Bundesliga

Streitpunkt Videobeweis: "Auch für Schiedsrichter manchmal Neuland"

Projektleiter Dr. Jochen Drees und Ansgar Schwenken äußern sich

Streitpunkt Videobeweis: "Auch für Schiedsrichter manchmal Neuland"

Ist und bleibt in aller Munde: der Videobeweis, der Video Assist, der VAR.

Ist und bleibt in aller Munde: der Videobeweis, der Video Assist, der VAR. imago images

In vergangenen Spieljahr gingen die Streitigkeiten in Sachen Videobeweis pünktlich beim Eröffnungsspiel zwischen Bayern München und der TSG 1899 Hoffenheim los. Nachdem Franck Ribery über den am Boden liegenden Havard Nordtveit gesprungen und zu Fall gekommen war, entschied Schiedsrichter Bastian Dankert auf Strafstoß. Video-Assistent Sascha Stegemann griff nicht ein. Ganz Deutschland stritt über die Berechtigung dieser Entscheidung - und über einige weitere Pfiffe in den folgenden Partien des ersten Spieltags.

"Der Elfmeter war keiner. Ich weiß nicht, warum er nicht überprüft wurde. Ich weiß auch nicht, wo die Videoassistenten da gerade waren, anscheinend waren sie nicht am Platz", hatte TSG-Trainer Julian Nagelsmann geschimpft.

Der neueste Fall: Kimmich steigt Sancho auf den Fuß

Ein Jahr darauf begann der Unmut über den Videobeweis sogar schon zwei Wochen vor Saisonstart. Beim Supercup in Dortmund zwischen den Bayern und der Borussia stieg Joshua Kimmich vehement BVB-Spieler Jadon Sancho auf den Fuß. Schiedsrichter Daniel Siebert gab Gelb, Video-Assistent Robert Schröder meldete sich, eine Korrektur der Entscheidung fand aber nicht statt. Die Attacke des Nationalspielers hätte zwingend Rot erfordert, so die einhellige Meinung. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc forderte zwar regeltechnisch korrekt, aber dennoch einigermaßen überzogen: "Der Ball war im Aus, das Spiel war unterbrochen. Dann war es eine Tätlichkeit. Es kann keine andere Entscheidung als Rot geben. In dem Moment, indem das mit Gelb bewertet wird, braucht man den Videoschiedsrichter nicht."

Projektleiter Dr. Jochen Drees spricht

Dr. Jochen Drees

Projektleiter Videobeweis beim DFB: Dr. Jochen Drees. imago images

Dr. Jochen Drees, Projektleiter Videobeweis beim DFB, bestätigt den Fehler: "Der Prozess der Entscheidungsfindung und die regeltechnische Folge waren nicht richtig." Und daher arbeitet er weiter daran, so lautet ein Ergebnis zweier Workshops von Vertretern der Unparteiischen mit sportlich Verantwortlichen der Klubs und Journalisten am Montag im Videocenter in Köln, dass seine Leute mit der neuen Technik noch besser in Einklang kommen: "Auch für die Schiedsrichter ist der Videobeweis manchmal noch Neuland."

Auch zu Beginn des dritten Jahres treten immer mal wieder Situationen auf, für die noch Erfahrungswerte fehlen und die deshalb zu negativen Erlebnissen führen. Die nackten Zahlen sprechen ohnehin für den VAR. Drees präsentierte sie: In der Saison 2018/19 wurden durch ihn 82 Fehlentscheidungen verhindert, zehnmal fehlte eine Intervention des Video-Assistenten nach Meinung der DFB-Oberen, zweimal führte ein Einspruch aus Köln zu einer Fehlentscheidung.

Auch auf technischer Seite wird weiter daran gearbeitet, den Videobeweis zu optimieren. Ansgar Schwenken, Direktor für Fußball-Angelegenheiten und Fans bei der DFL, versprach bei den Workshops eine deutliche Verbesserung der Transparenz, besonders für die TV-Sender. Diese bekommen jetzt die Bilder zur Verfügung gestellt, die der Schiedsrichter auf seinem Monitor in der Review Area betrachtet. Auch die Dialoge zwischen ihm und seinem Assistenten bekommt der Regisseur im Ü-Wagen zu hören - und er kann entscheiden, welches Material er den Zuschauern vor den TV-Geräten zur Verfügung stellt. Über allem steht, Drees betonte dies mehrfach: "Die Entscheidung trifft immer der Schiedsrichter auf dem Platz."

Fans stehen weiterhin im Dunkeln

Den Fans in den Bundesliga-Stadien werden auch in Zukunft, im Gegensatz zur WM 2018, keine weitergehenden Informationen übermittelt als die derzeit schon üblichen Textbausteine, die lediglich die Basics erklären. Das hat zwei Gründe.

Schwenken: "Im Gegensatz zur WM haben wir keinen direkten Zugriff auf die Leinwände in den Arenen, dieser obliegt den Klubs und der jeweiligen Stadionregie. Und in den Stadien herrschen, besonders jetzt nach der Einführung des Videobeweises auch in der 2. Liga, stark unterschiedliche Voraussetzungen. Bei der WM waren alle Stadien auf dem höchsten Standard. Deswegen waren wir und die überwiegende Mehrzahl der Vereine gegen Bewegtbilder in den Arenen."

Dennoch hofft er, dass die Transparenz des Verfahrens und damit auch die Akzeptanz des Videobeweises in der Öffentlichkeit in dieser Saison weiter steigen wird. Vielleicht dauert es ja dann in dessen viertem Jahr auch etwas länger, bis er zu Saisonbeginn ins Gerede kommt.

Frank Lußem/Thomas Roth