Bundesliga

Ingmar Perings Rücktritt mit massiver Kritik an Hertha BSC

Rücktritts-Begründung mit massiver Kritik an Hertha

Perings Abrechnung: "In der Frage der Finanzen haben wir katastrophal versagt"

Nicht mehr Teil des Hertha-Präsidiums: Ingmar Pering.

Nicht mehr Teil des Hertha-Präsidiums: Ingmar Pering. Getty Images

In der ausführlichen Erklärung, die Ingmar Pering Präsidium und Aufsichtsrat zusandte und die dem kicker vorliegt, heißt es unter anderem: "In der zentralen Frage der Finanzen haben wir katastrophal versagt. Wir haben auf die Zusagen von Werner Gegenbauer (Präsident bis Mai 2022, d. Red.) und Ingo Schiller (Finanz-Geschäftsführer bis Oktober 2022, d. Red.) vertraut, dass die Finanzierung noch ein Jahr sicher sei, als sie gegangen sind. Entweder haben wir in der Zwischenzeit unsere Aufgaben nicht richtig erfüllt oder wurden getäuscht."

Pering nimmt in seiner Rücktrittsbegründung auch Bezug auf das am 12. Dezember 2022 im kicker veröffentlichte Interview mit Präsident Bernstein, in dem dieser auf eine entsprechende Frage erklärt hatte: "Wir haben keine Liquiditätsprobleme. Diese und die folgende Saison sind durchfinanziert." Pering nennt das in seinem internen Schreiben "eine völlige Fehleinschätzung, wie das Jahr 2023 bisher gezeigt hat", und führt weiter aus: "Egal aus welchen Gründen scheinen sich die Führung des Präsidiums und die Geschäftsleitung bis Jahresende 2022 nicht mit der Sicherstellung einer geordneten Finanzierung befasst zu haben. Erst ab November 2022 wurde plötzlich das Thema Anteilsverkauf an 777 mit einer Finanzierung in Zusammenhang gebracht. Anfang 2023 wurde thematisiert, dass nun auch das letzte Tafelsilber veräußert werden müsse, weil Hertha BSC ansonsten gar keine Finanzierungsquellen in ausreichendem Maße mehr habe."

Wenn man nur noch Ja zu einem Fast-Ausverkauf sagen kann, haben viele Frühwarn-Systeme völlig versagt oder sollten vielleicht versagen.

Ingmar Pering

Über den im März vollzogenen Einstieg des US-Private-Equity-Unternehmens 777 Partners, den die DFL im Zuge des Lizenzierungsprozesses aktuell auf die Konformität hinsichtlich der 50+1-Regel prüft, schreibt Pering: "Die Vereinbarungen mit 777 wurden in einem hastigen Verfahren durch das Präsidium gebracht, allerdings ohne dass noch Überlegungen zu Alternativen angestellt werden konnten. Ein Fast-Ausverkauf ohne real aufgezeigte Alternativen hat mich vor die unlösbare Aufgabe gestellt, noch "Nein" sagen zu wollen, aber zu wissen, dass es dann keine wirkliche Alternative zum wirtschaftlichen Kollaps und der Insolvenz gab. Wenn man nur noch Ja zu einem Fast-Ausverkauf sagen kann, haben viele Frühwarn-Systeme völlig versagt oder sollten vielleicht versagen."

Und mit Blick auf die zehneinhalbmonatige Amtszeit von Bernstein: "Ich kann mich persönlich mit dieser Art der Führung des Vereins und auch mit den bisher gemachten Fehlern nicht mehr identifizieren. Sogar noch viel weniger als in der Ära Gegenbauer. Denn jetzt haben wir es nicht nur mit egoistischen und auf persönliche Vorteile bedachten Machtmenschen zu tun, sondern auch noch mit versammelter Inkompetenz. Meine strukturellen, juristischen und sportlichen Ratschläge werden nicht mehr gehört."

Schwarz "wurde vergöttert" und "viel zu spät" entlassen

Der "auf völliger Linie versagende Trainer Schwarz wurde vergöttert", schreibt Pering, "der Rauswurf (Mitte April nach dem 2:5 auf Schalke, d. Red.) kam viel zu spät". Zugleich nennt Pering, der im Juni 2022 zunächst als Präsidentschaftskandidat hatte antreten wollen, aber sich dann dem Lager von Frank Steffel als Vize-Kandidat anschloss, es im Rückblick "einen Fehler, meine Kandidatur für das Präsidentenamt aufzugeben, zu der mich viele langjährige Herthaner gedrängt hatten. Ich gab zu Gunsten von Frank Steffel auf, da ich befürchtete, dass es ansonsten zu einem ergebnislosen Dreikampf der Kandidaten Bernstein, Steffel und mir kommen würde".

