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Klinsmann-Assistent Friedrich: "Wir wollen größenwahnsinnige Ziele"

Herthas Performance Manager erklärt seine Aufgabe

Klinsmann-Assistent Friedrich: "Wir wollen größenwahnsinnige Ziele"

Arne Friedrich ist bei Hertha Bindeglied zwischen Management und Trainer Jürgen Klinsmann.

Arne Friedrich ist bei Hertha Bindeglied zwischen Management und Trainer Jürgen Klinsmann. imago images

Aus dem Trainingslager von Hertha BSC in Orlando berichtet Jan Reinold

In dieser Woche war ESPN zu Besuch im Trainingslager von Hertha BSC. Als Gast präsentierte der amerikanische Sportsender seinen Zuschauern Arne Friedrich, die "German Legend". So jedenfalls wurde der Ex-Nationalspieler und frühere Hertha-Profi vorgestellt. Zuvor hatte sich Friedrich, den Jürgen Klinsmann auf der neu geschaffenen Position des Performance Manager installierte, den Fragen der nach Orlando mitgereisten deutschen Journalisten gestellt.

Bundesliga - 18. Spieltag
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Bundesliga - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
RB Leipzig RB Leipzig
40
2
Bayern München Bayern München
36
3
Bor. Mönchengladbach Bor. Mönchengladbach
35
Trainersteckbrief Klinsmann
Klinsmann

Klinsmann Jürgen

Hertha BSC - Vereinsdaten
Hertha BSC

Gründungsdatum

25.07.1892

Vereinsfarben

Blau-Weiß

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Dabei sprach Arne Friedrich (40) über:

... Jürgen Klinsmann und die Vorgeschichte seines Engagements bei Hertha BSC:

"Das ist ein unglaublich spannendes Projekt, natürlich angeführt von Jürgen Klinsmann, der eine sehr große Inspiration und auch eine Strahlkraft in den Verein bringt. Ich habe in den vergangenen Jahren aufgrund meines zweiten Wohnsitzes in Amerika sehr viel Kontakt mit ihm gehalten, wir haben uns oft ausgetauscht - über Fußball, aber auch über andere Dinge. Es ging dabei oft um das Thema Benchmarking. Dieser Begriff, Vergleichspunkte zu schaffen, hat uns sehr, sehr interessiert. Ich bin sehr offen, was in anderen Ländern, anderen Mannschaften oder anderen Sportarten getan wird, um die maximale Leistung aus Spielern oder einer Organisation herauszuholen. Jürgen arbeitet seit vielen Jahren mit unterschiedlichsten Leuten zusammen. Er hat 2006 unser schönes Sommermärchen kreiert und dabei viele Dinge auf den Kopf gestellt. Das war der Auftakt zu meiner Aufgabe bei Hertha BSC."

... seine Aufgaben als Performance Manager, die Friedrich in drei Bereiche teilt:

"Es ist eine Aufgabe, die sehr viel Spaß macht, die sehr komplex ist. Zum einen geht es darum, ein gewisses Benchmark-System aufzubauen. Das habe ich in den vergangenen Wochen gemacht. Da geht es zum einen um die Spieler - im athletischen, fußballerischen und medizinischen, aber auch im persönlichen Bereich. Wir wollen schauen: Wie ist der Status quo bei jedem einzelnen? Dafür haben wir ein Farbensystem eingeführt - grün, rot und gelb. Damit können wir den jetzigen Status festhalten. Genauso schaue ich in der gesamten Organisation, wo man Dinge verbessern kann. In der Ernährung haben wir zum Beispiel ein paar Ansätze gefunden."

"Dann schaue ich jeden einzelnen Spieler an, durchleuchte ihn und gucke, wo Leistungspotenziale stecken, die man fordern und fördern kann. Da gibt es unterschiedliche Ansätze. Einer ist, die intrinsische Motivation jedes einzelnen Spielers zu überprüfen. Jeder Spieler ist unterschiedlich, jeder Spieler braucht unterschiedliche Dinge. Der eine muss mehr gereizt und gefordert werden, der andere braucht vielleicht etwas anderes. Das ist das, was ich hier im Trainingslager in erster Linie mache. Ich führe Spielergespräche, schaue, wo sie stehen, und helfe ihnen auch dabei, ihre persönlichen Ziele anzugehen oder überhaupt ein bisschen zu reflektieren."

"Das Dritte ist: Ich bin Bindeglied zwischen Management und Trainer. Ich stehe den Trainern in allen Fragen zur Seite, habe teilweise auch schon auf dem Platz mitgearbeitet, zum Beispiel vor dem Frankfurt-Spiel, als es darum ging, das Vertikalspiel der Verteidiger zu verbessern. (...) Bei Transfers sind in erster Linie Michael Preetz, Ingo Schiller und Jürgen Klinsmann die Entscheidungsträger. Ich war auch bei solchen Gesprächen dabei und habe Rat und Tat einfließen lassen, aber ich entscheide natürlich nicht."

