Motorsport

Le Mans lässt Zuschauer zum Rennen zu

Verspäteter 24-Stunden-Klassiker mit Einschränkungen

Le Mans lässt Zuschauer zum Rennen zu

Die 24 Stunden von Le Mans werden  stattfinden. Die Zahl der zugelassenen Zuschauer muss ACO-Präsident Pierre Fillon noch offenlassen.

Die 24 Stunden von Le Mans werden stattfinden. Die Zahl der zugelassenen Zuschauer muss ACO-Präsident Pierre Fillon noch offenlassen. Getty Images

"Wir werden in diesem Jahr keinen Besucherrekord brechen", sagte am Dienstag Pierre Fillon, der Präsident des ausrichtenden Automobile Club de l'Ouest (ACO). Der von Mitte Juni auf den 19./20. September verlegte Langstrecken-Klassiker will aber bei seiner 88. Austragung seit der Gründung im Jahr 1923 auf jeden Fall ein Geisterrennen vermeiden. Deshalb wurde beschlossen, mit Wirkung vom gestrigen Montag den Vorverkauf zu unterbrechen und zum Rennen nur all jene Zuschauer zuzulassen, die bis dahin ein Ticket bestellt und bezahlt haben. Wie hoch die Zahl der betreffenden Fans ist, teilten die Verantwortlichen nicht mit. In der Regel nennt der ACO Jahr um Jahr eine Zuschauerzahl in Höhe von rund 250.000 Personen.

In einer Mitteilung des ACO wird das Vorgehen genauer erläutert: "Teilnahmeberechtigt sind alle Besucher, die ihre Tickets bereits gebucht haben (bis 29. Juni). Der Kartenverkauf wurde bis auf weiteres ausgesetzt, in Erwartung von Regierungsankündigungen und entsprechend der Entwicklung der Covid-19-Pandemie. Unter den gegenwärtigen Umständen wird das 24-Stunden-Rennen von Le Mans seine globale Reichweite nutzen, um die Notwendigkeit von Solidarität und Verantwortung zu unterstreichen, zwei Schlagworte, die die Werte des Langstreckenrennsports und den Teamgeist, der seit 1923 in Le Mans herrscht, verkörpern." Der Passus "in Erwartung von Regierungsankündigungen und entsprechend der Entwicklung der Covid-19-Pandemie" heißt in Klarsprache: Vom Ausschluss auch der bislang berechtigten Zuschauer bis zu einer Aufhebung der verkündeten Einschränkungen ist alles möglich.

"Solidarität und Verantwortung als Kernprinzipien"

Mit Bedauern wird festgehalten, dass "außergewöhnliche Umstände ein außergewöhnliches Ereignis erfordern. Aufgrund der Einschränkungen, die während der Covid-19-Pandemie verhängt wurden, wird auch das Rennprogramm für die diesjährige Veranstaltung gestrafft". Der durchaus dem Pathos gerne zugeneigte ACO verweist zudem auf "Solidarität und Verantwortung als Kernprinzipien für die diesjährige Veranstaltung".

Für Pierre Fillon, den 61-jährigen ACO-Präsidenten und Bruder des am Montag zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilten einstigen französischen Regierungschefs François Fillon (66), sollen "bei den diesjährigen 24 Stunden von Le Mans Solidarität und Verantwortung mehr als nur Worte sein. Diese Prinzipien bilden die Grundlage für eine Veranstaltung, die das Miteinander und die Brüderlichkeit feiern wird", sagt der einstige Augenarzt und verspricht: "Wir werden die Helden der Krise ehren und das Engagement der Mitglieder unseres Klubs, der Freiwilligen, der Teams, der Partner, der Institutionen, der Medien und der Fans würdigen, ohne die dieses Rennen nicht stattfinden könnte und die es bereits zu einem denkwürdigen Ereignis gemacht haben."

Gerade für Le Mans kam die Corona-Krise zur absoluten Unzeit, da in der Top-Klasse der Prototypen (LMP1) mit Toyota nur noch ein einziger Hersteller vertreten ist, was die Lage schon ohne die Pandemie äußerst kritisch werden ließ. Um wieder Vielfalt in den Kampf um den Gesamtsieg einziehen zu lassen, einigte sich der ACO Ende Januar mit der US-amerikanischen IMSA-Serie auf ein gemeinsames technisches Reglement auf deutlich günstigerer finanzieller Basis. Die LMDh (Le-Mans-Daytona-hybrid) genannte Formel soll ab 2022 Hypercars an den Start bringen, die auf der bisherigen zweiten Leistungsklasse (LMP2) fußen.

Von Porsche, das sich Ende 2017 angesichts ausufernder Kosten und gleichzeitig heraufziehender Automobilkrise (Dieselskandal) aus der Top-Klasse zurückzog, heißt es, dass man das neue Reglement mit hohem Interesse verfolge und evaluiere. Der Sportwagenhersteller aus Zuffenhausen gewann vor genau 50 Jahren erstmals den berühmtesten Klassiker des Langstreckensports und entwickelte sich mit 19 Gesamtsiegen innerhalb von 47 Jahren zum Rekordgewinner von Le Mans.

Ungeklärt ist derzeit noch, auf welchen Kanälen die Rennsportanhänger das diesjährige Rennen verfolgen können, sofern sie bis Wochenbeginn keine Tickets erwerben konnten. Dazu, heißt es, "sollen demnächst Einzelheiten bekannt gegeben werden, wie die Millionen von Fans weltweit die 24 Stunden von Le Mans dank Online-Inhalten und Interaktivität erleben können, wo immer sie auch sind". Präsident Fillon jedenfalls sagt in einer Mischung aus Angst und Hoffnung: "Der ganze Zauber des Rennens wird erhalten bleiben, und das Zuschauererlebnis - auf der Rennstrecke oder aus der Ferne - wird Weltklasse bleiben."

Stefan Bomhard