Motorsport

Robert Kubica im Interview: "Es ist ein Sprung ins tiefe Wasser"

Der einstige Formel-1-Fahrer vor seinem DTM-Debüt

Kubica im Interview: "Es ist ein Sprung ins tiefe Wasser"

Ex-Formel-1-Pilot Robert Kubica startet in der DTM.

Ex-Formel-1-Pilot Robert Kubica startet in der DTM. imago images

kicker: Seit etwa 20 Jahren betreiben Sie Motorsport, ungewöhnlicherweise in vielen verschiedenen Klassen. Was treibt Sie an, Herr Kubica?

Robert Kubica: Motorsport ist meine Leidenschaft, mein Lebensstil. Es sind ja eigentlich noch weit mehr als nur 20 Jahre in diesem Sport. Als Kind war es ein Art Spiel, es ging nur um den Spaß. Dann wurde es ein echtes Hobby, schließlich ein Beruf und reale Arbeit. In dieser Zeit gab es Höhen und Tiefen, da ging es mir wie vermutlich jedem Sportler. Und weil es, wie ich sagte, Leidenschaft und Lebensstil wurde, bin ich ein wirklich glücklicher Mensch, denn ich habe es geschafft, meine Passion zur Arbeit zu machen. Das ist doch das Beste, was du in deinem Leben bekommen kannst.

kicker: Ist die Fortsetzung Ihrer Karriere in der DTM ein Fortschritt, ein nächster Schritt? Wie sehen Sie diese Entwicklung?

"Es ist eine höchst komplizierte Meisterschaft"

Kubica: Zunächst einmal siedle ich die DTM sehr weit oben an, es ist eine höchst komplizierte Meisterschaft. Auch wenn in den letzten Jahren die Zahl an Autos zurückgegangen ist, ist doch die Qualität der Teams, Autos und Fahrer sehr, sehr hoch geblieben. Es ist wirklich eine einzigartige Meisterschaft, eine schwierige. Und für mich als vormaliger Formel-1-Fahrer auch etwas komplett anderes. Die DTM hat ihre ganz eigenen Anforderungen, so wie eben jedes Rennauto, ob Formel 1, Rallye oder DTM, seinen ganz eigenen Stil hat und verlangt. Es ist die Kunst, das Maximum aus deinem Paket herauszuholen. Dass ich jetzt in der DTM gelandet bin, ist gut, denn sie ist höchst angesehen. Nach zwei nicht so guten Jahren in der Formel 1, in denen ich zu kämpfen hatte, ist meine Priorität jetzt wieder richtiges Racing. Ich habe es 2018 zwar zurück in die Formel 1 geschafft, aber nachdem ich nach meinem Unfall so lange weg von meinem eigentlichen Sport war, habe ich auch ziemlich große Anstrengungen unternommen, um dorthin zurückzukehren. Die DTM gibt mir jetzt die wunderbare Gelegenheit, das Racing wieder zu genießen, auch wenn ich weiß, dass es sehr hart werden wird.

Man hat auch in der Vergangenheit schon gesehen, dass ehemalige Formel-1-Fahrer kein leichtes Leben hatten, wenn sie in die DTM kamen.

Robert Kubica

kicker: Wie schwer ist der Umstieg von der Formel 1 in die DTM?

Kubica: Einfach wird es nicht, aber ich bin nun schon lange in diesem Business. Den weitaus größten Teil meiner Karriere habe ich in einsitzigen Autos bestritten, aber so gut wie nie in GT-Autos oder Tourenwagen wie in der DTM, was wirklich ein enormer Unterschied ist. Eine komplett andere Charakteristik, denn Formel-1-Autos liefern extrem hohe Abtriebswerte und enorme Performance, und auch ihre Bauweise ist komplett unterschiedlich. Man hat auch in der Vergangenheit schon gesehen, dass ehemalige Formel-1-Fahrer kein leichtes Leben hatten, wenn sie in die DTM kamen. Das liegt nicht nur daran, dass es so unterschiedlich ist, sondern auch daran, dass die DTM eine so hoch entwickelte Serie ist.

kicker: An den DTM-Testtagen im Juni auf dem Nürburgring konnte man sehen, dass Sie sich rasch gesteigert haben. Was bedeutet Ihnen das?

