Bundesliga

Interview: Wie ein Fan Bayerns Katar-Sponsoring beenden will

Wie FCB-Fan Michael Ott das umstrittene Sponsoring beenden will

Bayern und Katar: "Ich habe mich richtig geschämt"

Aufdruck mit Beigeschmack: Das "Qatar Airways"-Logo auf dem Trikotärmel von Kingsley Coman.

Aufdruck mit Beigeschmack: Das "Qatar Airways"-Logo auf dem Trikotärmel von Kingsley Coman. imago images/Sven Simon

Seit Jahren protestieren Bayern-Fans dagegen, dass ihr Klub im Stadion oder auf dem Trikot für die katarische Fluggesellschaft "Qatar Airways" wirbt. FCB-Mitglied Michael Ott ist das nicht genug: Der 28-jährige Jurist hat vor der Jahreshauptversammlung am 25. November einen Antrag eingereicht, der den FC Bayern dazu bewegen soll, sein Katar-Sponsoring zu beenden.

Der Wortlaut: "Die Mitgliederversammlung möge beschließen: Der FC Bayern München e.V. wirkt unter Nutzung sämtlicher ihm zur Verfügung stehenden erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeiten dahingehend auf die FC Bayern München AG ein, dass Sponsoringverträge mit Qatar Airways oder anderen, mehrheitlich im Eigentum des Emirats Katar stehenden Unternehmen zum nächstmöglichen Zeitpunkt auslaufen gelassen werden und nicht verlängert oder neu abgeschlossen werden."

Im Interview erzählt Ott von den Hintergründen und den Reaktionen auf seinen Antrag, von einem Brief an Herbert Hainer - und dem Moment, der für ihn das Fass zum Überlaufen brachte.

Herr Ott, Sie sind seit Ihrer Kindheit Bayern-Fan. Besitzen Sie ein aktuelles Trikot?

(lacht) Nein, auch bewusst nicht. Mein letztes Trikot war von 2009 oder so, als der FC Bayern dann ins Champions-League-Finale gekommen ist. Ich habe in den letzten Jahren kein Trikot mehr gekauft, weil ich keines haben will, auf dem Katar-Werbung ist.

Da habe ich mir gesagt: So kann es nicht weitergehen. Man muss auch mal handfestere Mittel ergreifen als nur Protest-Choreos.

Michael Ott

Dass der FC Bayern unter anderem auf dem Trikotärmel für "Qatar Airways" wirbt, ist Ihnen ein Dorn im Auge. Nun wollen sie Ihren Lieblingsklub mit einem Antrag auf der Mitgliederversammlung dazu bewegen, das Katar-Sponsoring zu beenden. Wie genau?

Ich habe Mitte Oktober den Antrag eingereicht. Es ist schwierig, die Geschäfte in der FC Bayern AG, in die ja die Profimannschaft ausgegliedert ist, unmittelbar zu beeinflussen. Das war auch in der Vergangenheit bei anderen Anträgen ein Problem, die nicht so gestellt waren, dass sie rechtlich umsetzbar waren. Ich habe mir intensiv Gedanken darüber gemacht und meiner Meinung nach einen gangbaren Weg gefunden, der die wenigen Einflussmöglichkeiten, die der Verein hat, ausnutzt.

Der Antrag ist nicht darauf gerichtet, diesen Sponsoringvertrag zu kündigen. Das wäre schwierig, und das würde ich auch nicht für sinnvoll halten, weil der FC Bayern ja weiterhin ein seriöser Vertragspartner sein soll, der seine Verpflichtungen einhält. Es geht darum, für die Zukunft vorzubeugen, dass dieses Katar-Sponsoring nicht mehr vorkommen kann. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die rechtliche Umsetzung ist aber, glaube ich, gar nicht relevant, denn wenn die Mitglieder mal mit einer überzeugenden Mehrheit beschlossen haben, dass sie dieses Sponsoring ablehnen, kann ich mir nicht vorstellen, dass der AG-Vorstand sich dem dann verweigern wird, auch wenn er rechtlich nicht unmittelbar daran gebunden ist.

Katar-Sponsoring gibt es bei den Bayern ja schon seit 2016. Wann und wie kam es zu der Idee des Antrags?

Gestört hat mich das Sponsoring schon immer. Ich bin zwar nicht selbst in der aktiven Fanszene, aber diese Choreografien, mit denen die Südkurve gegen das Katar-Sponsoring protestiert hat, habe ich immer mitbekommen. Aber der Verein hat daraus nie irgendwelche Konsequenzen gezogen.

Zu behaupten, wir reden hinter den Kulissen kritisch mit den Mächtigen - das ist ein offensichtliches Lippenbekenntnis, das man nicht ernst nehmen kann.

Michael Ott

Was für mich dem Fass den Boden ausgeschlagen hat, war, als ein Fanklub im Januar 2020 eine Podiumsdiskussion zu Katar organisiert und sogar Gastarbeiter eingeflogen, einen Menschenrechtler und den FC Bayern eingeladen hatte - und als einziger der FC Bayern nicht erschienen ist. Das fand ich echt unmöglich, da habe ich mich richtig geschämt für meinen Verein. Da habe ich mir gesagt: So kann es nicht weitergehen. Man muss auch mal handfestere Mittel ergreifen als nur Protest-Choreos. Dann hatte ich während Corona ein bisschen Zeit, mich einzuarbeiten und ausführlicher zu recherchieren.

