Bundesliga

Bobic über Dardai: "Sein emotionaler Ausbruch war unnötig"

Herthas Geschäftsführer über die Transferperiode und den Trainer

Bobic über Dardai: "Sein emotionaler Ausbruch war unnötig"

Er sprach am Donnerstag Klartext: Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic.

Er sprach am Donnerstag Klartext: Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic. imago images

Fredi Bobic, seit 1. Juni in Berlin im Amt, soll Hertha BSC nach zwei sehr teuren und sportlich schlechten Jahren in eine Phase des Wandels und der Stabilität führen. An Baustellen, auch hausgemachten, mangelt es beim Bundesliga-Schlusslicht nicht. Am Donnerstag sprach Bobic in einer Medienrunde über …

… seine Transferbilanz: "Wir haben das gemacht, was wir machen wollten - mit Überzeugung. Dieses Gefühl Deadline Day, dieser Hype, der da in den letzten Jahren entstanden ist, den muss man mal ein bisschen runterdampfen. Es war sicher kein einfacher letzter Tag. Er war in der Hinsicht ein bisschen kompliziert, weil wir ziemlich gut vorbereitet waren, aber natürlich jeder drauf gewartet hat, dass noch etwas Großes passiert. Ich hatte am späten Vormittag schon das Gefühl, dass wir durch sind und nichts Großes mehr passiert - auch aus der Erfahrung, die man hat. Dass das eine oder andere später noch dazwischenkommt und sich vielleicht um 15 Uhr nochmal was öffnet, ist normal. Aber man holt nur Spieler aus kompletter Überzeugung - dass sie uns entweder Stabilität und Erfahrung geben, die wir in der Form vielleicht nicht hatten, oder Jugendlichkeit, Frische und Entwicklungsfähigkeit. Das ist der Auftrag."

Dafür entschuldige ich mich in aller Form.

Fredi Bobic

… Herthas Kommunikations-Desaster (die Social-Media-Abteilung des Klubs hatte am Dienstag auf ihren Kanälen einen Transferladebalken gezeigt, der nach der am Vormittag verkündeten Verpflichtung von Myziane Maolida bei 22 Prozent stand, ohne dass weitere Transfers folgten, d. Red.):  "Wir haben ein schlechtes Bild abgegeben, das ist das Entscheidende. Ich übernehme die komplette Verantwortung für den Balken und stelle mich vor alle Mitarbeiter, das gehört zu meinen Aufgaben. Ich wusste davon nichts und bin erst gestern damit konfrontiert worden. Dass da suggeriert wurde, dass da noch etwas ganz Großes passiert, das tut mir leid. Dafür entschuldige ich mich in aller Form. Das war nie in meinem Sinne, so etwas zu suggerieren. Ich bin in der Geschäftsführung und muss mich der Verantwortung stellen. Wir werden sicher im Nachgang noch einige Dinge besprechen, wie es manchmal zu etwas kommt und warum man Dinge macht, die der Sport nicht weiß. Deswegen verstehe ich auch eine gewisse Skepsis oder negatives Denken über eine Transferperiode, die für uns - wenn man mal ganz nüchtern und sachlich draufschaut - sehr ordentlich gelaufen ist."

… die Abgänge: "Wir haben Spieler abgegeben, von denen jeder gesagt hat, sie tragen das Trikot vielleicht nicht so, wie sie es tragen sollten, siehe die letzten zwei Jahre."

