Bundesliga

"Gib mir dein Geld! Wir wissen schon, was wir damit machen"

Finanzberater Martin Wolf über Investoren, 50+1 und Fan-Anleihen

"Gib mir dein Geld! Wir wissen schon, was wir damit machen"

Hertha BSC verkauft zunächst 37,5 Prozent seiner Anteile an Lars Windhorsts Beteiligungsgesellschaft "Tennor".

Hertha BSC verkauft zunächst 37,5 Prozent seiner Anteile an Lars Windhorsts Beteiligungsgesellschaft "Tennor". imago images

Längst ist das Megabusiness Fußball eine Spielwiese für Investoren geworden, egal ob Staatsfonds wie QSI, Private-Equity-Unternehmen wie KKR oder Privatiers wie Roman Abramovich. Kleinanleger dagegen sollten die gesamte Bandbreite der Sportindustrie betrachten, sagt Martin Wolf. Der Mann mit argentinischen Wurzeln, einst im Profikader von River Plate, hat für renommierte Bankhäuser wie M. M. Warburg und Metzler gearbeitet. Seit 2009 berät er mit seiner Sports Advisory GmbH Fonds, Banken und Klubs in Finanzierungsfragen. Ein Gespräch über Geld, 50+1 und die Zusammenstellung eines Kaders wie ein Aktienportfolio.

Herr Wolf, Julian Nagelsmann sagte jüngst im kicker zum Thema 50+1: "Da müssen die Traditionalisten umdenken. Es gibt den schönen Spruch: Tradition ist wie eine Laterne. Den Intelligenten leuchtet sie den Weg, die Dummen klammern sich an sie." Hat der künftige Trainer von RB Leipzig recht mit der Aussage, die impliziert, dass 50+1 ein Standortnachteil für die Bundesliga ist?
Das ist komplex, weil Deutschland kein Land der Investmentkultur, sondern eines der Ingenieure ist. Insofern gibt es gerade gegenüber Investoren Unterschiede zu anderen Ländern. Bei Traditionsklubs wie dem HSV oder dem VfB Stuttgart lag es aber nie am Geld, sondern dass damit nicht vernünftig umgegangen wurde. Man muss vor allem die Managementqualität bewerten. Julian Nagelsmann kennt nur das Modell Hoffenheim mit einem Ansprechpartner, der aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten über alles entscheiden kann. Daher ist es kein Zufall, dass er zu RB Leipzig geht, wo ähnliche Voraussetzungen auf höherem Niveau bestehen.

Aber sind die Traditionalisten wirklich "die Dummen"?
Das ist nicht klar zu beantworten, Real Madrid und der FC Barcelona sind ja rein mitgliedergeführt und sehr erfolgreich. International gesehen verfügt die Premier League über die professionellsten Strukturen, auch durch die globale Expansion, wodurch sie ein höheres Niveau als die Bundesliga erreicht hat.

Sie sprachen Traditionsklubs an. Wie ist es zu erklären, dass zum Beispiel Mainz 05 oder der SC Freiburg solchen Tankern den Rang ablaufen?
Da sind kurz gehaltene Entscheidungswege ein Erfolgsfaktor.

Die bei Investorenmodellen - Stichwort Mitbestimmung - ja nicht der Fall wären...
Nehmen Sie das Beispiel Hertha, wo der Finanzinvestor KKR auch im Aufsichtsrat vertreten war, sich aber nie in Sportliches einmischte, obgleich KKR eines der größten Private-Equity-Unternehmen der Welt ist und in anderen Branchen bei Beteiligungen oft auch in das operative Management eingreift. Für KKR war Hertha ein zeitlich begrenztes und wahrscheinlich auch lukratives Investment. Die Frage nach der Einmischung muss von Vereinsseite betrachtet werden: Welches Management gibt denn gerne von seiner Macht einen Teil ab? Der Anspruch, strategische Partner zu finden, die sich nicht ins Sportliche einmischen dürfen, ist insgesamt aber absurd.

Frei nach dem Motto: Wer Geld gibt, darf mitbestimmen?
Ein Investor, der sich mit einem großen Betrag beteiligt, wird immer den Anspruch haben, bis zu einem gewissen Grad mitbestimmen zu dürfen. Es gibt in der Bundesliga eine sehr einsame Definition des Begriffs strategischer Investor.

Wie lautet diese?
Gib mir dein Geld, wir wissen schon, was wir damit machen. Meist kommt das von Vereinen, die in den letzten Jahren gerade das nicht bewiesen haben. Aber es gibt auch positive Beispiele in der Bundesliga.

Wen?
Eintracht Frankfurt, wo ein Investor wie die "Freunde des Adlers" strategisches Know-how mitbringt und sich der Verein nach dem Weggang von Heribert Bruchhagen strukturell neu aufgestellt hat. Ein Investor kann also sehr wohl Input im nicht-sportlichen Bereich bringen, Prozesse optimieren und Kosten kontrollieren. Und jetzt kommen wir zum Wesentlichen: Meiner Meinung nach geben die Vereine für neue Spieler einfach zu viel Geld aus.