... seinen Zweitwohnsitz in Los Angeles, Kontakte zu US-Sportlern und andere Einflüsse auf seine Arbeit:

"Ich habe in den vergangenen Jahren sehr viele Dinge unternommen, sehr viel versucht zu lernen in den unterschiedlichsten Bereichen. Ich habe mich mit verschiedensten Sportlern unterhalten, Steve Nash (ehemaliger NBA-Profi, d. Red.) ist ein Freund, mit dem ich mich sehr häufig ausgetauscht habe, aber auch im Bereich von Baseball und in ganz anderen Bereichen. Wie machen es Elitesoldaten in Amerika? Ich habe sehr viele Kontakte in Amerika, auch im Bereich der MLS. Ich habe ja auch in Chicago gespielt, aber auch in L.A. einen großen Freundeskreis aufgebaut, auch zu ehemaligen und aktiven Weltklassesportlern. Mich interessieren auch andere Dinge, insbesondere was die Navy Seals und die Marine Raiders (US-Spezialeinheiten, d. Red.) angeht. Ich bin jemand, der sehr gerne netzwerkt, der sehr gerne lernt, der auch Erfahrungen weitergibt. In L.A. ist das nun mal so, dass dort jeder sehr, sehr offen ist, man sich mit Informationen austauscht und sich auch freut, wenn man debattieren und auch voneinander lernen kann."

... seine Zeit nach der Karriere als Profi:

"Zunächst einmal wollte ich schauen, wie sich Trainer fühlen. Ich habe bis zur A-Lizenz meine Scheine gemacht. Ich habe ein Jahr als Assistenztrainer bei der U 18 des DFB gearbeitet. Ich habe meine eigene Stiftung gegründet. Ich habe mal ein Jahr einen Ausflug in den Marketingbereich gemacht. Ich arbeite oder habe bis zuletzt im TV-Bereich gearbeitet, in Amerika für Fox Sports, aber auch langfristig mit chinesischen Medienvertretern. Dann habe ich einen Podcast auf den Weg gebracht, allerdings auf Englisch, weil meine Gäste nun mal Amerikaner sind. Ich habe sehr, sehr viel ausprobiert. Ich bin auch jemand, der sehr gerne mal etwas tut, was im ersten Moment vielleicht nicht so viel Spaß macht. Ich glaube, dass man sich dann entwickelt, wenn man Dinge tut, mit denen man sich nicht so richtig wohlfühlt."

... die Aufbruchstimmung bei Hertha seit dem Einstieg von Investor Lars Windhorst und der Amtsübernahme von Jürgen Klinsmann, aber auch die Skepsis und den Vorwurf des Größenwahns, der in sozialen Medien kursiert:

"Das finde ich eigentlich schön. Wir wollen uns größenwahnsinnige Ziele stecken. Wir wollen hoch hinaus. Das kann man nur, wenn man sich hohe Ziele setzt."

... Einblicke in das Training von US-Spezialeinheiten:

"Ein sehr guter Freund ist ein Marine Raider, das ist so was Ähnliches wie ein Navy Seal, nur bei den Marines. Er hat zwei Startups gegründet, Unterwasser-Workouts. Das eine ist ein Unterwasser-Spiel, das heißt Underwater Torpedo League, das geht unter Wasser auf zwei Tore, fünf gegen fünf mit einem kleinen Torpedo. Als Vorbereitung darauf gibt es ein anderes Workout unter Wasser, bei dem ich mitgemacht habe. Da wird mit Hanteln unter Wasser gearbeitet, da werden auch Ängste adressiert, weil nicht jeder gerne unter Wasser ist, wenn er keine Luft holen kann. Das ist unfassbar interessant. Die Jungs sind knallhart. Es ist unfassbar, wie deren Fokus ist. Davon können wir eine Menge lernen."

... mögliche Ansätze aus solchen Erfahrungen für die Arbeit bei Hertha BSC:

"Ich habe schon mit Werner Leuthard (Herthas neuer Fitnesstrainer, der Offizier bei der Bundeswehr war, d. Red.) gesprochen, ob das auch eine Geschichte ist, die man vielleicht mit reinbringen kann. Das sind verschiedene Dinge, die Spaß machen, die aber auch was bringen, die den Teamgeist fördern. Ich bringe Inspirationen mit rein, am Ende müssen die Trainer entscheiden, inwieweit man das einfügt oder nicht."

... seine Zukunft und einen Verbleib über das Saisonende hinaus:

"Die Frage kann ich jetzt noch nicht beantworten. Ich muss auch schauen, wie meine persönliche Situation weitergeht, ob ich irgendwann überlege, meinen Lebensmittelpunkt in den USA zu haben oder nicht, was auch ein großer Punkt ist. Dann schauen wir einfach mal."

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