2. Bundesliga

Reese: "Die Bundesliga war mein klares Ziel"

Der Neuzugang über Herthas Umbruch und seine Pläne

Reese: "Die Bundesliga war mein klares Ziel"

Peilt mit Hertha den direkten Wiederaufstieg an: Fabian Reese.

Peilt mit Hertha den direkten Wiederaufstieg an: Fabian Reese. IMAGO/Geisser

Natürlich kommt die Frage nach den lackierten Fingernägeln, und Fabian Reese pariert sie so charmant-reflektiert, wie er alle Fragen pariert in dieser Medienrunde am Montagmittag am Rande des Schenckendorffplatzes, wo er zuvor geackert hat mit den neuen Kollegen. "Zwei gegen zwei, schön Feuer drin, viele direkte Duelle, das mag ich", sagt Reese und lächelt. "Und ein bisschen geschwitzt haben wir auch."

Lackierte Fingernägel und eine spezielle Frisur

Der Nagellack also, großes Thema bei Social Media rund um Herthas Trainingsstart Ende Juni, als der neue Linksaußen mit mattweiß lackierten Fingernägeln auflief. "Neue Woche, neue Farbe", sagt Reese am Montag und hält die Finger kurz hoch, "hellblau". Was folgt, ist ein Plädoyer für Toleranz und Selbstbestimmtheit, auch für Mut, und nichts davon klingt wohlfeil oder aufgesetzt. "Ich hab‘ ein bisschen eine andere Frisur als der Prototyp Fußballer, ich trage Nagellack, ich stehe für meine Meinung ein und die Werte, die ich vertreten möchte", sagt Herthas neuer Hoffnungsträger.

"Ich möchte als Vorbild die Chance nutzen, die man als Fußballer hat: eine Meinung preiszugeben und denen da draußen zu sagen: 'Passt auf, traut euch das, worauf ihr Lust habt - es ist völlig egal, was andere sagen.' Es geht darum, dass Menschen da draußen den Mut bekommen, es auch zu machen." Dass ein paar das uncool finden oder mehr, das hält er aus: "Klar hat man auch ein paar Menschen, die anderer Meinung sind, was deren gutes Recht ist, so lange es nicht unter die Gürtellinie geht."

Er lässt sich da nicht beirren, warum auch: "Wenn man erwachsen wird und erwachsen ist, findet man irgendwann eine Persönlichkeit oder baut sich die, einen Charakter. Das sind Schritte, die man geht. Das ist nicht von heute auf morgen so. Ich habe eine Partnerin in meinem Leben, die mich auch dazu ermutigt, dass wir unseren eigenen Weg gehen und dass wir glücklich sein müssen."

Reese soll Tempo und Tiefe ins Hertha-Spiel bringen

Sie haben sich bei Hertha einen in den Kader dazugeholt, der sich eine Haltung leistet - und überdies, das deuteten die ersten Testspiele an, fußballerisch ein Gewinn zu werden verspricht, weil sein Spiel das hat, was Herthas Offensive benötigt: Tempo, Tiefe, Torgefährlichkeit. Reese war in der Vorsaison bei Holstein Kiel mit elf Toren und zehn Assists siebtbester Scorer der 2. Liga. Sein Ziel klingt darum logisch: "Ich will da, wo ich letzte Saison aufgehört habe, weitermachen."

Er hätte gern im Oberhaus weitergemacht, keine Frage, aber die Dinge entwickelten sich nach seiner Unterschrift im Januar eher ungut für Hertha BSC. "Ich muss offen und ehrlich sagen, dass die Bundesliga mein klares Ziel war", sagt Reese, der die Gespräche im Winter mit Fredi Bobic und Sandro Schwarz geführt hatte, die beide längst weg sind.

"Ich wollte schon im Winter hier helfen. Das hat aus diversen Gründen leider nicht geklappt. Im letzten halben Jahr haben zwei Herzen in meiner Brust geschlagen: für Holstein, meinen Heimatverein - und für Hertha. Man hat mitgefiebert, man hat gebangt. Wenn die Spiele verloren gehen am Samstagabend und man muss Sonntag auf dem Platz stehen, ist das eine Herausforderung für den Kopf. Aber das hat mich das letzte halbe Jahr sehr reifen lassen", beteuert Reese.

Just an dem Tag, an dem der Hobby-Angler zu Hause in Kiel seine Abschiedsparty gab, stieg Hertha BSC ab, 33. Spieltag, 1:1 gegen Bochum. Während der Party verfolgte Reese auf dem Handy Herthas vergeblichen Kampf um die Rettung, "das war emotional - man verlässt seine Heimatstadt, und dann dieser Knockout kurz vor Schluss für Hertha. Natürlich war ich da traurig."

Wenn man das Glas halbvoll sehen möchte, sieht man die Hauptstadt und einen Riesen-Klub, der großes Potenzial hat.

Fabian Reese

Der Nackenschlag ist abgehakt. Der frühere U-20-Nationalspieler, den es als 15-Jährigen einst von Holstein Kiel in Schalkes "Knappenschmiede" und die dortige U 17 zog, hat in Berlin viel vor. Er will seinen 13 Bundesliga-Spielen für Schalke möglichst ab dem Sommer 2024 viele Bundesliga-Einsätze für Hertha folgen lassen, die schlagzeilenträchtige Dauer-Unruhe und den XXL-Umbruch bei seinem neuen Arbeitgeber nimmt er gelassen zur Kenntnis: "Es ist immer eine Frage der Perspektive. Wenn man das Glas halb leer sehen möchte, konzentriert man sich auf die Probleme. Wenn man das Glas halbvoll sehen möchte, sieht man die Hauptstadt und einen Riesen-Klub, der großes Potenzial hat, der seine Hausaufgaben machen und höher hinaus möchte. Ich möchte ein Teil davon sein und den Verein mit dahin führen, wo er hingehört."

Am Mittwoch startet Hertha ins neuntägige Trainingscamp nach Zell am See (Österreich). Mutmaßlich ohne die Verkaufskandidaten Krzysztof Piatek, Lucas Tousart und Dodi Lukebakio - die in Berlin unter Anleitung eines Pro-Lizenz-Coaches arbeiten sollen - aber ganz sicher mit dem ablösefrei gekommenen Reese (Vertrag bis 2026). Er ist noch nicht lange da, aber die Ambivalenz der Situation in diesem Sommer nach dem Abstieg hat er längst begriffen: "Diese Zeit ist eine große Herausforderung für den Verein, aber auch eine große Chance, einen Grundstein für die nächsten Jahre zu setzen." Mit ihm auf dem linken Flügel - dem Mann für Tempo, Tore und mit dem Mut zur eigenen Meinung.

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