Bundesliga

Schmadtke- und Kohfeldt-Zukunft: Große Wertschätzung, aber …

Wolfsburg-Aufsichtsrat Witter erteilt keine Jobgarantien und spielt auf Zeit

Schmadtke- und Kohfeldt-Zukunft: Große Wertschätzung, aber …

Genießen beide das Vertrauen des Vereins: Florian Kohfeldt (li.) und Jörg Schmadtke.

Genießen beide das Vertrauen des Vereins: Florian Kohfeldt (li.) und Jörg Schmadtke. imago images/regios24

Er hat sich viel Zeit genommen, spricht am Ende weit mehr als eine Stunde über die Situation beim VfL Wolfsburg. Frank Witter, ehemaliger Finanzvorstand bei Volkswagen und weiterhin Chef des VfL-Aufsichtsrats, ist als ehemaliger Zweitligaspieler des OSV Hannover durchaus ein Mann vom Fach. Und dennoch betont er: "Ich habe nicht die Hälfte an Ahnung von Fußball, die Jörg Schmadtke hat." Die Zukunft des Geschäftsführers steht im Mittelpunkt des Gesprächs. Macht der 57-Jährige, der den VfL 2018 als zweimaligen Relegationsteilnehmer übernahm und gemeinsam mit Marcel Schäfer bis in die Champions League führte weiter und verlängert seinen im Sommer auslaufenden Vertrag? Das sagt Witter über …

… die Schmadtke-Zukunft: Es gibt vom Aufsichtsrat weder ein klares Ja noch ein Nein zur Manager-Zukunft, die eigentlich keiner ganz großen Verhandlung bedarf. Hängt er noch ein Jahr dran und verlängert ein weiteres Mal beim VfL oder trennen sich die Wege im Sommer? "Das werden wir sehen", sagt Witter, "wir werden uns in diesem Winter dazu besprechen." Vieles klingt so, als würde der Boss auf Zeit spielen, als hätte die in der Form nicht zu erwartende sportliche Krise einen nicht unerheblichen Einfluss sowohl auf den zeitlichen Ablauf als auch auf die Entscheidungsfindung genommen. Was, so der Trend, aktuell eher gegen eine Weiterbeschäftigung Schmadtkes spräche, der sich gleichzeitig seine Gedanken machen muss. "Die Krise hat die Frage der Prioritäten und des zeitlichen Angangs massiv beeinflusst", bestätigt Witter, der sehr häufig das Wort "Wertschätzung" im Zusammenhang mit dem Manager benutzt, er verweist auf die gemeinsam mit Sportdirektor Marcel Schäfer erarbeiteten sportlichen Erfolge der zurückliegenden dreieinhalb Jahre inklusive einer verbesserten Kostenstruktur und betont, dass der Gesprächsfaden keineswegs abgerissen sei.

Witter unterstreicht aber auch: "Die Erfolge kann man nicht ausblenden, trotzdem treffen wir Entscheidungen für die Zukunft." Die Frage danach könne der 63-Jährige aktuell "nicht final beantworten. Unsere Priorität liegt jetzt ganz klar auf dem Sportlichen, das beschäftigt uns alle Tag und Nacht." Die nächsten Wochen beim in den Abstiegskampf abgestürzten Vorjahresvierten spielen offenbar eine nicht unbedeutende Rolle bei der Zukunftsfrage Schmadtkes. "Wir müssen uns anschauen, wie sich die schwierige Situation entwickelt", erklärt Witter, der zudem weiß: "Auch Jörg Schmadtke macht sich seine Gedanken über seine Lebens- und Zukunftsplanung. Die Situation geht auch an ihm nicht spurlos vorbei, weil nicht alle Ideen aufgegangen sind."

Für den Februar, nach Beendigung der Transferperiode, ist wohl mit einer Entscheidung zu rechnen. "Wir werden in den nächsten Wochen sicherlich einen Knopf dran machen", sagt Witter, "in die eine oder in die andere Richtung." Mehrmals unterstreicht der Aufsichtsratschef: "Es geht um den Verein. Ich habe selten jemanden wie Jörg Schmadtke erlebt, dem das Wohl und Wehe dieses Vereins so am Herzen liegt. Er und seine Familie sind zu 110 Prozent hier angekommen."

"Es ist normal, dass nicht jeder die gleiche Meinung hat"

… den Aufsichtsrat: Im Gespräch mit dem Chef drängt sich der Eindruck auf, als würde Witter durchaus eine Pro-Haltung zu Schmadtke einnehmen, mit der er stärker zweifelnde Kollegen im Gremium überzeugen muss. Entscheidend für die Schmadtke-Zukunft - losgelöst von dessen eigener Entscheidung - wird sein, wie sich das Präsidium (Witter, Hans Dieter Pötsch, Bernd Osterloh) des zehnköpfigen Aufsichtsrats entscheidet. Es klingt durch, dass dort aktuell noch kein Konsens besteht, der aber wohl vonnöten wäre für eine Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers. "Ich glaube", so Witter, "eine solche Entscheidung sollte im Präsidium getragen sein von allen, die dort Verantwortung haben. Eine breite Unterstützung ist die Grundvoraussetzung, um vernünftig und vertrauensvoll zu arbeiten." Es bedarf offenbar auch noch im Präsidium einiger Diskussionen über das Für und Wider einer Fortsetzung der Ära Schmadtke beim VfL. "Es ist normal, dass nicht jeder die gleiche Meinung hat. Es ist wichtig, dass wir ein diverses Gremium haben, dass wir kontrovers diskutieren. Das ist notwendig für ein gesundes Miteinander."

