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DTM: So geht's weiter nach der Norisring-Absage

Lokalmatador Wittmann eiskalt erwischt - Auftakt in Spa-Franchorchamps

DTM: So geht's weiter nach der Norisring-Absage

Lokalmatador Marco Wittmann am Norisring.

Lokalmatador Marco Wittmann am Norisring. imago images

Den schwarzen Peter jetzt jedoch allein dem Ausrichter ITR (Internationale Tourenwagen Rennen) zuzuschieben, weil er am Mittwoch (übrigens sehr wohl unter dem Vorbehalt behördlicher Genehmigung) den Saisonstart in Nürnberg verkündete, dem am Donnerstag die Absage seitens der Nürnberger Genehmigungsbehörde folgte, greift vermutlich zu kurz. Manches spricht dafür, dass ITR und DTM-Führung lediglich das tote Verhandlungsrennen zwischen dem lokalen Ausrichter Motorsport Club Nürnberg (MCN) und den Behörden beendeten, indem sie eine neue Nachrichtenlage schufen.

Am heutigen Freitag hat der neue ITR-Geschäftsführer Marcel Mohaupt seine Sichtweise der Dinge verkündet: "Der Beschluss (...) hat uns überrascht. Wir respektieren jedoch die Entscheidung der Stadt Nürnberg. Die Sicherheit aller Beteiligten steht auch für die DTM an oberster Stelle."

Hin- und hergerissen zwischen Tradition und Gesundheitsbewusstsein waren die Nürnberger Organisatoren, die seit 1947 mit enormer Hingabe Jahr für Jahr eine Rennveranstaltung auf die Beine stellen, die in der nationalen Szene als absolutes Highlight gilt. Auch in diesem so besonderen Jahr 2020 hatten die ehrenamtlichen Mitglieder bereits wieder "wahnsinnig viel Zeit" (MCN-Präsident Wolfgang Schlosser) in die umfangreichen Vorbereitungsarbeiten gesteckt. Vergebens, wie man nun weiß.

Doch das kategorische Nein der Entscheider erscheint logisch und nachvollziehbar. Ganz sicher trifft in diesem Zusammenhang der Kommentator der Nürnberger Nachrichten den Punkt, wenn er schreibt: "Einen nicht geringen Teil der Stadt mit Auf- und Abbau für fast eine Woche abzuriegeln, um ein Geisterrennen ohne Zuschauer nur fürs Fernsehen und die Belange der DTM über die Bühne zu bringen, das wäre in der Tat gespenstisch gewesen. Tut man dies auf einem separaten Rennkurs wie dem Lausitzring, dann kann das aus sportlicher Sicht noch Sinn machen. Aber auf einem Stadtkurs, dessen besonderes Flair angeblich gerade durch die Nähe der Zuschauer erzeugt wird, scheint dies doch eher eine Zumutung zu sein."

Die Zukunft der Serie hängt am seidenen Faden

Kalt erwischt von der Absage wurde auch Lokalmatador Marco Wittmann (BMW), der noch am frühen Donnerstagabend bei Instagram sein Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, dass man in diesem Jahr ohne Fans werde auskommen müssen: "Ohne euch wird das Rennen 2020 nicht dasselbe sein", schrieb Wittmann. Zu diesem Zeitpunkt lag die Absage seitens der Stadt Nürnberg bereits seit zwei Stunden vor. Ob es eine Rückkehr für ihn geben wird an jenen Kurs, auf dem er 2018 nach vielen vergeblichen Anläufen endlich sein Heimrennen gewann, was ihm genauso wichtig war wie seine beiden Meistertitel, ist derzeit ungewiss. Denn nach dem fürs Jahresende angekündigten DTM-Ausstieg von Audi hängt die Zukunft der Serie und mit ihr auch die von Wittmann am seidenen Faden. BMW-Sportchef Jens Marquardt nimmt kein Blatt vor den Mund: "Bei aller Vorfreude auf die anstehende Saison gebe ich aber auch offen zu, dass die Rückzugs-Ankündigungen unserer Mitbewerber die Aussichten auf die kommenden Monate und Jahre getrübt haben."

Wie und ob es 2021 eine DTM oder eine annähernd gleichwertige Rennserie geben wird, kann Marquardt derzeit nicht abschätzen. "Es ist nicht an BMW allein, eine Entscheidung zu treffen", sagt er, "es gilt jetzt, sich gemeinsam im Rahmen der ITR-Gremien über die Auswirkungen des Audi-Ausstiegs im Detail klarzuwerden und diese aufzuzeigen. Wenn das geschehen ist, wird man sehen, was das für die DTM, das zugrundeliegende Class-1-Reglement und die Zukunft bedeutet." Nur wenig spricht im Moment für eine Serie mit nach diesem Class-1-Reglement gebauten Prototypen, weshalb die Stimmen lauter werden, künftig mit deutlich günstiger einzusetzenden GT3-Autos einen Neustart anzustreben. Die noch vergangenes Jahr erhoffte Beteiligung der japanischen Super-GT-Serie jedenfalls ist aus Sicht von DTM-Boss Gerhard Berger inzwischen vom Tisch: "Wir müssen das Thema erst einmal bei uns neu denken und dann werden wir sehen, was die nächsten Schritte sein können."

Zunächst aber steht als erstes die Rückkehr auf die Rennstrecke im Programm, die nach der Norisring-Absage nun im belgischen Spa-Francorchamps über die Bühne gehen wird. Nur einmal, im Jahr 2005, gastierte Europas bekannteste Tourenwagenserie auf der Berg-und-Tal-Bahn in den Ardennen. Die Daten von einst - Rennsieger seinerzeit war Mika Häkkinen - haben allenfalls noch musealen Charakter. Die Besonderheit der Wiederaufnahme des Renngeschehens liegt nun darin, dass die DTM-Fahrer und -Teams nach monatelanger Zwangspause an eine ihnen mehr oder weniger unbekannte Strecke kommen und zudem ausgerechnet dort lediglich eine Zweitagesveranstaltung ohne freies Training am Freitag geplant ist. Die Sieger von Spa - so viel lässt sich voraussagen - werden mit einiger Sicherheit die Cleversten im Feld sein.

Als Vorbereitung darauf muss ihnen der viertägige Test kommende Woche auf dem Nürburgring genügen. Den "Staub und Rost" von ihren Rennwagen werden die Piloten übrigens nur auf der 3,629 Kilometer langen Kurzanbindung wegblasen, auf der am 19./20. September der 11. und 12. Lauf der Saison 2020 ausgetragen werden soll. Eine Woche zuvor ist vorgesehen, die 5,148 Kilometer lange Grand-Prix-Strecke zu nutzen.

Stefan Bomhard