"Das ist der Preis, den Newcomer zu bezahlen haben"

Kubica: Diese Testfahrten waren ein äußerst wichtiger Bestandteil meiner Vorbereitungen auf den Saisonstart. Es ging darum voranzukommen, das Auto gut kennenzulernen, dazu das Team. Wir sind noch jung als DTM-Mannschaft, echte Necwomer, es war der Anfang eines Lernprozesses. Andererseits kommen wir nun auf andere Rennstrecken mit anderen Bedingungen, es gibt also sehr viel zu entdecken. Das ist der Preis, den Newcomer zu bezahlen haben, wenn sie in eine Meisterschaft einsteigen. Die anderen Teams kennen die Charakteristik der Strecken, die wissen, was sie tun müssen.

kicker: Sie hatten schon in den Jahren 2003 und 2004 Kontakt zur DTM, als die Nachwuchsserie Formel 3, in der neben Ihnen auch Nico Rosberg, Lewis Hamilton oder Timo Glock fuhren, zum Rahmenprogramm der Serie gehörte. Wie haben Sie damals die DTM eingeschätzt?

Kubica: Ich war immer überrascht, wie enthusiastisch die Fans waren. Schon damals war es ein großes Event, die Serie war auf ihrem Höhepunkt. Die Fans, diesen wichtigen Part der DTM, werden wir wegen des Coronavirus jetzt erst einmal vermissen. Sie können sich aktuell leider nicht mitten im Fahrerlager bewegen. Aber jetzt müssen wir erst einmal das Risiko so weit wie möglich senken. Wir haben jetzt einen tollen Kalender, mit dem die Saison beginnen kann. Hoffentlich werden wir dann auch bald wieder die Fans dabeihaben.

kicker: Wie haben die Mitwirkenden in der Formel 1 reagiert, als Sie ihnen sagten, dass Sie in die DTM wechseln werden? Und wie wird die DTM in der Formel 1 gesehen?

"Nur große Herausforderungen verschaffen dir auch große Genugtuung"

Kubica: Ganz ehrlich, da gab es keine große Reaktion, aber ich habe mit denen, die mir im Paddock nahe waren, natürlich gesprochen. Sie sehen die DTM, das kann man auch an den Statistiken erkennen, als eine Serie an, in die einzusteigen sehr schwierig ist, weil sie so hart umkämpft ist. Eine bessere Publicity kannst du gar nicht bekommen, denn es hebt die Schwierigkeiten hervor, die dort auf dich zukommen. Es ist eine echte Herausforderung für mich und mit 35 Jahren als ehemaliger Formel-1-Fahrer auch eine riskante. Es ist ein Sprung ins tiefe Wasser. Aber nur große Herausforderungen verschaffen dir auch große Genugtuung.

kicker: So weit bekannt, haben Sie zu keiner Zeit Ihr Handicap als Entschuldigung wofür auch immer angeführt. Was verrät das über Sie als Person?

"Meine Einschränkungen sind zu meiner Normalität geworden"

Kubica: An dieser Stelle tangieren Sie einen sehr delikaten Punkt, vielleicht nicht mehr ganz so delikat wie noch früher, aber eben auch noch immer kein leichter Punkt. Auch wenn ich glaube, dass ich in den letzten Jahren sehr gut an mir gearbeitet habe, körperlich und auch mental, musste ich lernen, meinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Deshalb denke ich auch nie ernsthaft über meine Einschränkungen nach. Natürlich habe ich gewisse Schwierigkeiten, insbesondere am Anfang war es nicht leicht, sich anzupassen und diese Einschränkungen überhaupt zu akzeptieren. Doch diese Periode ist abgeschlossen, es ist nun schon neun Jahre her, dass ich meinen Unfall hatte. In den ersten beiden Jahren gab es zahlreiche Operationen und viele Reha-Maßnahmen, aber seit sieben Jahren ist mein Zustand stabil - und meine Einschränkungen sind klar und offensichtlich. Tatsächlich ist es so, dass ich mich gar nicht mehr wirklich daran erinnere, wie ich vor dem Unfall war. Das jetzt ist es, wie ich bin. Damit habe ich zu leben. Als Rennfahrer wie als Privatmensch versuche ich, ob ich dasselbe wie vorher auf andere Weise realisieren kann. Ich muss also Wege finden. Am Ende bleibt mir nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren. Meine Einschränkungen sind zu meiner Normalität geworden. So muss man denken, so muss man die Situation annehmen.

kicker: Musste BMW den M4 Turbo DTM speziell auf Sie anpassen?