Wie meinen Sie das?
Im Anlagebereich gibt es klar definierte Strukturen, etwa den Chief Investment Officer, Portfoliomanager, Analysten, die unter klaren Parametern Investments suchen. Vereine sollten die Zusammenstellung einer Mannschaft genau wie die Zusammenstellung eines Portfolios betrachten. Wenn man dies optimiert, ginge es manchen Vereinen viel besser. Ich muss nicht immer den Zwölf-Millionen-Mann aus Südamerika holen, wenn es in der eigenen Jugend einen zum Nulltarif gibt. Es ist gut, dass Scoutingabteilungen in den letzten Jahren ein größeres Gewicht erhalten und hier professionelle Strukturen geschaffen werden.

Aber ist das Thema Transfer nicht auch enorm beratergetrieben?
Idealerweise würde man einen Prozess schaffen, der den Nucleus Trainer-Manager-Spielerberater durchbricht und bei dem ein Verein durch Daten und gutes Scouting Zugang zu einer Plattform von Spielern hat, um den Spieler zu erhalten, der mit den vorhandenen Mitteln eingekauft werden kann. Bestenfalls werden Spieler wie Aktien in einem Portfolio bewertet nach Kennziffern, die analog dem Kurs-Gewinn-Verhältnis und anderen entsprechen.

Das klingt ziemlich utopisch...
Über Hoffenheim und Leipzig ist bekannt, dass diese Vereine über eine Unmenge von Daten zu Spielern auf der ganzen Welt verfügen, auch von Jugendspielern.

Wie groß ist eigentlich der Markt von Finanzinvestoren im deutschen Fußball?
Wahnsinnig klein. Im Vergleich zum Gegenwert der Klubs, da kommen wir sicher in der Bundesliga auf fünf bis sechs Milliarden Euro, sind geschätzte ca. 500 Millionen Euro an Investments gering.

Wobei wir hier von Anteilen reden. Bei Krediten sieht es anders aus. Warum eigentlich, wenn doch der Fußball boomt?
Es gibt einen ständigen Finanzierungsbedarf. Die Vereine müssen immer voll in den Kader investieren, dieser Druck führt zu einer Art Wettrüsten.

Also ist der Fußball doch eher eine Geldfressmaschine. Warum soll er denn dann ein gutes Investment sein?
Weil sich gerade die Umsätze in den letzten Jahren überproportional zur Gesamtwirtschaft entwickelt haben. In der Bundesliga hatten wir in den letzten Jahren ein Wachstum von neun Prozent per annum, das BIP wuchs im Vergleichszeitraum nur zwei bis drei Prozent. Darüber hinaus sind die Vereine noch nicht darangehalten, Gewinne zu erzielen, sondern können über den e.-V.-Charakter am Jahresende guten Gewissens eine Null schreiben. Investoren können Vereine durch Zurverfügungstellung von Kapital optimieren, um eine Verbesserung des Cash-Flows zu erreichen. Zum Beispiel für den Rückkauf von Vermarktungsrechten oder für die Kaderoptimierung. Viele Vereine verfügen zudem über einen Markenwert, der in der Regel mit dem Wert der Vereine steigt. Im Worst Case verliert er aber seinen Wert nicht, selbst im Falle eines Absturzes bleiben die meisten zumindest regional relevant, was insbesondere für Traditionsvereine gilt.

Finanziell boomt der Fußball vor allem wegen der teuren Medienrechte. Welche Rolle spielen die großen Internetkonzerne Facebook, Google, Amazon in Zukunft?
Ich bin davon überzeugt, dass die Preise für TV- und Streaming-Rechte weiter ansteigen werden, denn diese Medienunternehmen haben eine riesige Plattform, aber keinen eigenen Inhalt. Daher werden sie sich Premium-Livesport-Events weiter teuer einkaufen müssen. Letztendlich ist Free-TV tot. Auch die Werbebranche braucht diese Inhalte, weil es die einzige Möglichkeit ist, bestimmte Generationen live am Bildschirm zu erreichen.

Immer wieder legen Klubs Fan-Anleihen auf. Was halten Sie davon?
Ich glaube, dass Fan-Anleihen eine emotionale Investmententscheidung sind. Einem Fan kann ich dann nur empfehlen, vor lauter Liebe zum Verein nicht zu vergessen, den Zinskupon auch rechtzeitig einzureichen. Denn ich bezweifle, dass ein Fan den entsprechenden Wertpapierprospekt gelesen hat.

Ist Fußball als Investment auch etwas für Kleinanleger?
Nur bedingt. Es gilt, den gesamten Komplex der Sportindustrie zu betrachten, etwa auch den Markt der Sportausrüster. Aktien von Adidas und Nike, die im Fußball quasi ein Duopol haben, waren wahnsinnig gute Investments in den letzten fünf Jahren. Auch direkte Beteiligung an Vereinen, die an der Börse gehandelt werden, sind möglich. Es gibt aber auch Indexzertifikate auf den Stoxx Europe Football Index. Diese Investments würde ich aber auch eher als emotional betrachten, da nicht immer Liquidität in diesen Aktien vorhanden ist und sie einer großen Volatilität unterliegen.

Interview: Benni Hofmann