Bundesliga

Freiburgs Trainer Christian Streich: "... dann sind wir keine so schlechte Mannschaft"

Freiburg: Die Gründe für den aktuellen Erfolg

Streich: "... dann sind wir keine so schlechte Mannschaft"

Seine Jungs feiern, er ist zufrieden: Christian Streich.

Seine Jungs feiern, er ist zufrieden: Christian Streich. imago images

Es kommt nicht oft vor, dass Streich vor Freude über die Leistung seiner Mannschaft aus dem Häuschen ist. Nach dem nicht nur aus seiner Sicht "hochverdienten" 2:2 gegen Dortmund war das jedoch der Fall. Er habe eine "herausragende zweite Halbzeit" gesehen und sei "ehrlich gesagt begeistert", berichtete der 54-Jährige im Anschluss an die Partie.

Wie ist es möglich, dass der im Ligavergleich nach wie vor zu den kleineren Finanzlichtern gehörende Sport-Club - aktuell haben wohl nur Paderborn, Union Berlin, Düsseldorf und Augsburg einen geringen Personalaufwand - dem Champions-League-Verein aus Dortmund in einem Spiel leistungsmäßig auf Augenhöhe begegnet und nach sieben Spieltagen mit 14 Zählern zur Spitzengruppe zählt? Diese Frage stellen sich derzeit viele Beobachter.

Zuallererst ist hier die Kontinuität zu nennen. Die ist in Freiburg eine der obersten Handlungsprinzipien, wird in vielen Geschäftsfeldern im Klub seit Jahren und gar Jahrzehnten gelebt, nur im Profisektor mussten die Breisgauer fast immer einen oder mehrere Leistungsträger ziehen lassen. Diese Sommer war das anders. Alle Säulen - inklusive U-21-EM-Torschützenkönig und Neu-Nationalspieler Luca Waldschmidt - blieben an Bord. Zusätzlich erhöhen die Rückkehrer Jonathan Schmid und Vincenzo Grifo, die kaum Eingewöhnungszeit benötigten, spürbar die Qualität im Kreis der eingespielten Stammkräfte. Zudem verfügt der Kader durch eigene Spielerweiterentwicklung (vor allem Günter, Höler, Waldschmidt und Nico Schlotterbeck), stabile Säulen (wie Keeper Schwolow, Höfler, Haberer, Heintz, Frantz oder Petersen), wiedergenesene Langzeitverletzte (z. B. Koch, Lienhart und Borrello) sowie weitere externe Verstärkungen über deutlich mehr bundesligataugliche Variationsmöglichkeiten in der Breite. All das schlägt sich gerade positiv auf dem Rasen nieder.

Wenn die Jungs in der Lage sind, weiter so demütig zu sein, dem anderen etwas zu gönnen und trotzdem alles zu investieren, dann sind wir keine so schlechte Mannschaft.

Christian Streich

Für Streich gibt es neben diese Faktoren aber einen ganz bestimmten Schlüsselfaktor, der dem aktuellen Erfolg zugrunde liegt: der wertschätzende und respektvolle Umgang im für SC-Verhältnisse großen und derzeit weitgehend verletzungsfreien 29-Mann-Kader, der naturgemäß Enttäuschungen für einige Nicht-Berücksichtigte mit sich bringt. "Die Akzeptanz und die Demut dem anderen gegenüber, der spielt, weil er so gute Trainingsleistungen zeigt, ist die Basis für alles bei uns", findet Streich. So habe etwa Identifikationsfigur und Sturmleader Nils Petersen sein erstes Ersatzbankmandat dieser Saison gegen den BVB ohne Murren hingenommen, auf die frühzeitige Info laut Streich seitdem mit Top-Trainingsleistungen reagiert.

"Wenn die Jungs in der Lage sind, weiter so demütig zu sein, dem anderen etwas zu gönnen und trotzdem alles zu investieren, dann sind wir keine so schlechte Mannschaft", sagt Streich und betont: "Aber nur dann." Derzeit gelinge dieser Umgang, "weil wir sozial intelligente und emphatische Spieler haben", erklärt Streich: "Das gehört dazu, besonders bei uns in Freiburg", und unterstreicht nochmals seine Einschätzung: "Wenn es so bleibt, was man nie weiß, weil es schnell kippen kann, sind wir konkurrenzfähig in der Bundesliga."

Stimmung wird nicht kippen

Das hat der SC bisher eindrucksvoll bewiesen. Ob und wie lange er sich an der erweiterten Tabellenspitze halten kann, steht freilich auf einem anderen Blatt. Dort kann Freiburg auch irgendwann rausrutschen, ohne selbst viel falsch zu machen. wenn eben die qualitativ besser besetzten Mannschaften auch ihr Potenzial so ausschöpfen, wie es bislang die Breisgauer geschafft haben. An eines glaubt Streich übrigens trotz seiner Mahnungen und Warnungen nicht: Dass die Stimmung innerhalb seines Kaders kippen wird.

Carsten Schröter-Lorenz