Bundesliga

Wenn die Sätze sitzen: DFL-Boss Christian Seifert im Porträt

DFL-Geschäftsführer in der Corona-Krise in neuer Rolle

Wenn die Sätze sitzen: Christian Seifert im Porträt

Die Antworten gibt er alleine: DFL-Geschäftsführer Christian Seifert.

Die Antworten gibt er alleine: DFL-Geschäftsführer Christian Seifert. imago images

Irgendwann, so Seifert im SWR-Interview, habe er es dann doch einsehen müssen. "Dass der liebe Gott einem da Grenzen gesetzt hat. Dass es für die ganz große Karriere nicht reicht." Trotz seiner Teilnahme mit Heimatklub FV Ottersdorf an der südbadischen Meisterschaft, trotz seiner Vielseitigkeit (erst Stürmer, dann Libero), trotz seiner Herkunft aus einer Sportlerfamilie (sein Onkel war Profi in Belgiens zweiter Liga), trotz einer Bestzeit von 11,3 Sekunden auf 100 Metern, trotz vier Treffern an der Torwand im Aktuellen Sportstudio. Nein, Seifert wurde kein Fußball-Profi. Der Profi-Fußball in Deutschland wäre ohne ihn allerdings inzwischen undenkbar.

Doch wie schaffte es der in Rastatt geborene Badener im Jahr 2007 an die Spitze der DFL? Wie gelingt es ihm, dass Granden wie UEFA-Boss Aleksander Ceferin und FIFA-Präsident Gianni Infantino ihn regelmäßig um Rat fragen? Dass er auch als Corona-Krisenmanager eine tadellose Figur abgibt?

287 Prozent Steigerung

Bislang war der smarte Geschäftsmann - in für ihn typischer Manier mit Seitenscheitel, Hemd, Jackett und tiefem Kinngrübchen - öffentlich vor allem als erfolgreicher Verhandlungsstratege bei den alle vier Jahre zu vergebenden Medienrechten in Erscheinung getreten. Seit seinem Wirken fuhr die DFL-Gruppe mehr als zehn Milliarden Euro an Medienerlösen ein, das entspricht einer Steigerung von 287 Prozent, auch weil Seifert die Auslandsvermarktung ankurbelte. Im Jahr 2013 betrug die Steigerungsrate bei der Aushandlung der neuen Fernsehverträge 50 Prozent, 2017 waren es 80 Prozent. Jedes Jahr spielt die Liga 1,4 Milliarden ein.

Mit Franz Beckenbauer oder Günter Netzer unterhalte ich mich ungern über Fußball. Das ist so, als würde ich Steven Spielberg sagen, ich hätte eine Videokamera zuhause.

Christian Seifert

Dass ein Fußball-Fan mit Faible für Finanzen nun an der Spitze der DFL sitzt, klingt irgendwie logisch. Doch der Weg zum DFL-Hauptsitz in Frankfurt am Main, wo er mit seiner Frau und zwei Kindern lebt, verlief nicht schnörkellos.

Seifert legte sein Abitur an einem technischen Gymnasium ab (Hauptfächer Physik und Technik). Noch heute denke er "sehr stark in Prozessen und Strukturen, was mir hilft, in komplexen Situationen den Überblick zu bewahren". An der Universität Essen studierte er Kommunikationswissenschaften, Marketing und Soziologie. Von 1995 bis 1998 stieg er bei der MGM Media Gruppe München zum Leiter Produkt Management auf, war von 1998 bis 2000 bei MTV Networks als Direktor Marketing in Zentraleuropa für Endkunden- und Eventmarketing sowie neue Medien zuständig. Vor seiner Zeit bei der DFL (ab 2005) war er Vorstandsvorsitzender der KarstadtQuelle New Media AG, dort erwarb er unter anderem das damalige DSF und die Merchandisingrechte an der FIFA-WM 2006.

Fragen und Antworten zur DFL-Sitzung am Donnerstag

Doch Seifert kann nicht nur mit Zahlen, er kann auch mit Menschen. Der 50-Jährige vereint, statt zu spalten, ist ein Ruhepol auf dem Podium. Seifert braucht dabei keine Stichwort- oder Flankengeber, er kann alle Fragen selbst beantworten. Und seine Sätze sitzen: "Es mag vor dem Treffen unterschiedliche Sichtweisen gegeben haben", erklärte er nach der außerordentlichen DFL-Mitgliederversammlung im Zeichen der Corona-Krise Mitte März. "Ich gehe davon aus, dass es jetzt nur noch eine ist." Widerspruch? Keiner. Lobende Worte? Jede Menge. Seine unmissverständliche Aussage "Ohne Geisterspiele wird es keine 18 Profiklubs mehr geben" öffnete auch dem letzten Skeptiker in der Branche die Augen.