Kubica: Nur in zwei Punkten, indem ich mit der linken Hand die Gangwechselwippen bediene und der Hebel zum Verstellen der Bremskraft nach links wanderte. Von der physischen Seite her sind DTM-Autos weniger anstrengend zu fahren als etwa Formel-1-Autos, so sind zum Beispiel die G-Kräfte deutlich geringer. Der Körper wird weniger beansprucht. Was ich lernen muss, dass ich - vom Rallyefahren abgesehen - nie unter heißen klimatischen Bedingungen ein geschlossenes Rennauto bewegt habe. Aber die Rennen sind auch kürzer, so dass ich mir vom physischen Standpunkt her gar keine Sorgen mache. Den Fahrstil muss ich nach und nach entdecken, entwickeln und verbessern. Schwierig wird sein, sich von Strecke zu Strecke den Bedingungen anzupassen, wenn man nicht genau weiß, was auf einen zukommt. In der DTM geht es darum, sich sofort auf alles einzustellen, und ein bisschen Glück wird man vielleicht ebenfalls brauchen - beim Abstimmen des Autos mehr als beim Fahren an sich. Was definitiv problematisch sein wird, ist, sich kontinuierlich an neue Bedingungen anzupassen, wenn man nicht wirklich über viel Erfahrung in dieser Meisterschaft verfügt.

kicker: Die polnischen Fans verfolgen Ihren Weg mit ganz besonderer Aufmerksamkeit. Wie groß haben Sie die Gefahr eingeschätzt, dass die Saison komplett abgesagt wird?

Kubica: Niemand konnte diese Bedingungen im Entferntesten erwarten, und ebenso kann niemand absehen, wie lange es dauern wird und wie es sich entwickelt. Glücklicherweise sieht es jetzt nach einer Verbesserung aus, die Restriktionen werden weniger. Aber die Gesundheit hat oberste Priorität. Jeder in der DTM und ITR hat extrem gut gearbeitet, und deshalb hatten wir als erste Rennserie der Welt wieder offizielle Testfahrten. Jede denkbare Vorsichtsmaßnahme wurde ergriffen, um das mögliche Risiko zu minimieren. In den letzten vier, fünf Monaten hat sich jeder gefragt, was wohl wann wieder möglich sein würde, und niemand wusste es genau. Wir hatten wöchentlich, beinahe täglich auf aktuelle Veränderungen zu reagieren. Jetzt dürfen wir alle happy sein, Teil einer Meisterschaft zu sein, die wieder loslegen kann. Und wirklich, eine Menge polnischer Fans hatten sich schon auf ihre Besuche der DTM gefreut. Schade, dass dies im Moment nicht möglich sein wird. Früher oder später wird es klappen, da müssen wir die Daumen drücken.

kicker: Haben Sie die Corona-Pause zu einer Art besonderen Vorbereitung genutzt, zumal Sie neben der DTM mit Ihrer Arbeit als Formel-1-Testfahrer bei Sauber ein Doppelprogramm ausfüllen?

"Ich muss zwei Saisons in einer bestreiten"

Kubica: Dieses Jahr sah so aus, als ob es ein ganz besonders anstrengendes werden würde. Und das wird es auch noch, weil ich zwei Saisons in einer bestreiten muss. In der DTM liegt meine Rennpriorität, hier kann ich wirklich Rennen fahren, hier muss ich versuchen, mein absolut Bestes zu bringen. Auf der anderen Seite bin ich in der Formel 1 noch bei Alfa Romeo unter Vertrag, auch dort ist es nicht leicht, selbst wenn ich dort keine Rennen bestreite. Dort bin ich in die Simulatorarbeit eingebunden, was durch den Shutdown fürs erste auf Stand-by gesetzt werden musste. Jetzt geht auch das wieder los, und es wartet eine sehr verdichtete zweite Jahreshälfte auf mich. Zur komplexen Aufgabe in der DTM kommt also auch eine logistische hinzu. Die Zeit davor habe ich zu Hause in Monaco verbracht, und für einige Monate bin ich immer nur einmal die Woche zum Einkaufen aus dem Haus gegangen. Aber natürlich habe ich versucht, mich gut in Form zu halten. Ich habe Indoor-Cycling gemacht und Simulatorarbeit.

kicker: Sie sind ja auch in der Rallye-WM gefahren. Welche Herausforderung schätzen Sie höher ein - die DTM oder das Geschehen in der WRC?

"Erfahrung ist einfach fundamental, in der WRC genauso wie in der DTM"

Kubica: Als ich 2013 in die WRC einstieg, war dies eine vollkommen neue Kategorie für mich. Da musste ich alles von Null weg erlernen. Meine Formel-1-Erfahrung nutzte mir kein bisschen. Jetzt in die DTM zu kommen, ist davon nicht weit entfernt: komplett andere Kategorie, total unterschiedliche Herangehensweise, schon die Struktur eines Rennwochenendes ist völlig anders. Es bleibt dir keine Zeit, irgendetwas auszutesten. Doch gerade Erfahrung ist einfach fundamental, in der WRC genauso wie in der DTM.

Interview: Stefan Bomhard