Die Wahl am 26. Juni 2022, der zwischen Steffel und Bernstein ein Lagerwahlkampf vorausgegangen war, hatte Bernstein zur Überraschung des Klub-Establishments gewonnen. Pering dazu: "Nach den Wahlen überraschte mich die Frage des neuen Präsidenten, wer hier noch weiterarbeiten oder wer zurücktreten wolle. Egal wie auch immer gemeint, eine Zumutung für langjährige, von den Mitgliedern gewählte Vertreter." Zudem sei die neue Besetzung der Ausschüsse Personal und Finanzen "von der Etablierung einer neuen Machtstruktur geprägt" gewesen: "Leute, die gar keine Erfahrung in der Personalführung eines Unternehmens unserer Größenordnung hatten und schon gar nicht in dem Spezialsegment Fußball-Management, agierten plötzlich als Laienspieler und experimentierten mit fristlosen Kündigungen und dem Austausch weiter Teile der Geschäftsleitung." Man versuche ihm, Pering, "die Rolle des aufsässigen, destruktiven Grantlers oder Durchstechers zuzuschieben, der die vermeintliche neue Einheit im Verein stört. Diesen Vorwand möchte ich dem Präsidium gern nehmen."

Präsident Kay Bernstein "ist enttäuscht von diesem Schritt"

Mit seinem Rücktritt bringt Pering den stark abstiegsgefährdeten Klub drei Tage vor der für Sonntag anberaumten ordentlichen Mitgliederversammlung zusätzlich in die Bredouille. Das Hertha-Präsidium, seit Juni 2022 siebenköpfig, hat jetzt nur noch sechs Mitglieder und unterschreitet damit die Mindestanzahl, die in der Vereinssatzung gefordert ist. Damit sind Nachwahlen erforderlich, wie auch das Präsidium in einem am frühen Donnerstagabend vom Klub veröffentlichten Statement erklärte: "Infolge des nunmehr überraschenden Ausscheidens von Ingmar Pering wird die in der Satzung festgelegte Mindestmitgliederzahl im Präsidium erneut unterschritten. Mit Blick auf die satzungsmäßig erforderliche Mindestzahl von sieben Mitgliedern im Präsidium ist nunmehr eine Nachwahl notwendig, um die statuierte Mindestmitgliederzahl im Gremium zu erreichen. In Anbetracht der gegenwärtigen Rahmenbedingungen um Hertha BSC und die Situation im Verein wird das Präsidium die sich daraus ergebende Problematik in der bevorstehenden Mitgliederversammlung am kommenden Sonntag kurzfristig auf die Tagesordnung nehmen, um dort gemeinsam mit den Mitgliedern über die Optionen einer Nachwahl in einer außerordentlichen oder der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung zu diskutieren."

Kay Bernstein

Passt der Rücktritt von Ingmar Pering in der jetzigen Hertha-Lage nicht: Präsident Kay Bernstein. IMAGO/Contrast

Im Klartext: Am Sonntag soll geklärt werden, ob das Präsidium zeitnah in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung oder auf der im vierten Quartal - im November, möglicherweise auch schon im Oktober - folgenden nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung aufgestockt werden soll.

Offen ist zudem noch die Frage, ob lediglich Ersatz für den zurückgetretenen Pering gesucht wird oder ob das zuletzt sieben- und seit Donnerstag sechsköpfige Präsidium auf die maximale Zahl von neun Mitgliedern aufgestockt werden soll. In der Stellungnahme vom Donnerstagabend heißt es zudem: "Der Hertha Berliner Sport-Club (Hertha B.S.C.) e.V. hat mit Bedauern am heutigen Tage die Rücktrittserklärung seines vormaligen Präsidiumsmitglieds Ingmar Pering zur Kenntnis genommen. Präsident Kay Bernstein ist enttäuscht von diesem Schritt insbesondere in der gegenwärtigen Situation, möchte es jedoch nicht versäumen, Ingmar Pering für sein langjähriges Engagement bei Hertha BSC zu danken. Das Präsidium war nach den Wahlen im vergangenen Sommer zuversichtlich, die laufende Legislaturperiode in der von den Mitgliedern auf der Mitgliederversammlung im Juni 2022 gewählten Besetzung gemeinsam erfolgreich zu meistern. Darüber bestand noch bis zuletzt Einigkeit unter allen Mitgliedern des Gremiums."

Nach kicker-Informationen trug sich Pering bereits seit längerer Zeit mit Rücktrittsgedanken und hatte am Dienstag Bernstein über seine Absicht, noch vor der Mitgliederversammlung am Sonntag zurückzutreten, informiert.

Steffen Rohr

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