Bundesliga

Hamburger SV: Ein Desaster - auch für Walter

Der HSV ist nur ein Spielball

Ein Desaster - auch für Walter

Sah einen fast chancenlosen HSV: Coach Tim Walter.

Sah einen fast chancenlosen HSV: Coach Tim Walter. IMAGO/Eibner

"Bei uns bleiben", lautet das Credo des 47-jährigen Badeners und soll Überzeugung und Glauben an die eigenen Stärken ausdrücken. Immer wieder mal aber, wie im Relegations-Hinspiel hat die Weigerung des Trainers, seine Ausrichtung an offensivstarke Gegner anzupassen ins Verderben geführt. Im Fall vom Donnerstagabend bedeutet es fast schon sicher: in ein sechstes Zweitligajahr.

Natürlich kann Walter anführen, dass der erste Rückschlag nach nichtmal einer Minute nicht systembedingt war, sondern aus einer schlecht verteidigten Standardsituation entsprungen ist. Und er tut dies auch: "Wir kriegen zwei Standardgegentore und werden durch Standards geschlagen." Das indes ist eine arg verzerrte Darstellung, denn: Mit einem Dutzend Großchancen legten die Schwaben offen, wie anfällig Walters Fußball ist.

Drei Mal hatte der HSV in dieser Spielzeit bislang mit Bundesligisten die Klingen gekreuzt - in Leipzig im Pokal (0:4), und in Tests gegen Köln (0:4 über 120 Minuten) und Freiburg (2:6 über 140 Minuten) 14 Gegentreffer kassiert.

Dass es gegen die Stuttgarter kein halbes Dutzend Gegentreffer gab, lag allein an Daniel Heuer Fernandes, der vielfach herausragend rettete und doch nicht kaschieren konnte: Auf diesem Niveau funktioniert der vielzitierte "Walterball" nicht, weil die individuelle Klasse von Moritz Heyer, Jonas David und Co. eben nicht mehr ausreicht beim Versuch, fast alles spielerisch zu lösen, wenn die Gegner nicht mehr Sandhausen oder Braunschweig heißen, sondern aus einer höheren Etage kommen.

Mit Sandhausen hatte das nichts mehr zu tun.

Sebastian Schonlau

Walter führt das fast sichere Ende aller Aufstiegsträume in erster Linie auf "einen gebrauchten Tag" zurück. "Wir hatten uns viel mehr vorgenommen." Doch die Seinen waren nicht annähernd präpariert für das Stuttgarter Überfallkommando und zumindest Kapitän Sebastian Schonlau klingt glaubhaft, wenn er sagt: "Mit Sandhausen hatte das nichts mehr zu tun, darüber haben wir genug geredet." Am vergangenen Sonntag hatten der Kapitän und seine Kollegen ein Drama erlebt, am Donnerstag war es ein Debakel.

Walter hatte im Vorfeld die Frage nach der offensiven Power des Bundesligisten gekontert mit der Ankündigung, die Stuttgarter Schwächen offenlegen zu wollen - und er hat Schiffbruch erlitten. "Jeder weiß, dass wir uns über Ballbesitz definieren", sagt Heuer Fernandes, der einzige Hamburger in Bundesliga-Form, "aber wir waren in unserem Ballbesitz nicht so stark." Und bei Stuttgarter Ballbesitz hoffnungslos überfordert.

Der Auftritt hat das Potenzial, um Vertrauen zu erschüttern

"Wir schütteln uns, aber wir schenken nicht ab", erklärt Walter vor dem Rückspiel am Montag, "wir werden nochmal alles mobilisieren." Davon, ob das gelingt, wird auch abhängen, ob der Coach eine Zukunft in Hamburg hat. Die Rückendeckung durch Sportvorstand Jonas Boldt ist grundsätzlich gewaltig - die Art und Weise, wie Walters Mannschaft im Hinspiel vorgeführt wurde, hat indes das Potenzial, Vertrauen zu erschüttern.

Und der Hinweis darauf, dass die Relegation kein gerechter Modus ist, zielt an dieser Stelle ins Leere. Wenn der HSV künftig in der Bundesliga spielen und eine reelle Überlebens-Chance haben will, dann wäre der Drittletzte in dieser Konkurrenz genau der Gegner, gegen die er seine Punkte einfahren müsste.

Sebastian Wolff

STUTTGART, GERMANY - JUNE 01: Tim Walter, Head Coach of Hamburger SV, reacts during the Bundesliga playoffs first leg match between VfB Stuttgart and Hamburger SV at Mercedes-Benz Arena on June 01, 2023 in Stuttgart, Germany. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

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