Bundesliga

Abseits/Beeinflussung: Das Problem mit der Auslegung

Vergleich mit Fall aus 2017/18 - es geht um Verlässlichkeit

Abseits/Beeinflussung: Das Problem mit der Auslegung

Im Fokus beim 3:3 zwischen Freiburg und Wolfsburg am Samstag: Dr. Felix Brych.

Im Fokus beim 3:3 zwischen Freiburg und Wolfsburg am Samstag: Dr. Felix Brych. imago

Am Samstag war Dr. Felix Brych als Schiedsrichter der Chef des Unparteiischen-Teams. Nach einem Hinweis von Video-Assistent Günter Perl, der pflichtgemäß nach dem IFAB-Protokoll jedes erzielte Tor auf Unregelmäßigkeiten überprüfen muss, betrachtete sich Brych das 4:3 von Philipp Lienhart selbst in der Review Area. Danach annullierte er den Treffer und lieferte später die Begründung: Abseitsstellung von Dominique Heintz.

Das sorgte vor allem im Freiburger Lager für Aufregung. Am Sonntag erklärte Rainer Werthmann, Mitglied der Schiedsrichterkommission Elite beim DFB, im Gespräch mit dem kicker den Regelhintergrund der für ihn "absolut richtigen Entscheidung" . Heintz' Abseitsposition sei wegen zweier Punkte aktiv und damit strafbar: "der Beeinflussung von Torwart Casteels, da Heintz kurz dessen Arm anfasst - und der kompletten Sichtfeldbehinderung von Gegenspieler Knoche."

Schiedsrichtersteckbrief
Brych

Brych Felix

SC Freiburg - Vereinsdaten
SC Freiburg

Gründungsdatum

30.05.1904

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Weiß-Rot

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Trainersteckbrief Streich
Streich

Streich Christian

Den unter anderem von Christian Streich in der ARD formulierten Einwand, Knoche fixiere Heintz mit den Armen in der Abseitsposition, ließ Werthmann nicht gelten. Der Armeinsatz habe im Rahmen üblichen Zweikampfverhaltens stattgefunden, sei kein Foul und damit nicht strafbar. Alles in allem eine strenge, aber vertretbare Auslegung der Abseitsregel 11 mit ihren Unterpunkten Beeinflussung/Behinderung eines Gegners.

Ein ähnlicher Fall wirft Fragen auf

Während sich die SC-Verantwortlichen öffentlich zurückhalten, ebbt hinter den Kulissen das Unverständnis jedoch nicht ab. Vor allem im Zusammenhang mit einem älteren Fall. Beim Spiel gegen Stuttgart am 27. Spieltag der Saison 2017/18 erzielte Mario Gomez nach einer Freistoßflanke aus dem Halbfeld per Kopf die Führung für den VfB. Zuvor hatten jedoch seine im Abseits stehenden Mannschaftskollegen Christian Gentner und Erik Thommy die Laufwege von Freiburger Abwehrspielern geblockt, die Gomez dadurch nicht mehr folgen konnten.

Aus heutiger Sicht muss man das Gomez-Tor als nicht korrekt bewerten.

Rainer Werthmann, Mitglied der Schiedsrichterkommission Elite beim DFB

Nicht nur für Streich war das damals eine aktive und damit strafbare Abseitsstellung. Der Treffer zählte jedoch, auch, weil Brych, damals als Video-Assistent im Einsatz, bei der Überprüfung unverständlicherweise keinen Regelverstoß ausgemacht hatte. Das Irritierende an der Sache: Brych und Schiedsrichter Benjamin Brand bekamen hinterher Rückendeckung von Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich .

Dr. Felix Brych (Mitte)

Schiedsrichter Dr. Felix Brych - hier umstellt von aufgeregten Freiburgern nach dem aberkannten 4:3. imago

Es folgte ein scharfer Konter von Freiburgs Sportvorstand Jochen Saier: "Wenn das aktive Wegblocken der Verteidiger aus Abseitspositionen nicht strafbar ist, werden wir unser Standardrepertoire dahingehend erweitern. Und dies mit Rückendeckung von ganz oben." Erst nach einiger Zeit wurde die Anerkennung des Gomez-Tores auch im Schiedsrichter-Zirkel des DFB als Fehler gewertet. "Aus heutiger Sicht muss man das Gomez-Tor als nicht korrekt bewerten. Es wäre als strafbares Abseits von Gentner und Thommy durch Beeinflussung der Freiburger Verteidiger und zudem genau genommen auch als Foulspiel nach Regel 12 zu ahnden gewesen", sagte Werthmann am Montag zum kicker.

Bei vielen Fans hat sich dadurch der Eindruck aufgedrängt, der Verband lege die Regeln so aus, wie er es im jeweiligen Fall brauche und verteidige mitunter auch falsche Schiedsrichterentscheidungen. Was beim geschilderten Beispiel im März 2018 zutraf, hat sich inzwischen gebessert. So bekennt sich der DFB inzwischen meist klarer zu Fehlern. Wie etwa VAR-Projektleiter Dr. Jochen Drees, der Ende Januar 2019 eingeräumt hatte, dass das Gladbacher Führungstor gegen Augsburg am 19. Spieltag nicht hätte zählen dürfen. Der Gladbacher Stindl hatte im Abseits stehend sowohl den Augsburger Keeper als auch einen Verteidiger strafbar beeinflusst .

Das Wichtigste: Verlässlichkeit und Gleichmäßigkeit

Am vergangenen Wochenende wurden nun in Freiburg und in Dortmund (das vermeintliche 1:0 für den BVB durch Sancho) Treffer annulliert wegen im Abseits stehender Spieler, die Gegner beeinflusst oder behindert haben. Das hängt auch damit zusammen, dass die Schiedsrichter und Assistenten im vergangenen Sommertrainingslager in Grassau gezielt an diesem Themenkomplex gearbeitet haben.

Deshalb ist das Wichtigste bei dieser Sache, das zeigen alle genannten Beispiele: Der DFB und seine Referees, mit Brych als renommiertem FIFA-Schiedsrichter an der Spitze, müssen die komplexen Unterpunkte Beeinflussung/Behinderung der Abseitsregel verlässlich und gleichmäßig anwenden.

Und, wenn dabei, was menschlich ist, auch in der Zukunft wieder ein Fehler passiert, sollte dieser von den DFB-Schiedsrichterchefs auch klar als solcher benannt werden. Wie im Fall Gladbach/Augsburg und nicht wie damals bei Freiburg/Stuttgart.

Carsten Schröter-Lorenz