Ihnen geht es in dem Antrag speziell um das Katar-Sponsoring, nicht um die Winter-Trainingslager in Doha. Wo liegt für Sie der Unterschied?

Der Unterschied ist, dass dieses Sponsoring nur die einseitige Übermittlung einer Marketingbotschaft zugunsten von Katar darstellt. Das widerspricht in jeder Hinsicht dem Ziel, kritisch auf Katar einwirken zu können, und lenkt sogar von der Kritik ab, weil es diese völlig verschweigt. Ohne die Medien und die Fans - wenn man nur die klubeigenen Medien verfolgen würde - wüsste man von der Kritik nichts.

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Im Gegensatz dazu kann man bei den Trainingslagern vor Ort tatsächlich auch etwas machen: in den Austausch mit der lokalen Bevölkerung kommen, Aktionen veranstalten und Aufmerksamkeit erzeugen, vielleicht mit Menschenrechtlern sprechen. Zwei Experten haben mir zu der Region bestätigt, dass sich in Katar, in der Golfregion generell nur durch öffentlichen Druck etwas ändert. Vor dem Hintergrund zu behaupten, wir reden hinter den Kulissen kritisch mit den Mächtigen - das ist ein offensichtliches Lippenbekenntnis, das man nicht ernst nehmen kann.

Karl-Heinz Rummenigge setzte beim Thema Katar auf einen "Wandel durch Annäherung" und sagte kürzlich lapidar, der Fußball könne "nicht die ganze Welt retten".

Der Fußball muss auch nicht die ganze Welt retten. Aber wenn man sich mit einem Land, das so in der Kritik steht, auf diese Weise einlässt, muss man zu diesem Land auch eine klare Haltung entwickeln und äußern.

Ist Ihr Eindruck, dass sich an dieser Haltung durch den Führungswechsel bei Bayern etwas geändert hat?

Nach meiner Wahrnehmung noch nicht wirklich. Ich habe Herbert Hainer Anfang dieses Jahres mal einen Brief geschrieben. Auf den hat er auch geantwortet, darin aber genau die gleiche Argumentationslinie wiedergegeben.

Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, die Mitglieder anzuhören, wenn man seine Kronjuwelen veräußert.

Michael Ott

Noch ist nicht klar, ob das Präsidium den Antrag überhaupt zulässt. Wie bewerten Sie Ihre Aussichten?

Bis jetzt habe ich vom Verein noch nichts gehört, die Freude über den Antrag wird sich dort vermutlich in Grenzen halten. Ich habe mir aber natürlich intensiv Gedanken gemacht, wie ich den Antrag so formulieren kann, dass er nicht abgelehnt werden kann. Ich bewerte die Aussichten also sehr positiv, dass über ihn abgestimmt werden kann.

Wie fielen bislang die Reaktionen auf Ihren Antrag aus?

Überwältigend positiv. Ich habe sehr viele E-Mails bekommen, nicht nur aus Deutschland, sogar aus Dänemark oder Frankreich. Es gab natürlich auch einige kritische Mails, aber das waren nicht mehr als zehn Prozent.

Was entgegnen Sie Kritikern, die sagen, dann dürfe Bayern aber auch nicht für VW oder Siemens werben, die anteilsmäßig ja auch unter katarischem Einfluss stehen?

Das halte ich für ein Scheinargument. Der Kern ist ja, dass man hier unmittelbar mit dem Emirat Katar in einer Vertragsbeziehung steht, "Qatar Airways" ist ja ein 100-prozentiges Staatsunternehmen. Das kann man nicht vergleichen.

Parallel zum Antrag zur Beendigung des Katar-Sponsoring haben Sie auch einen davon getrennten Antrag auf Satzungsänderung eingereicht. Was genau hat es damit auf sich?

Ich habe zwei Satzungsänderungsanträge angereicht, der zweite ist bisher nur nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Der, den Sie meinen, dient einfach nur dazu, die rechtlichen Hebel, die man noch hat, um auf die AG Einfluss zu nehmen, weiterhin zu bewahren. Denn diese Hebel hängen davon ab, dass der Verein mindestens 75 Prozent der Anteile an der AG hält. Die hält er aktuell noch, aber wenn der FC Bayern weitere AG-Anteile verkaufen sollte, könnte er die Anteile des e.V. auf 70 Prozent absenken, ohne die Mitglieder jemals dazu anzuhören. Diese Regelung ist willkürlich getroffen, denn ob man unter die Grenze von 70 Prozent sinkt, ist völlig irrelevant, aber unter 75 Prozent verliert man bestimmte Rechte an der AG. Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, die Mitglieder anzuhören, wenn man seine Kronjuwelen veräußert.

Und der zweite Satzungsänderungsantrag?

Der ist eine Reaktion auf den FC Bayern, der selbst eine Satzungsänderung vorgelegt hat. Dabei will der FC Bayern in Zukunft die Zulässigkeit von Anträgen in das Ermessen des Ehrenrats stellen. Die Mitgliederversammlung kann zwar dann abgelehnte Anträge noch mit einer Zweidrittelmehrheit zulassen, was aber absurd ist, wenn ein Antrag selbst nur eine 50-Prozent-Mehrheit braucht, um beschlossen zu werden. Darum habe ich den Satzungsänderungsantrag gestellt - weil es klare Kriterien braucht, wann man Anträge ablehnen kann und wann nicht, und sich das nicht im reinen Ermessen irgendeines Gremiums bewegen kann.

Interview: Jörn Petersen