernsteins Vize, und Geschäftsführer Thomas E. Herrich hielten einander fest.

Auf die üblichen Rituale rund ums Spiel hatte der Hauptstadtklub, der seit Dienstag den Verlust seines Vordenkers betrauert, verzichtet. Über die Stadion-Leinwände flimmerten Schwarz-Weiß-Fotos von Bernstein aus seiner Zeit als Ultra-Frontmann und als Präsident, und aus den Boxen erklangen Balladen wie Rio Reisers "Junimond" mit der Zeile: "Ich bin hier oben auf meiner Wolke." Im Stadion hing die blau-weiße Trainingsjacke Bernsteins, die sein Markenzeichen war und zum Kultobjekt wurde, über der Rückenlehne seines Sitzes in der Ehrenloge. Auf ihm waren das Megafon des ehemaligen Vorsängers der Ostkurve, ein gerahmtes Porträt und blau-weiße Rosen platziert.

Andacht in der Stadionkapelle und für die Ränge

Die Andacht aus der Stadionkapelle wurde auf den Videoleinwänden des Stadions übertragen. Pfarrer Bernhard Felmberg würdigte Bernstein als außergewöhnlichen Menschen, der den Verein und die Menschen in schwierigen Zeiten geeint habe. Geschäftsführer Herrich, an dessen Seite DFB-Präsident Bernd Neuendorf das Spiel verfolgte, sagte: „Wir bleiben sprachlos zurück und sind zutiefst traurig. Kay war ein positiver Mensch, hat verbunden und mit allen kommuniziert. Er hatte eine große Kraft. Er war ein Menschenfänger und fehlt schon jetzt an allen Ecken und Enden. Wir haben es ihm zu verdanken, dass wir da stehen, wo wir gerade stehen, und dass wir wieder auf einem guten Weg sind."

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Neuendorf über Bernstein: "Überaus beeindruckende Geschichte"

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Am Vormittag hatten sich etwa 7000 Fans auf einem Trauermarsch, der am Theodor-Heuss-Platz begann und zum Olympiastadion führte, von dem am Dienstag im Alter von 43 Jahren verstorbenen Bernstein verabschiedet. Auch Fans anderer Vereine hatten sich unter die Trauernden gemischt. Am Eingang zur Ostkurve war ein riesiges Porträt des verstorbenen Präsidenten angebracht, viele Fans legten an der Gedenkstätte am Osttor Blumen nieder und stellten Kerzen auf. In der Ostkurve, wo die Treuesten stehen, blieb es still. Nur nach der Schweigeminute erschallte aus der Kurve Herthas Schlachtruf "Ha, Ho, He".

In Gedenken an Bernstein, der als eine seiner ersten Amtshandlungen als Symbol für Leben, Liebe und Fruchtbarkeit - kurzum: für den Neuanfang - einen Apfelbaum an der Klub-Geschäftsstelle gepflanzt hatte, zeigten die Fans ein Banner, auf dem stand: "Wir gießen deinen Baum mit unseren Tränen. In unseren Herzen wirst du ewig leben."

Das habe ich selten in einem Fußballstadion so erlebt.

Daniel Thioune über die Schweigeminute vor Anpfiff

Auch die Düsseldorfer Fans blieben in den Anfangsminuten des Spiels still, im Gästeblock war ein Transparent zu sehen, das Bernsteins Kernbotschaft zeigte: "Ein anderer Fußball ist möglich." Fortuna-Coach Daniel Thioune fand später die richtigen Worte zu diesem sehr besonderen Rahmen: "Aus Düsseldorf schaut man dann auch auf Berlin, man schaut auf die letzten Jahre, man schaut auf die Person Kay Bernstein. Was für eine unfassbare Ausstrahlung er in Berlin hatte, haben wir in der Schweigeminute alle feststellen dürfen. Es war eine sehr bewegte Schweigeminute, es haben alle kondoliert durch Stille. Das habe ich selten in einem Fußballstadion so erlebt. Das hat mich genauso angefasst. Es war schwer für alle Beteiligten, sich auf Fußball zu konzentrieren."

Am Ende ging ein 2:2 in die Bilanzen beider Klubs ein, Pal Dardai war "sehr stolz auf die Jungs, die unter diesen Bedingungen so eine Leistung gebracht haben". In den Tagen vor dem Spiel hatte es viele Gespräche gegeben. "Wir haben sehr viel geredet, gemeinsam und individuell", sagte der Hertha-Coach. "Ich glaube, Reden ist sehr wichtig." Aber die Realität, die so bedrückend sein kann, zu meistern, war am Sonntag dennoch eine spezielle Herausforderung. "Der erste Eindruck, wenn man rausgeht ins Stadion und diese Stille und Trauer spürt, ist eine große Belastung", gestand Dardai, der in der Vorwoche im Trainingslager in Spanien noch einen intensiven Austausch mit Bernstein hatte.

Am Ende dieses kalten, stillen, traurigen Arbeitstages sagte Dardai: "Ich bin sehr dankbar. Er ist damit unsterblich. Kay war ein Mensch, der nie gefragt hat, was gut ist für ihn - er hat immer gefragt, was ist gut für Hertha. Für uns ist das schmerzhaft. Er war eine anfassbare Person, er hat mit uns gelebt." Jetzt lebt er in den Herzen und den Erinnerungen weiter.

Steffen Rohr

17.01.2024, Hertha-Geschaeftsstelle, Olympiastadion, Berlin, DEU, DFL, 2. FBL, Hertha BSC, Kai Bernstein Gedenken, 
im Bild   Fans gedenken Ihren Praesidenten

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Foto: Juergen Engler / nordphoto GmbH

Fans und Klub gedenken Bernstein - "Berliner Weg" geht weiter

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