Bobic rüffelt Dardai: "War nicht erfreut über diese Aussagen"

alle Videos in der Übersicht

… die Zugänge: "Wir haben Spieler geholt, die Erfahrung haben und uns Brücken geben für ein, zwei Jahre, gepaart mit jungen Spielern, die sehr gern für Hertha BSC spielen und mit großer Freude hierherkommen und mit einer gewissen Euphorie und einem gewissen Stolz, weil sie das als Riesenchance sehen, sich hier entwickeln und vielleicht noch Stufen gehen zu können. Die Namen sind vielleicht nicht so bekannt, aber die bekannten Namen hatte man hier zwei Jahre. Gottseidank ist jetzt der 1. September, das ist Hertha BSC, das sind jetzt unsere Jungs. Die müssen sich jetzt zusammenraufen, und gemeinsam müssen wir dieses Ziel, besser zu werden und Spiele zu gewinnen, angehen. Wenn man vor fünf Jahren meine Mannschaft bei Eintracht Frankfurt gesehen hat: Viele haben die Spieler doch gar nicht gekannt. Die waren nicht von heute auf morgen Superstars. Die sind zu welchen geworden."

… den Markt: "Es war viel Luft dabei, viel Spekulation, auch viele Sachen, die vielleicht zu spät reinkamen, wo sich andere Vereine, die die Spieler abgeben wollten, vielleicht auch verpokert haben, weil sie zu lange gewartet haben. Als wir Maolida bekommen haben, war ich eigentlich schon sehr zufrieden. Der hätte vier Wochen vorher wahrscheinlich das Doppelte gekostet. Und wir mussten auch auf das Wirtschaftliche achten und darauf, wie wir durch diese Phase kommen. Hier liegt Geld rum, und ich habe die Taschen voll, und wir sparen uns zu Tode - das ist Schwachsinn. Das ist nicht korrekt. Die Situation ist so, wie sie ist. Wir sind kein Verein, der gerade klamm ist, aber auch keiner, der gerade reich ist. Das reich haben wir mal gehabt."

Ich komm' mir vor wie im Schlussverkauf bei C&A.

Fredi Bobic

… die geplatzte Last-Minute-Leihe von Milans Samu Castillejo: "15 Uhr bekamen wir die Möglichkeit, dass der Spieler vielleicht auf dem Markt ist. Ich kenne den Spieler, wir kannten den Spieler. Ich hab' mich noch informiert über ein paar persönliche Kontakte. Wir waren sehr schnell, aber die Zeit hat nicht gereicht, weil auch eine Vertragsauflösung mit dem anderen Klub hätte sein müssen. Da muss halt alles passen, auch mit den Agenturen, die irgendwo sitzen. Das sind Dinge, die können mal funktionieren und mal funktionieren sie nicht. Eine große Geschichte wurde nur draus, als es medial plötzlich hieß, das ist schon durch. Ganz ehrlich: Um 17 Uhr wusste ich, das schaffen wir nie. Uns das anzulasten, finde ich nicht fair. Es sind bei vielen Klubs am Ende noch Dinge geplatzt. Es war der typische übliche Wahnsinn. Wenn ich seit vier, fünf Jahren höre, der Deadline Day ist der große Tag… Ich komm' mir vor wie im Schlussverkauf bei C&A."

… die Leihe von Javairo Dilrosun an Girondins Bordeaux: "Wir haben die Leihe in der Nacht fertiggemacht. Nachdem klar war, dass Castillejo nicht kommt, haben wir intern über Dilrosun nochmal gesprochen: Pal, Arne und ich (Trainer Pal Dardai, Sportdirektor Arne Friedrich, d. Red.). Der Spieler wollte unbedingt weg, er war mit dem Kopf nicht mehr bei Hertha. Und wenn du hier nicht mit vollem Herzen dabei bist, musst du weiterziehen. Das verlangen alle von uns, auch die Fans - eine Mannschaft zu haben, die das Trikot gerne trägt."

… die Leihe von Dodi Lukebakio an den VfL Wolfsburg (der VfL hat keine Kaufoption, d. Red.): "Er hat eine Plattform, er kann jetzt Champions League und in höheren Tabellenregionen spielen. Er wollte unbedingt weg, schon die ganze Zeit. Wir haben dem stattgegeben und wünschen ihm alles Gute."