Typisch für Seifert - der bekennende Gladbach-Fan gilt als ein Mann der klaren Worte, auch im großen kicker-Interview im April 2019 sprach er jede Menge Klartext. Internationale Wettbewerbe am Wochenende? "Dann wäre die rote Linie definitiv überschritten." Änderungen in der Champions League? "Es könnte Entwicklungen geben, die ich nicht akzeptieren kann." Klub-WM? "Es besteht die Gefahr einer Plattform für die Engländer und Spanier." Die Debatte um die Vermarktung? "Solche Doppelmoral schadet allen." Seiferts Worte, sie haben Gewicht. Er ist der "Milliarden-Dealer" (kicker), der "Clint Eastwood der Liga" (Welt), der "Unersetzliche" (FAZ) und seit Corona neuerdings auch schlicht "der Mann, der den deutschen Fußball retten muss" (Süddeutsche).

Auch die Bayern fanden Gefallen an Seifert

Man unterhielt sich: Christian Seifert und Uli Hoeneß.

Man unterhielt sich: Christian Seifert und Uli Hoeneß. imago images

Kompetenz weckt natürlich Begehrlichkeiten - vor allem beim FC Bayern. "Man war sich sympathisch und sicherlich mal in Gesprächen", erzählte Seifert 2015 im Aktuellen Sportstudio. "Aber es hat sich nicht so ergeben, dass ich ein Angebot vor mir hatte, das ich hätte ablehnen müssen." Anfragen gab es auch aus der englischen Premier League und aus US-Sport- und Medienkonzernen.

Doch Seifert blieb bei der DFL, ist nach 15 Jahren deren Gesicht geworden. Ruht da vielleicht sogar zu viel Verantwortung auf einer Person? Ist Seifert in den 15 Jahren Schaffenszeit gar zu einer Art Leviathan, sprich einer übergeordneten und allmächtigen Instanz, geworden? Dagegen sprechen neue starke Namen, die seit August in der DFL sind: Oke Göttlich (FC St. Pauli), Alexander Wehrle (1. FC Köln) und Oliver Leki (SC Freiburg) zum Beispiel. Auch der stellvertretende Präsidiumssprecher Peter Peters (Finanzvorstand bei Schalke 04 und DFB-Vizepräsident) ist keiner, der sich auf der Nase herumtanzen lässt.

Vehemente Kritik an Montagsspielen

Und klar, auch ein Seifert ist nicht unfehlbar und keinesfalls frei von Kritik: Die offizielle Partnerschaft mit dem Wettanbieter Tipico im Januar 2018 wurde nicht nur von der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland mit Argusaugen verfolgt. "Solch ein Sponsoring zu betreiben, ohne Maßnahmen zur Bekämpfung von Spielmanipulationen auszuweiten und offensiv auf die Gefahren der Spielsucht - gerade auch für junge Fußballer - hinzuweisen, steht der von der DFL immer wieder betonten Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung entgegen", hieß es dort. Auch die fanunfreundlichen Anstoßzeiten und die zunehmende Kommerzialisierung in der Ära Seifert sind vielen Fans ein offensichtlicher Dorn im Auge. In Sachen Montagsspiele ruderte man nach heftigen Protesten inzwischen wieder zurück.

"Ja, wir stellen ein Produkt her"

Dass Seifert stets die wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund gestellt hat, kann nun überlebenswichtig werden. Denn die Bundesligisten müssen seit der abrupten Unterbrechung jeden Cent umdrehen, ohne die von Seifert ermöglichten Finanzspritzen aus den vergangenen Jahren wäre vielleicht schon manch ein Bundesligist insolvent gegangen. "Ja", sagte er im März, "wir müssen jetzt zugeben: Wir stellen ein Produkt her. Aber dieses Produkt, das eine Handvoll junger Fußballspieler reich macht, garantiert auch Arbeit und Auskommen für mindestens 56.000 weitere Menschen."

Es war wieder so ein sitzender Satz von Seifert, der Fußball-Deutschland aufhorchen ließ.

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Christoph Laskowski