Bundesliga

"Im Fall Rashica gilt die Ausstiegsklausel länger"

Jura-Professor über das Verfallsdatum von fixen Ablösen und Kaufoptionen

"Im Fall Rashica gilt die Ausstiegsklausel länger"

Werder Bremens Milot Rashica besitzt eine Ausstiegsklausel. Wie lange ist diese gültig?

Werder Bremens Milot Rashica besitzt eine Ausstiegsklausel. Wie lange ist diese gültig? imago images

kicker: Herr Fischinger, ohne Corona-Pause wäre die Bundesligasaison seit rund drei Wochen beendet. Im Juni verfallen nun etliche der schriftlich fixierten Ausstiegsklauseln von Profis, zumindest laut ursprünglicher Vereinbarung. Müssten aber, da die Saison länger dauert als gedacht, nicht auch diese Klauseln automatisch länger gültig sein?

Philipp Fischinger: Dafür spricht jedenfalls sehr vieles. Vor allem dann, wenn je nach künftiger Ligazugehörigkeit eines Klubs unterschiedliche Vereinbarungen gelten - und diese Ligazugehörigkeit bei Ablauf der ursprünglich vereinbarten Frist noch gar nicht feststeht.

Spielersteckbrief Rashica
Rashica

Rashica Milot

Spielersteckbrief Werner
Werner

Werner Timo

Werder Bremen - Vereinsdaten
Werder Bremen

Gründungsdatum

04.02.1899

Vereinsfarben

Grün-Weiß

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RB Leipzig - Vereinsdaten
RB Leipzig

Gründungsdatum

19.05.2009

Vereinsfarben

Rot-Weiß

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kicker: Ein konkretes Beispiel wäre der Bremer Milot Rashica. Seine Ausstiegsklausel wurde bis 15. Juni fixiert. Im Fall des Klassenerhalts würde er demnach 35 Millionen Euro kosten, bei einem Abstieg dürfte er für 15 Millionen Euro gehen.

Fischinger: In diesem Fall läuft die Klausel meiner Auffassung nach nicht zum vereinbarten Zeitpunkt ab, sondern gilt aufgrund einer sogenannten ergänzenden Vertragsauslegung länger. Denn wenn der Betrag, den ein Interessent auf den Tisch legen muss, um von der Ausstiegsklausel profitieren zu können, von Werders künftiger Ligazugehörigkeit abhängt, dann muss eben dieser Betrag objektiv bestimmbar sein, bevor die Klausel eingreifen kann. Daher kann die Frist nicht ablaufen, bevor der Klassenerhalt oder der Abstieg feststeht.

kicker: Rashica gilt bei RB Leipzig als Kandidat für die Nachfolge von Timo Werner. Dessen 50-Millionen-Euro-Ausstiegsklausel ist ebenfalls bis 15. Juni datiert, aber unabhängig vom sportlichen Ausgang der Saison für Leipzig. Der FC Chelsea will Werner deshalb nun vor Ablauf der Frist verpflichten - hätte er theoretisch auch noch länger Zeit?

Fischinger: Meiner Ansicht nach: Ja. Auch in einem solchen Beispiel könnte eine ergänzende Vertragsauslegung greifen, falls es wirklich zu einem Rechtsstreit käme. Die entscheidende Frage dabei: Was hätten die Vertragsparteien - also hier Leipzig und Werner - vereinbart, wenn sie das spätere Saisonende vorausgesehen hätten? Im Interesse des Spielers wäre es in der Regel ohnehin, nach der Saison möglichst viel Zeit zu haben, einen Wechsel einzufädeln. Aber man könnte durchaus auch ein Klubinteresse an dem späteren Zeitpunkt ableiten. Denn der würde verhindern, dass sich ein Spieler womöglich genau in der entscheidenden Saisonphase intensiv mit einem Vereinswechsel beschäftigt, weil sonst die Frist abläuft. Darunter könnte die Konzentration des Spielers leiden. Allerdings: Wenn Chelsea Werner ohnehin für diese Summe holen will, ist der Verein natürlich gut beraten, es jetzt zu machen und sich gar nicht erst auf eventuelle juristische Schwierigkeiten einzulassen.

kicker: Wie verhält es sich mit Kaufoptionen für Leihspieler? Auch die werden vielfach jetzt fällig - obwohl der potenzielle Käufer unter Umständen noch gar nicht weiß, in welcher Liga er künftig spielt oder ob er etwa einen internationalen Wettbewerb erreicht, also auch sein Transferbudget noch gar nicht kennt?

Fischinger: Unterstellt, es ist deutsches Recht anwendbar, verlängert sich auch in diesem Fall meines Erachtens die Ausübungsfrist für den Entleiherklub im Wege ergänzender Vertragsauslegung. Denn allen Beteiligten ist klar, dass ein Klub erst zu dem Zeitpunkt eine wohlüberlegte Entscheidung über die Ausübung der Option treffen kann, in dem die künftige Ligenzugehörigkeit oder die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb feststeht. Deshalb läuft erst dann die Frist ab.

Es könnte sonst im Einzelfall ein Hauen und Stechen geben.

Philipp Fischinger

kicker: Und wie weit genau würde sich die Gültigkeitsdauer einer Ausstiegsklausel ausdehnen?

Fischinger: Logisch wäre, sich weiterhin am ursprünglichen Abstand zum Saisonende zu orientieren. Zugleich könnte es für die Planungssicherheit des Vereins aber auch entscheidend sein, nicht zu nahe an den Beginn der nächsten Saison heranzukommen. Denn sonst bestünde die Gefahr, dass der Spieler kurz vor der neuen Saison abspringt und dem Verein nicht mehr genügend Zeit bleibt, sich nach Ersatz umzusehen. Wird die Sommerpause kürzer als zunächst gedacht, müsste man also bei der ergänzenden Vertragsauslegung eine goldene Mitte finden. Generell würde ich aber sowieso allen Klubs raten, sich rechtzeitig mit den betreffenden Spielern zusammenzusetzen und sich vertraglich auf einen neuen Termin für das Auslaufen einer Ausstiegsklausel zu einigen. Sonst könnte es im Einzelfall ein Hauen und Stechen geben.

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