… Sportdirektor Schäfer: Der Ex-Profi des VfL hat seinen Vertrag schon im vergangenen Sommer bis 2025 verlängert. Das logische Vorhaben wäre es, dass er eines Tages in die Fußstapfen Schmadtkes tritt. Womöglich schon in der nächsten Saison? "Die grundsätzliche Idee ist durchaus plausibel, aktuell aber nicht das Thema", erklärt Witter, der auch hier die große Wertschätzung für Schäfer und dessen Vorgesetzten herausstellt. "Dass sich ein Sportdirektor so entwickeln kann, spricht für die Qualität seines Chefs, das zuzulassen. Ihm den Raum zu geben und sein Notizbuch offenzulegen." Schäfer lernt seit dreieinhalb Jahren von Schmadtke, emanzipiert sich, aktuell gehen sie gemeinsam durch ihre erste große Krise. "Es ist bemerkenswert, wie dieses Tandem funktioniert." Eines Tages soll Schäfer endgültig zum VfL-Boss werden, wenngleich auch er eine Mitverantwortung trägt für die aktuelle sportliche Situation. Witter erklärt aber: "Er hat die Kompetenz und eine Entwicklung genommen, bei der man absehen kann, dass er in eine große und verantwortliche Rolle in der sportlichen Leitung wachsen kann."

Für Witter geht es nun einzig um den Klassenerhalt

… die Krise: Angefangen hat alles mit der Trainerentscheidung von Schmadtke und Schäfer. Die Wahl bei der Nachfolge von Oliver Glasner fiel auf Mark van Bommel - ein großes Missverständnis. "Es hat leider nicht gepasst", räumt Witter ein, ohne alles auf den Niederländer abladen zu wollen. "Es hat nicht alles funktioniert, dafür gibt es verschiedene Gründe." Auch die Mannschaft sieht der Aufsichtsrat in der Verantwortung. "Ob jeder Spieler rechtzeitig realisiert hat, dass er in dieser Saison mit der Herausforderung Champions League noch einen Schritt mehr machen muss, ist eine berechtigte Frage." Für Witter geht es in den verbleibenden 15 Saisonspielen (plus einer eventuellen erneuten Relegation) einzig und allein um den Klassenerhalt. "Mir fällt im Moment keine andere Perspektive ein. Wir sollten so schnell wie möglich ins gesicherte Mittelfeld kommen."

Kohfeldt hat Witter "tief beeindruckt"

… Trainer Florian Kohfeldt: Witter schießt beim Ende Oktober verpflichteten Van-Bommel-Nachfolger direkt ein Detail in den Kopf. Der VfL hatte dem 39-Jährigen die Entscheidung überlassen, zu welchem Zeitpunkt er einsteigt. Kohfeldt wählte das Sofort und damit das schwere Auswärtsspiel in Leverkusen. "Jeder weiß, wie wichtig ein Start für einen Trainer ist", sagt Witter, "er ist voll ins Risiko gegangen. Das hat mich tief beeindruckt." Kohfeldt und sein Team gewannen bei Bayer mit 2:0, es folgten direkt zwei weitere Siege in der Champions League (2:1 gegen Salzburg) und der Liga (1:0 gegen Augsburg). Seither jedoch gab es keinen einzigen Erfolg mehr. Parallel dazu wuchsen zwangsläufig die Zweifel daran, dass der VfL mit dem Ex-Werder-Coach die Kurve kriegt.

Witter erlebt Kohfeldt als Mann mit "unglaublich viel Energie, kraftvoll, optimistisch". Doch reicht das, wenn die Punkte ausbleiben? Eine Jobgarantie für den Trainer gibt es auch vom Aufsichtsrat nicht. "Wir wissen alle, dass wir im Ergebnissport sind. Wir müssen die Situation regelmäßig neu bewerten. Erreicht der Trainer die Mannschaft? Glaubt er selber noch daran, vermittelt er diesen Glauben? Ich bin zutiefst überzeugt, dass Florian Kohfeldt die notwendigen Entwicklungsschritte einleiten wird, dass er uns da herausführt. Aber ist das eine Aussage, die auch noch in drei Monaten gilt, wenn wir bis dahin kein Spiel mehr gewonnen haben? Natürlich nicht." Witter positioniert sich klar zu Kohfeldt, und dennoch erscheint es denkbar, dass schon eine klare Niederlage und eine enttäuschende Leistung am Sonntag (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) in Leipzig den VfL zum Handeln zwingen könnte.

… die Transferperiode: Der VfL bastelte am Deal von US-Angreifer Ricardo Pepi, war dem Vernehmen nach bereit, 15 Millionen Euro in den 19-Jährigen zu investieren. Als der Preis weiter anstieg, zogen sich die Niedersachsen aus dem Poker zurück, Pepi wechselte für 16 Millionen nach Augsburg. Geld, so scheint es, wäre also da, um in der Mannschaft einen personellen Impuls zu setzen. "Wir haben großes Vertrauen in unseren Kader, der eine oder andere verletzte Spieler (Xaver Schlager, Lukas Nmecha; Anmerkung der Redaktion) ist in absehbarer Zeit wieder da", sagt Witter, der Neuzugänge nicht ausschließt, aber: "Wir werden nichts tun, was die Mannschaft nicht weiterbringt oder was wirtschaftlich unverhältnismäßig wäre. Diese Linie fahren wir seit der Ära Schmadtke und Schäfer und haben auch nicht vor, sie zu verlassen." Siehe Pepi. "Wir haben ganz klar unsere Grenzen."

Thomas Hiete

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