… Herthas Wandel: "Das ist ein Prozess in allen Bereichen des Klubs. Das passiert nicht von heute auf morgen oder durch Handauflegen. Dass da Fehler passieren und wir da selber Fehler produzieren, das ist traurig. Und das müssen wir abstellen. Ich gehe nach drei Monaten mit uns sehr hart ins Gericht, dass wir selber Fehler machen, die nach draußen einfach nicht gut aussehen: in der Kommunikation, in der Wahrnehmung. Weil viel mehr möglich ist. Aber für einen Wandel musst du bereit sein und in allen Bereichen voll am Limit arbeiten, das wird das Entscheidende sein. Das fängt bei mir an. Dieser Wandel muss rein. Den haben wir begonnen, aber es wird Zeit brauchen. Fehler passieren, aber man darf nicht zu viele fahrlässige machen. Dass der Verein ein anderes Denken und Auftreten haben muss und eine gewisse Stärke zeigen sollte, dass wir wissen, was wir tun, das ist sehr, sehr wichtig."

… Pal Dardais Kokettieren mit einem Rückzug ("Ich hänge nicht an meinem Sitz, ich helfe gerade aus", d. Red.): "Sein emotionaler Ausbruch am Sonntag war unnötig. Der war nicht gut. Das hat er ganz klar gesagt bekommen. Es ist jetzt nicht alles wieder in bester Ordnung, aber in der Ordnung, dass wir von hier aus nach vorne arbeiten und nicht nach hinten schauen und er sich nicht mehr von irgendwelchen Fragen locken lässt. Die Emotionalität darf nicht die Oberhand gewinnen. Wir haben sehr klar und sehr deutlich miteinander gesprochen, weil der Sonntag aus der Kalten kam und nicht förderlich war für Hertha BSC. Wenn man in der Führung ist, und das habe ich ihm ganz klar gesagt, muss man anders agieren und in die Mannschaft auch wieder positiver agieren."

… Dardais Satz, Hertha suche "einen großen Trainer": "Pal hat damit gemeint, die Fans suchen nach einem großen Trainer. Wir suchen keinen Trainer. Es geht darum, das gemeinsam zu schaffen. Wir haben uns auf einen Weg festgelegt. Den müssen wir alle zusammen gehen. Pal hat kurz eine Schwächephase gezeigt und emotional agiert. Das bedauert er, das hat er mir gesagt. Wichtig ist, dass man sich aussprechen kann. Natürlich war er nervös wegen dem Transfermarkt. Ich habe ihm gesagt, dass der Spieler (Myziane Maolida, d. Red.) kommt. Es war keine einfache Situation am Sonntag, die wir überhaupt nicht gebrauchen konnten. Wir haben sehr schnell und sehr klar darüber geredet und hatten heute morgen auch noch mal ein langes Gespräch. Er ist jetzt total happy mit dem Kader. Ich hab' bei ihm den Druck gespürt, auch wegen des Transfermarktes. Da kann man auch mal eine menschliche Schwäche zeigen. Aber man spricht klar miteinander, und dann geht's von da weiter. Ich möchte die Positivität und die Ausstrahlung sehen auch für die Zukunft."

… Dardais Verweise auf psychologische Blockaden des Teams wegen der schwierigen letzten Saison: "Es bringt nichts, immer von der Vergangenheit zu sprechen. Es ist ein Fehler. Was mal war, interessiert keinen. Du musst von jetzt nach vorne denken. Wie kannst du Probleme lösen und Euphorie im Team und um das Team herum entfachen? Das ist doch das Wichtige."

… den Wunsch nach Ruhe: "Für mich kann es immer ruhig sein. Aber wenn du in einen Verein kommst, in dem zwei Jahre nichts funktioniert hat, wirst du nicht innerhalb von zwei Monaten die Ruhe haben. Ich nehme jeden Scheiß gern auf mich, alles, was schief läuft. Mein Rücken ist brutal breit bei solchen Geschichten. Aber eins ist auch klar: Ich bin sehr klar - intern und extern."

