Bundesliga

Sippel und Wagner: Handspiel-Konfusion auf höchster Ebene

Schiri-Chefs widersprechen sich in ihrer Bewertung komplett

Sippel und Wagner: Handspiel-Konfusion auf höchster Ebene

Eine Szene, die für Verwirrung sorgt: Odilon Kossounou bekommt nach einem Schuss von Jean-Paul Boetius den Ball an die Hand.

Eine Szene, die für Verwirrung sorgt: Odilon Kossounou bekommt nach einem Schuss von Jean-Paul Boetius den Ball an die Hand. picture alliance / contrastphoto

Die Transparenz, mit der Fehlentscheidungen von Bundesligaschiedsrichtern seit einiger Zeit seitens der Beteiligten und des DFB aufgearbeitet werden, ist mit Sicherheit eine Errungenschaft. Für ein besseres Verständnis bei Spielern, Trainern, Fans und Beobachtern, aber auch im Sinne der eigenen Glaubwürdigkeit. Fehler öffentlich klar zu benennen, betonte DFB-Schiri-Lehrwart und Regelexperte Lutz Wagner kürzlich, sei wichtig, damit für die Bewertung künftiger Szenen nicht von falschen Voraussetzungen ausgegangen werde.

Paradebeispiel am vergangenen Spieltag: Das mit Strafstoß geahndete Handspiel von Augsburgs Maximilian Bauer beim 1:0-Sieg in Bremen  - und das nicht gepfiffene Handspiel von Leverkusens Odilon Kossounou beim 2:2 in Berlin. Wie das zusammenpassen soll? Gar nicht, erklärte Wagner am vergangenen Sonntag im Sport-1-Doppelpass. Die Entscheidung von Schiedsrichter Martin Petersen in Bremen war schlicht falsch, Guido Winkmann als VAR hätte eingreifen müssen.  So weit, so nachvollziehbar.

Selbst unkomplizierte Szenen werden nicht einheitlich bewertet

Umso krasser, dass nur gut drei Stunden nach Wagners Erklärung bei der Partie Köln - Union Berlin (0:1) der absurdeste Pfiff des Wochenendes zu bestaunen war. FC-Verteidiger Luca Kilian wurde, bei völlig natürlicher Körperhaltung, mit dem Rücken zum Ball angeköpft. Referee Benjamin Cortus ahndete das mit einem völlig abwegigen Strafstoß und auch noch einer Gelben Karte gegen Kilian.

Warum VAR Markus Schmidt, ein höchst erfahrener Unparteiischer, das stillschweigend geschehen ließ, bleibt ein Rätsel. Oder auch nicht? Als Erklärung drängt sich schließlich immer stärker auf: Den Schiedsrichtern fehlt es schlicht am notwendigen Verständnis - man könnte auch formulieren: an der Qualität - selbst unkomplizierte Szenen einheitlich richtig zu bewerten.

Brand blieb auch nach Ansicht der TV-Bilder von seiner Entscheidung überzeugt

Dabei macht die Verwirrung selbst vor der höchsten Ebene nicht halt. Im Gegenteil: Peter Sippel, Sportlicher Leiter der Erstliga-Schiedsrichter, sorgte am Mittwoch mit seiner schriftlichen "Klarstellung" via DFB-Homepage für endgültig heilloses Durcheinander. Zwar bewertete auch Sippel die Entscheidungen in Bremen und Köln als eindeutig falsch - zugleich aber ebenso jene in Berlin. Bei Kossounou erkannte Sippel, anders als bei Bauer und Kilian, "eine unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche und somit ein strafbares Handspiel".

Das widerspricht nicht nur der Einschätzung von Schiri Benjamin Brand, der bei Ansicht der TV-Bilder nach Abpfiff von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugt blieb. Sippels Einlassung steht auch im diametralen Gegensatz zur Lehrmeinung Lutz Wagners. Der hatte im "Doppelpass" dargelegt, dass Kossounous Handspiel wegen natürlicher Körperhaltung und mangels Absicht zu Recht nicht geahndet worden sei. Auch wenn dadurch unmittelbar vor der Torlinie ein sicherer Treffer für Hertha verhindert worden war. Sippel indes unterstellt sogar eine klare Fehlentscheidung mit der Forderung: "Hier muss der Video-Assistent aufgrund der eindeutigen Bilder eingreifen."

Gegenwind für Fröhlich bei der Managertagung

Spürbaren Gegenwind wegen dieser Szene bei Hertha - Leverkusen hatte übrigens Schiedsrichter Boss Lutz Michael Fröhlich am Montagabend in Berlin im Rahmen der DFL-Managertagung erhalten. Praktisch einhelliges Votum der Klubvertreter: Hertha hätte einen Elfmeter bekommen müssen, schließlich wäre der Ball ohne Kossounous Handspiel zweifelsfrei im Tor gelandet. Das lässt sich im Sinne des Spiels zwar nachvollziehen, darf für die Auslegung des Handspiels nach derzeitigem Stand aber grundsätzlich gar keine Rolle spielen. Eine Lücke im Regelwerk, die man bei nächster Gelegenheit womöglich schließen sollte - was aber ganz gewiss auch wieder neue Diskussionen nach sich zöge.

Thiemo Müller

Wer wie oft Bundesliga-Tabellenführer war