Barcelonas Trainer Quique Setien veränderte seine Startelf im Vergleich zum 3:1 im Achtelfinalrückspiel gegen Neapel auf zwei Positionen - und reagierte damit auch mit einer etwas defensiveren Ausrichtung auf die Formstärke des deutschen Rekordmeisters: Busquets kehrte nach Sperre für Rakitic (Bank) zurück, außerdem durfte der ehemalige Münchner Vidal für Weltmeister Griezmann (Bank) ran.
Bayern-Coach Hansi Flick beließ es hingegen bei denselben elf Schützlingen, die zuletzt das klare wie verdiente 4:1 im Rückspiel des Achtelfinals gegen den FC Chelea eingetütet hatten. Bedeutete: Perisic begann anstelle von Coman, der als Joker zur Verfügung stand, Boateng und Davies kurierten ihre Blessuren rechtzeitig aus, Kimmich half wieder für den verletzten Pavard als Rechtsverteidiger aus - und Thiago sollte im Mittelfeld zusammen mit Goretzka die Strippen ziehen.
Bayern-Führung - und fast der Barça-Doppelschlag
Und das taten die beiden über die ersten 45 Minuten weitestgehend, sorgten im Münchner Gesamtverbund für Dauerdruck. Gerade das sehr mutige Offensivpressing brachte die Barça-Hintermannschaft, die sich um erfahrene Akteure wie Piqué streckenweise akut fahrlässig präsentierte, sehr oft ins Wanken - und sehr oft zum Fallen.
Champions League, Viertelfinale
Denn schon in Minute 4 stand es 1:0 für den FC Bayern: Nach einem Steilpass von Gnabry entwischte Perisic auf dem linken Flügel, ehe seine folgende Flanke vor dem Strafraum beim lauernden Müller landete. Der Weltmeister von 2014 spielte kurz Doppelpass mit dem im Strafraum wartenden Lewandowski - und zog dann humorlos zur frühen Führung ab. Von diesem Rückstand konnten sich die Katalanen allerdings noch erholen, übten sie über den gesamten ersten Durchlauf doch hin und wieder offensiv selbst einiges an Druck aus. So erzwangen sie in Minute 7 zum Beispiel das 1:1, was Alaba mit einem Eigentor nach verunglückter Rettungsaktion unterlief. Neuer hatte hier keine Abwehrchance mehr, rettete allerdings kurze Zeit später beim Eins-gegen-eins mit Suarez (9.) und sah mit an, wie eine Flanke des Gegners nach leichtem Busquets-Kontakt an den Pfosten klatschte (10.). Außerdem näherte sich Messi mit einem typischen Sololauf an, schloss jedoch zu ungenau ab (20.).
Jetzt wird's wild
Bis zu diesem Zeitpunkt sah es nach einem kurzweiligen Champions-League-Abend mit Highlights auf beiden Seiten aus, was sich ab sofort aber revidieren sollte. Denn auf einmal erlaubten sich die Hintermänner Barcelonas reihenweise Fehler, positionierten sich falsch, bekamen Lücken nicht geschlossen.
Die Konsequenzen hatten es in sich: Nach Ballverlust von Sergi Roberto traf Perisic mit leichter Mithilfe von Lenglet aus spitzem Winkel zum 2:1 (22.), ehe Gnabry jenem Lenglet bei einem Laufduell nach Goretzka-Chip Meter abnahm und frei vor ter Stegen knochentrocken zum 3:1 einschoss (28.). Damit aber noch nicht genug, weil Kimmich noch frei flanken und Müller finden durfte. Dieser behauptete sich im Fünfmeterraum mit einfachen Mitteln gegen den immer wieder im Mittelpunkt stehenden Lenglet und freute sich nach seinem einfachen Einschuss mit den Kollegen über das 4:1 (31.). Am Ende durfte Barça sogar noch froh sein, dass nach einem zu kurzen ter-Stegen-Pass der bis dato noch relativ unauffällige Lewandowski frei vor dem Tor vergab - der DFB-Torhüter parierte noch stark mit dem Bein (29.). Oder dass Perisic verzog (36.) sowie nochmals Lewandowski nicht gut genug köpfte (39.).
Auch Leihspieler Coutinho dreht noch auf
Mit Wiederbeginn ging Barça-Coach Setien zwar mehr Risiko, brachte Griezmann für Sergi Roberto - auf dem Platz brachte das aber wenig. Lange Zeit dominierte weiterhin Bayern, ehe fast aus dem Nichts Jordi Alba Zielspieler Suarez bediente. Der Uruguayer tänzelte Boateng mit einem einfachen Haken aus und traf mit links zum nur kurz gefeierten 2:4-Anschluss (57.). Neue Hoffnung für Barcelona? Mitnichten! Denn nur sechs Zeigerumdrehungen später leistete sich die katalanische Hintermannschaft den nächsten negativen Ausreißer: Davies vernaschte einen viel zu passiven Semedo rotzfrech, zog nach innen und bediente den freistehenden Kimmich, der nur noch zum 5:2 einzuschieben brauchte.
Zwei verschiedene Welten: Während Arturo Vidal und Antoine Griezmann die Köpfe hängen lassen, feiern die Bayern-Profis den spät erfolgreichen Joker Coutinho. Getty Images
Der Rest ist schnell erzählt: Barça ergab sich in der Folge seinem Schicksal, näherte sich nur noch halbgar an - und sollte trotzdem noch weiter unter die Räder kommen. Der von den Katalanen ausgeliehene Coutinho kam nämlich noch ins Spiel, bereitete Lewandowskis Kopfballtreffer zum 6:2 mit elegantem Chip vor (82.), ehe der Brasilianer selbst noch aus der Nahdistanz zum Doppelschlag ansetzte (85. und 89.). Am Ende stand somit ein unglaubliches 8:2 auf der Anzeigentafel, das torreichste K.-o.-Spiel in diesem Wettbewerb. Ein historischer Sieg für den deutschen FCB war damit genauso perfekt wie eine historische Schmach für den spanischen FCB um einen völlig bedienten Messi.
Weiter geht's wie folgt: Der FC Bayern bekommt es im Halbfinale bereits am kommenden Mittwoch (21 Uhr) im Lissaboner Estadio José Alvalade (Heimstätte von Sporting) mit dem Sieger der Partie zwischen Manchester City und Lyon zu tun, dieses Viertelfinale findet am Samstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) statt.