Eigentlich wäre Timon Pauls jetzt in einer Phase seines Lebens, die gerne als "das beste Fußballeralter" bezeichnet wird. Doch mit seiner aktiven Karriere hat der 27-Jährige schon lange abgeschlossen. Bereits mit 14 stellte er fest, dass ihm das Talent fehlt, um es als Fußballer bis ganz nach oben zu schaffen. Etwa zur gleichen Zeit bemerkte er, dass ihm etwas anderes große Freude bereitet: Talente zu entdecken, zu beobachten und zu trainieren.
Der gebürtige Münchner, der die australische und die slowenische Staatsbürgerschaft besitzt, begann 2008 mit 16 Jahren für die Jugend von 1860 München zu arbeiten. Mit Bus und Bahn fuhr er zu Spielen und spähte nach Talenten. Mit 18 wurde Pauls dann selbst entdeckt, und zwar vom FC Bayern. In der Nachwuchsabteilung des Rekordmeisters durchlief er ab 2010 mehrere Stationen, er war Co-Trainer und Scout, absolvierte auf der Geschäftsstelle ein Freiwilliges Soziales Jahr sowie ein Duales Studium - und hinterließ dank Akribie und schneller Auffassungsgabe bei vielen Entscheidungsträgern Eindruck.
Erster Hinweis zu Davies kam von Pauls
Gefördert von Uli Hoeneß und Hermann Gerland wurde Pauls Anfang 2016 mit nur 23 Jahren Nachwuchs-Chefscout des FC Bayern. Als solcher suchte er Talente für die Teams von der U 9 bis zur U 23 und war an der Verpflichtung einiger Spieler beteiligt, die es bis zu den Profis schafften. Er beobachtete zum Beispiel Joshua Zirkzee mehrere Male in der Jugend von Feyenoord Rotterdam, ehe der Niederländer im Sommer 2017 nach München geholt wurde. Im Dezember desselben Jahres gab Pauls nach einem Nachwuchsturnier in den USA den ersten Hinweis auf Alphonso Davies, den der FCB im Januar 2019 verpflichtete.
Wenig später ergab sich für Pauls selbst die Chance zum nächsten Karriereschritt. Der FC Augsburg suchte einen Nachfolger für den im April 2019 freigestellten Technischen Direktor Stephan Schwarz - und entschied sich für den damals 26 Jahre jungen Münchner, der sich einen Ruf als Nachwuchs-Experte erworben hatte und vor allem über die Talente der Region bestens im Bilde ist.
Neue Herausforderung beim FCA
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Schwarz, der beim FCA sehr nah dran am eigenen Profikader war, hat Pauls als Chefscout und Kaderplaner ein anderes Job-Profil, er soll vor allem unterwegs sein und Spieler sichten. "Wir sind uns sicher, dass er mit seinem Netzwerk und seiner Expertise perfekt zu uns und unserer Philosophie, verstärkt auf eigene Nachwuchsspieler und junge Talente zu setzen, passt", sagte FCA-Manager Stefan Reuter bei der Verpflichtung Ende April 2019.
Die Bilanz des großen Kaderumbruchs beim FC Augsburg im vergangenen Sommer - der ersten Transferperiode, die Pauls mitgestaltete - fällt bislang gemischt aus. Mit Ruben Vargas angelte sich der FCA ein vielversprechendes Talent, das schnell durchstartete und seinen Marktwert in den kommenden Jahren extrem steigern könnte. Andere Neuzugänge wie der Brasilianer Iago oder der Ecuadorianer Carlos Gruezo konnten ihr Potenzial bislang nur andeuten, weil sie lange ausfielen. Torwart Tomas Koubek wiederum kostete sehr viel Geld und enttäuschte viel zu oft.
Für ein abschließendes Urteil ist es freilich noch viel zu früh. Pauls' Aufgabe in Augsburg ist langfristig angelegt. Das beste "Scouting-Alter" dürfte schließlich noch vor ihm liegen.