Motorsport

Wenn Fußball auf Motorsport trifft: Kuntz und Bernhard im Dialog

Zwei erfolgreiche Sportler im kicker-Doppelinterview

Wenn Fußball auf Motorsport trifft: Kuntz und Bernhard im Dialog

Tiefergelegt: Stefan Kuntz und Timo Bernhard (r.) gehen für das 356er-Cabrio gerne in die Hocke.

Tiefergelegt: Stefan Kuntz und Timo Bernhard (r.) gehen für das 356er-Cabrio gerne in die Hocke. Porsche

Im Doppelinterview mit dem kicker (Montagsausgabe) trifft nicht nur ein Fußball-Bundestrainer auf einen zweimaligen Automobil-Langstrecken-Weltmeister und zweimaligen Le-Mans-Sieger - hier versuchen zwei erfahrene Sportprofis, mehr über die Disziplin ihres Gegenübers zu erfahren. "Müsst ihr im Motorsport ähnlich wie im Fußball - bei der Bundesliga war es wegen der TV-Einnahmen - auch fahren, damit euch die Einnahmen nicht wegbrechen?", will Kuntz (57) von seinem 18 Jahre jüngeren Gesprächspartner wissen.

Auch der muss als Chef eines eigenen Rennteams die Hindernisse umschiffen, die ihm Corona in den Weg gelegt hat: "Wenn wir nicht fahren können oder keine Rennen ausgetragen werden, sind wir durch die fehlende TV-Präsenz letztlich weniger sichtbar. Aus unternehmerischer Sicht ist es wichtig, dass Rennen ausgetragen werden und sich damit die Einnahmen nicht noch weiter reduzieren."

Bernhards spezielles Fußball-Interesse

Für den seinerzeitigen Gymnasiasten in Homburg war Torjäger Stefan Kuntz in den beginnenden 90er Jahren selbstverständlich ein Begriff: "Stefan spielte gerade in Kaiserslautern, da wurden sie Pokalsieger und Meister. Jeder Zweite in der Klasse trug einen FCK-Schal, die waren das Aushängeschild für die gesamte Region", erinnert sich Bernhard, der aber den Ligaalltag nicht zu sehr verfolgte. "Länderspiele und große Turniere schaue ich mir immer schon gerne an, weil mir der Gedanke des Nationalteams einfach gefällt", unterscheidet der heutige Porsche-Markenbotschafter zwischen Bundesliga und Nationalteam.

Blick über den eigenen Tellerrand hinaus

Gesprächsrunde im Porsche-Museum Zuffenhausen: Stefan Kuntz, Timo Bernhard und kicker-Redakteur Stefan Bomhard (v.l.).

Gesprächsrunde im Porsche-Museum Zuffenhausen: Stefan Kuntz, Timo Bernhard und kicker-Redakteur Stefan Bomhard (v.l.). Porsche

Kuntz wiederum hatte stets mehr als Fußball im Sinn, "weil ich schon immer auf andere Sportarten geschaut habe. Auf dem Gymnasium gab es im Winter Handball, Volleyball oder Basketball, dann kam im Sommer die Leichtathletik, bei der Polizei dann auch Jiu Jitsu und durch einen Ausbilder sogar das Thema Marathon."

Als angehender Polizist durchlief Kuntz ein breitgefächertes Sportprogramm, als sich nach und nach etablierender Bundesliga-Torjäger entdeckte er die Formel 1 und Michael Schumacher: "Meistens war am Sonntagvormittag Auslaufen angesagt, mittags dann Formel 1 mit Schumi, festgepresst auf dem Sofa...", erzählt der U21-Coach beim kicker-Termin im Porsche-Museum von Zuffenhausen.

Für den zweimaligen Torschützenkönig der Bundesliga steht es außer Frage, dass Rennfahrer Sportler durch und durch sind: "Mir hat mal jemand Schach beigebracht - auch das ist für mich Sport. Bei Timo kommt das Thema Technik dazu, und er muss körperlich arbeiten. Als ich ihm für die ARD-Sportschau einfach nur hinterhergefahren bin, war ich beim Aussteigen klatschnass. Du brauchst also starke Konzentration, Druckresistenz und mentale Stärke."

Gemeinsamkeiten

Stefan Kuntz und ein Spezial 911er im Porsche-Museum

Den hätte ich als Polizist auch gerne gehabt: Stefan Kuntz und ein Spezial 911er im Porsche-Museum. Stefan Bomhard

Ein weiteres verbindendes Element der beiden ist die Tatsache, dass sie es als Sportler zu absoluten Topresultaten brachten und dennoch vom Superstarstatus verschont blieben. "Ich fand es schon toll", räumt Bernhard ein, "dass ich nach meinen zwei Le-Mans-Siegen auch mal 14 Tage lang auf der Straße erkannt wurde. Aber noch besser war, dass ich nie irgendwo ständig am T-Shirt gezogen wurde. Das brauche ich auch nicht. Im Gegenteil: Nach meinem letzten Le-Mans-Sieg habe ich am Dienstag nach dem Rennen meine Kinder in den Kindergarten gebracht, das erdet."

Und Kuntz führt seine Art, nicht mit letzter Konsequenz ins Licht der Öffentlichkeit geraten zu wollen, auf seine Kindheit zurück. "Das hat vermutlich mehr mit meiner Erziehung zu tun", glaubt Kuntz, "ich kam ja relativ spät in den Profibereich. Meine Mutter hat sich für meine Pläne wenig interessiert, sie hatte ja mit meinem Vater (Günter Kuntz spielte für Borussia Neunkirchen 80-mal in der Bundesliga, die Red.) schon genug erlebt. Aber sie hat darauf geachtet, dass meine Schuhe geputzt sind und meine Tasche gepackt ist - und zwar von mir selbst."

Hingabe zum eigenen Sport

Timo Bernhard

Mein Le-Mans-Pokal: Timo Bernhard, Le-Mans-Gesamtsieger 2010 und 2017. Stefan Bomhard

Völlige Einigkeit herrscht mit Blick auf die Hingabe an ihre jeweiligen Sportarten. Kuntz glaubt: "Du musst das ständige Gefühl haben, besser werden zu wollen und den Sport lieben, damit du etwas zurückbekommst. Für mich das Schönste waren Gespräche mit Fritz Walter, seinem Bruder Ottmar, Horst Eckel oder anfänglich auch Werner Liebrich. Da habe ich erfahren, was Hingabe heißt und diese positive, tiefe Form von Demut. Heute hat dieses Wort einen falschen Klang. Für mich ist Demut etwas äußerst Positives, Fritz Walter etwa war ein demütiger Mensch."

Und Bernhard kann kaum umhin, aus allem ein Rennen zu machen: "Wenn ich in der Schule mit meinen Kumpels Rad fuhr, dann ging das bei mir eigentlich immer auf Zeit, mit einer kleinen Stoppuhr am Lenker. Sich die Dinge zu erarbeiten, setzte sich im Kartsport, als ich dann selbst fahren durfte, fort. Ich habe, wie du, Stefan, auch meine Sachen selbst gepackt, und wenn ich was wissen wollte, dann bin ich auch zu den Älteren gegangen und habe denen zugesehen, wie sie die Kurve nehmen. Die Akribie, mit der man herangeht, und der Wille, sich verbessern zu wollen, das macht die Hingabe aus. Ich will stärker werden, ich will gewinnen."

Zwei starke Köpfe, zwei starke Charaktere, zwei Sportler, bei denen sich das Zuhören lohnt.

Stefan Bomhard