Motorsport

Rallye-WM kommt zurück nach Deutschland

Erstmals führt ein WM-Lauf durch gleich drei Länder

Start in Prag, Ziel in Passau: Die Rallye-WM kennt keine Grenzen

Fliegender Finne: Weltmeister Kalle Rovanperä im Toyota

Fliegender Finne: Weltmeister Kalle Rovanperä im Toyota IMAGO/Lehtikuva

Es müssen ja nicht gleich drei Kontinente sein wie bei der Fußball-WM 2030. Die Central European Rally immerhin führt durch drei Länder. Der vorletzte der 13 Weltmeisterschaftsläufe startet unter dem Motto "Beyond Borders" an diesem Donnerstag in der tschechischen Hauptstadt Prag, macht einen Abstecher durch das österreichische Mühlviertel und endet fast 1700 Kilometer später im niederbayerischen Passau.

Damit kehrt die höchste Liga des Rallyesports nach vier Jahren Pause auch in die Bundesrepublik zurück. Ab 2002 zählte die Rallye Deutschland zur WM, erstmals in der Historie des 1973 gegründeten Championats. Die "Deutschland" führte damals durch die Weinberge entlang der Mosel, über Landstraßen im Hunsrück und im Saarland sowie über Panzer-Pisten auf dem Truppenübungsplatz Baumholder in der Nähe von Idar-Oberstein. Sie galt als anspruchsvollste Asphaltrallye im Kalender und war bei den Fahrern beliebt.

Bei Sponsoren allerdings weniger. Meistens stemmte der Automobilclub ADAC als Veranstalter den größten Teil des Budgets in Höhe von zuletzt wohl rund vier Millionen Euro allein. Vier Jahre lang half immerhin Volkswagen. Aber als VW nach vier WM-Triumphen 2016 ausstieg, wurde die Lage schwierig. Der Sargnagel war schließlich die Corona-Pandemie, die 2020 eine Austragung nur ohne Fans und damit ohne Einnahmen durch Eintrittsgelder gestattet hätte. Der ADAC winkte ab, die "Deutschland" wurde durch eine Asphaltrallye in Kroatien ersetzt.

Comeback in Deutschland mit neuem Konzept

Jetzt soll das Comeback mit neuem Konzept und an neuem Ort gelingen. "Gerade in der heutigen Zeit wollen wir ein Signal aussenden, dass Freundschaft und Zusammenarbeit über Grenzen hinweg bereichernd sind", beschreibt Organisationsleiter Andreas Dinzinger die Idee hinter der Central European Rally. 

Der sportliche Teil setzt sich aus durchweg asphaltierten Wertungsprüfungen (WP) mit einer Gesamtlänge von 310 Kilometern zusammen. Fünf Prüfungen liegen in Tschechien, zwei in Österreich sowie drei und die Test-WP vor dem Start (Shakedown) in Deutschland. "Für zusätzliche Herausforderungen könnte das Wetter sorgen", sagt Dinzinger, "im späten Oktober kann es natürlich auch nass und durch Laub auf der Piste rutschig werden."

Noch zwei Fahrer haben Chancen auf den Titel

Toyota hat den Weltmeistertitel in der Markenwertung bereits beim vorangegangenen WM-Lauf in Chile klargemacht. Bei den Fahrern haben nur noch zwei Piloten des japanischen Werksteams Chancen: Titelverteidiger Kalle Rovanperä aus Finnland und Elfyn Evans aus Wales.

Rovanperä, 2022 im Alter von 22 Jahren jüngster Rallye-Weltmeister der Geschichte, führt nach drei Siegen mit 31 Punkten vor seinem Teamkollegen. "Ich mag neue Rallyes und neue Herausforderungen. Außerdem kann ich aufgrund meines Vorsprungs etwas mehr Risiko gehen und auf Sieg fahren, das kommt mir natürlich entgegen", erklärt der Schotter-Spezialist. Evans baut dagegen auf seine Asphalt-Stärke: "Mein Sieg in Kroatien zeigt, dass ich gute Chancen haben sollte. Ich hoffe auf einen guten Mix aus schmalen, kurvenreichen und schnellen Pisten." Ebenfalls am Start ist der achtmalige Weltmeister Sebastien Ogier (Toyota). Der Franzose bestritt in der laufenden Saison allerdings nur sechs Rallyes und spielt trotz drei Siegen keine Rolle im Titelkampf.

Kalle Rovanperä, Rallye-WM

Kalle Rovanperä krönte sich im Vorjahr zum jüngsten Rallye-Weltmeister überhaupt. Getty Images

Die zehn Werksautos von Toyota, Hyundai und Ford sind mit mächtigen Spoilern versehene Prototypen, die nur entfernt an Serienmodelle erinnern. Unter der weitgehend aus Kohlefaser gefertigten Karosserie steckt ein Hybrid-Allradantrieb, der einen rund 380 PS starken Turbobenziner mit einem Elektromotor kombiniert. Dieser liefert kurzzeitig zusätzliche 135 PS.

Mit dieser Power beschleunigen die sogenannten RC1-Fahrzeuge in rund drei Sekunden auf Tempo 100. Die Werksmannschaften stellen nur einen Bruchteil der insgesamt rund 70 Teilnehmer der Central European Rally. Der überwiegende Rest sind Privatfahrer mit leistungsschwächeren, zum Teil seriennahen Fahrzeugen.

Auch einige Deutsche sind in den unteren Klassen am Start. Etwa der frühere Europameister Armin Kremer, der auf die Ansagen seiner Tochter Ella hört, oder Albert von Thurn und Taxis, der Kopf des gleichnamigen Adelshauses. Die deutschen Farben vertreten außerdem Fabio Schwarz, der 18 Jahre junge Sohn des früheren WM-Stars Armin Schwarz, der offizielle Opel-Junior Timo Schulz sowie Carsten Mohe.

Wo die Rallye-WM der Formel 1 voraus ist

Alle regulären Teilnehmer der Central European Rally verwenden vom deutschen Lieferanten P1 zentral zur Verfügung gestelltes Benzin, das nicht aus Öl, sondern aus biologischen Abfällen und synthetischen Komponenten hergestellt wird. Mit diesem Schritt, den die Formel 1 noch vor sich hat, reduziert die Rallye-WM ihren Kohlendioxid-Fußabdruck.

Mindestens noch 2024 ist die Central European Rally Teil der Weltmeisterschaft, bis dahin laufen die Verträge. Ob ihr eine ähnlich lange WM-Karriere wie der früheren Rallye Deutschland bevorsteht, hängt nicht nur von den Finanzen ab. Zusätzlich müssen unter anderem beim Umweltschutz die strengen Anforderungen des Weltmotorsportverbandes FIA erfüllen. Der hat sich zum Ziel gesetzt, alle Meisterschaften spätestens 2030 rechnerisch Kohlendioxid-neutral durchzuführen.

Und auch in puncto Inklusion ist die Central European Rally schon jetzt vorbildlich: Pokale und Ehrenpreise stammen aus Werkstätten für Menschen mit Behinderung.

Christian Schön

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