… die Erwartungen an den Kader und die Saison: "Es ist möglich, dass wir eine stabile Saison spielen, wenn alle das zusammen tun und genau das Richtige gemacht wird und die Spieler zu einer Einheit zusammengebracht werden. Qualität, Jugendlichkeit, Erfahrung: In dem Kader ist vieles drin. Ich verspreche mir offensiv mehr Esprit, mehr Unberechenbarkeit, mehr Variabilität, weil die Spieler, die in der Offensive spielen, verschiedene Positionen spielen können. Und ich erwarte, dass auch die Automatismen nach Ballverlust besser greifen und sofort gegen den Ball gearbeitet wird. Dazu brauchst du Spieler, die nicht nur abwarten, sondern jagen wollen und gern die Meter machen."

… Neuzugang Jurgen Ekkelenkamp: "Er wird uns mit seiner Art sofort helfen, aber er wird uns nicht gleich auf den Olymp schießen. Ich habe viele junge Spieler gesehen, die vier, fünf Monate gebraucht haben. Aber das ist ganz normal, wenn man aus einer anderen Liga kommt. Jurgen bringt unheimlich viel mit und macht Spaß. Er bringt Frische und Technik rein und öffnet viele Situationen nach vorn, weil er lieber nach vorne spielt als nach hinten. Und wenn er den Ball verliert, will er ihn aktiv zurückhaben."

Prince ist für den Platz, aber genauso für außerhalb des Platzes da.

Fredi Bobic

… die Fitness-Debatte um Kevin-Prince Boateng und Stevan Jovetic: "Prince ist für den Platz, aber genauso für außerhalb des Platzes da. Vor dem Spiel gegen Wolfsburg ist er abends noch gespritzt worden (wegen Rückenschmerzen, d. Red.). Die Frage ist: Muss er dann spielen? Ich persönlich hätte ihn lieber draußen gelassen. Ich weiß, dass er alles versucht hat und alles gegeben hat für die Truppe. Und ich bin jetzt auch gespannt, ob Stevan Jovetic 90 Minuten für seine Nationalmannschaft gegen Holland spielt, wie es den Anschein macht (Montenegro trifft am Samstag in der WM-Qualifikation auf die Niederlande, d. Red.). Die können schon 90 Minuten spielen, die wissen, wie der Ball läuft. Aber es kann auch sein, dass sie bei uns mal nur 60, 30 oder 20 Minuten auf dem Platz stehen. Für mich ist entscheidend, was sie in der Zeit, in der sie auf dem Platz stehen, an Qualität rausgeben. Es an ihnen festzumachen, ist ein bisschen einfach. Da sind elf Leute auf dem Platz. Und die, die auf dem Platz sind, sollen sich zerreißen."

… den abwanderungswilligen Jordan Torunarigha: "Über Jordan wurde viel geredet, aber es war viel Gerede dabei. Ich hab' ihm schon letzte Woche gesagt: 'Fokussier' dich auf Hertha BSC.'"

… Druck nach dem verkorksten Saisonstart: "Druck hast du in der Bundesliga immer, vom 1. Spieltag an, überall. Wenn du damit nicht klarkommst, darfst du nicht Bundesliga spielen oder managen. Nach der ersten Länderspielpause geht die Saison erst so richtig los. Wenn wir auf die ersten beiden Spiele schauen - wir hätten nicht null Punkte haben müssen. Jetzt haben wir die Transferphase beendet, jetzt ist Länderspielpause. Seit 1.9. weiß der Trainer Bescheid: Das ist die Mannschaft, da kann nichts mehr passieren. Wir sind nicht die Bösen, die den Trainer oder die Mannschaft schädigen wollen."

Aufgezeichnet von Steffen Rohr

Die internationalen Top-Transfers des Sommers