Bundesliga

Darum zählte Freiburgs 4:3 gegen Wolfsburg zu Recht nicht

DFB-Experte Werthmann erklärt den Hintergrund

Darum zählte Freiburgs 4:3 gegen Wolfsburg zu Recht nicht

Freiburg jubelt - doch Dr. Felix Brych hat schon die Hand am Ohr.

Freiburg jubelt - doch Dr. Felix Brych hat schon die Hand am Ohr. imago

Als Lienharts Kopfball gegen Wolfsburg im Netz zappelte, bebte das Schwarzwaldstadion. Die Welle der Ekstase ebbte erst langsam ab, als sich Brych für den Funkverkehr mit Video-Assistent Günter Perl ans Ohr fasste, dann die Szene selbst in der Review Area betrachtete und schließlich den Treffer annullierte. Für Nils Petersen war es ein "Stimmungskiller und eine Fehlentscheidung". Und auch "Abseitssünder" Dominique Heintz war sich nach Spielende keiner Schuld bewusst. "Ich habe nichts gemacht, nicht gezogen. Der Torwart wäre sowieso nie an den Ball gekommen, weil der im anderen Eck reingeht. Meiner Meinung nach kann man das Tor geben", sagte der Innenverteidiger.

Für den DFB war Brychs Entscheidung jedoch "absolut richtig", wie Werthmann betont. Gleichwohl ist sich das Mitglied der Elite-Kommission bewusst, dass es sich hierbei um einen komplexen Abschnitt der Spielregel 11 "Abseits" handelt. "Der Teil der Abseitsregelung, in dem es um Beeinflussung geht, ist schwierig. Wir befinden uns da im Bereich der Auslegung, da gibt es, anders als bei der Wahrnehmung einer Abseitsposition, kein Schwarz und Weiß."

Werthmann sieht zwei Punkte für Heintz' aktive Abseitsstellung

Die Kernfrage bei der Szene in Freiburg lautet: Warum stellt das Verhalten von Heintz, der zum Zeitpunkt von Lienharts Kopfball zwischen seinem Gegenspieler Robin Knoche und VfL-Keeper Koen Casteels im Abseits steht, ein strafbares Vergehen dar?

Werthmann sieht zwei Punkte für eine aktive und damit strafbare Abseitsstellung: "die Beeinflussung des Torwarts und die komplette Sichtfeldbehinderung des Feld-Gegenspielers". Die Beeinflussung oder Behinderung von Casteels sei gegeben, da Heintz kurz mit seiner linken Hand den linken Arm des Wolfsburg-Keepers anfasst. "Die Torwart-Beeinflussung muss aktiv sein", sagt Werthmann. Das kann, wie in diesem Fall, ein Körperkontakt sein. Aber auch, wenn ein im Abseits stehender Spieler beispielsweise in einen Flankenball grätscht, auf den der Torwart noch reagieren muss, ist dieser "Tatbestand" erfüllt.

Es spielt keine Rolle, ob die beiden Spieler an den Ball kommen könnten oder der Ball in die andere Ecke des Tores fliegt.

Rainer Werthmann

Allein die unmittelbare Sichtfeldbehinderung von Knoche hätte jedoch für eine Aberkennung des Tores ausgereicht. "Es ist manchmal schwer zu vermitteln, aber dabei spielt es keine Rolle, ob die beiden Spieler an den Ball kommen könnten oder der Ball in die andere Ecke des Tores fliegt", erklärt Werthmann, der Verständnis für diese, vor allem von Freiburger Seite vorgebrachte, Argumentation hat.

"Eine Berücksichtigung solcher Faktoren gibt die Regel aktuell aber nicht her. Man kann sicher diskutieren, ob das sinnvoll ist. Wir sind jedoch dafür zuständig, die vom IFAB für den gesamten FIFA-Bereich erarbeiteten Regeln anzuwenden", sagt der 59 Jahre alte Ex-Referee, der auch als Schiedsrichter- und Video-Assistenten-Beobachter in der Bundesliga tätig ist. Passiv und damit nicht strafbar wäre Heintz' Verhalten also nur gewesen, wenn er mit etwas Abstand neben Knoche und Casteels etwa auf der Torlinie gestanden hätte.

Für Werthmann war Knoches Einsatz gegen Heintz auch kein Foul

Und was ist mit einem weiteren von Freiburger Seite vorgebrachten Einwand, Knoche hätte Heintz geklammert und damit in der Abseitsposition fixiert? Werthmann: "Da hätte der Schiedsrichter nur eingegriffen, wenn nach Regel 12 ein Foulspiel vorgelegen hätte. Auch nach der Ansicht mehrerer Einstellungen im Kölner Videocenter war das für uns jedoch im Rahmen des üblichen Zweikampfverhaltens. Genauso war auch das Armauflegen von Heintz an Casteels kein Foulspiel, sondern nur im Zusammenhang mit seiner Abseitsposition ein strafbares Verhalten."

Werthmann verweist bei dieser komplexen Entscheidung auf zwei ähnliche, in ihrer Konstellation aber leichter zu verstehende Fälle. So sei an diesem Spieltag auch das vermeintliche 1:0 von Dortmund gegen Hoffenheim (Posch schießt Sancho an) zu Recht aberkannt worden, weil Götze in Abseitsposition den Laufweg des Verteidigers Posch behinderte hatte. Und auch das 1:0 von Gladbachs Wendt am 19. Spieltag gegen Augsburg hätte bekanntlich nicht zählen dürfen , weil der im Abseits stehende Stindl sowohl Torhüter Kobel als auch Verteidiger Danso beeinflusst hatte.

Carsten Schröter-Lorenz

Bilder zur Partie SC Freiburg - VfL Wolfsburg