Bundesliga

Bayers Umgang mit Seoane - bemerkenswert wie gefährlich

Leverkusen droht Saisonziele klar zu verpassen

Bayers Umgang mit Seoane - bemerkenswert wie gefährlich

Unter Druck: Gerardo Seoane.

Unter Druck: Gerardo Seoane. IMAGO/Sven Simon

Eine kommentierende Analyse von Stephan von Nocks

Wer am Sonntag im Doppelpass auf "Sport 1" diplomatische Aussagen erwartet hatte, kennt Fernando Carro nicht. Dass der Leverkusener Geschäftsführer aber so offen über die Zukunft von Trainer Gerardo Seoane sprechen würde, überraschte dann schon.

Nicht wegen der Fakten. Carro sprach "nur" aus, was für Branchenkenner selbstverständlich ist. Natürlich hat sich der Werksklub längst auf dem Trainermarkt orientiert. Natürlich ist Bayer "nicht unvorbereitet", wie es Carro sagte, für den Fall, dass man sich entschließt, die Reißleine zu ziehen.

Natürlich, befinden sich doch Bayer, das zuletzt vor 40 Jahren so schlecht dastand, und auch der Schweizer in einer schweren Krise. Hätte der Klub keine Idee, wer Seoane im Fall der Fälle ersetzen soll, und die Umsetzung dieser nicht auch zu einem gewissen Grad schon vorangetrieben, müsste man Carro und dessen Geschäftsführer-Kollegen Simon Rolfes entlassen. Das Beispiel Leipzig, wo kurz nach der Freistellung von Domenico Tedesco mit Marco Rose dessen Nachfolger präsentiert wurde, belegt: So funktioniert das Geschäft.

Neuland für Carro und Rolfes

Und dennoch: In der Branche ist dieser öffentliche Umgang mit einem Trainer nicht üblich. Geschickt ist er auch nicht, stellt er doch Seoane alleine in den Fokus. Die Profis, die in München keine Haltung zeigten, bleiben im Hintergrund. Vor den Spielen in Porto und gegen Schalke in dieser Woche wurde ihnen das Alibi frei Haus geliefert.

Einem Rudi Völler, der solche Situationen schon wiederholt erlebte, wären solche Sätze nie über die Lippen gekommen. Für Carro und Völlers Nachfolger Rolfes hingegen, der sich deutlich zurückhaltender äußert, ist eine solche Krisensituation in einem Klub in ihrer Rolle als Entscheider in der ersten Reihe aber genauso Neuland, wie sie es für Seoane ist, der in Luzern, Bern und Leverkusen bislang nur die Sonnenseite des Trainerjobs erlebt hatte.

Festhalten am Trainer birgt Gefahr

So bemerkenswert Carros öffentlicher Umgang mit Seoane ist, so gilt dies allerdings auch für die Treue, mit der der emotionale Spanier und Rolfes an dem Schweizer festhalten. Dessen aktuelle Bilanz ist nach der in allen Belangen überzeugenden Vorsaison desaströs. Dass Seoane immer noch die Chance erhält, den Turnaround in Leverkusen einzuleiten, ist alles andere als selbstverständlich.

Das Festhalten an dem Trainer birgt nämlich auch eine Gefahr für die Bosse. Gelingt die Wende in dieser Woche nicht, hat der Werksklub nach dem Pokal-Aus auch in der Liga keine realistische Chance mehr, sich noch für Europa zu qualifizieren, schon gar nicht für die fest anvisierte Königsklasse.

Eine Saison ohne internationalen Wettbewerb wäre für Bayer indiskutabel. Carro und Rolfes hätten dann nicht nur mit ihrer Politik der (zu) ruhigen Hand entscheidenden Anteil daran. Die Frage nach der Kaderzusammenstellung und zu wenig frisch zugeführten Impulsen in Form von Zugängen müssen sie sich ohnehin stellen lassen.

Stephan von Nocks

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