WM

Wie sich Freiburg Japans WM-Trumpf Doan angelte

Besondere Maßnahme im Rennen um den japanischen Nationalspieler

Zu dritt im Auto mit Musik: Wie sich Freiburg WM-Trumpf Doan angelte

Freiburgs Ritsu Doan steht mit Japan im WM-Achtelfinale.

Freiburgs Ritsu Doan steht mit Japan im WM-Achtelfinale. IMAGO/Kyodo News

Es waren keine versteckten Perlen, wie sie die Freiburger Abteilung um Chefscout und Sportdirektor Klemens Hartenbach schon öfter gefunden hat. In diesem Sommer konnte der Sport-Club die vier Nationalspieler Matthias Ginter, Ritsu Doan, Michael Gregoritsch und Daniel-Kofi Kyereh verpflichten, drei davon flogen zur WM. Ein Sinnbild für den Fortschritt im Breisgau.

"Der Europacup hat da nicht geschadet"

Der Transfer-Vollzug habe dennoch bei allen viel Kraft gekostet, erzählt Hartenbach im großen kicker-Interview (Ausgabe vom 28. November 2022, hier im eMagazine): "In dieser Transferphase war es die Kunst, die Spieler für unsere Idee zu begeistern und emotional zu packen. Der Europacup hat da nicht geschadet, und bei der Umsetzung haben natürlich die Einnahmen für Nico Schlotterbeck (ging für 20 plus mögliche 5 Boni-Millionen Euro nach Dortmund, Anm. d. Red.) geholfen."

Da drängt sich die Frage auf: Wie haben Hartenbach und Co. die Neulinge emotional gepackt? Besonders Doan, den einzigen noch bei der WM aktiven SC-Sommerzugang? "Bei Ritsu hat es sich ausgezahlt, dass ich mit ihm schon 2021 zusammensaß, als er noch in Bielefeld war", sagt Hartenbach. In der Saison dazwischen machte der Japaner allerdings beim holländischen Renommierklub PSV Eindhoven auf sich aufmerksam, spielte dort im Europacup und konnte im Sommer aus mehreren Optionen wählen.

Die SC-Verantwortlichen entschlossen sich daher zu einer besonderen Maßnahme. Sie besuchten Doan in Eindhoven - in voller Führungsstärke: Hartenbach, Trainer Christian Streich und Sportvorstand Jochen Saier. Und das einen Tag vor dem 34. Spieltag der vergangenen Saison, als beim Spiel in Leverkusen die Champions-League-Qualifikation noch möglich war. Bemerkenswert, dass Streich zu diesem Zeitpunkt dem Ausflug zustimmte.

Vor einem Abstiegsfinale hätte der Trainer höchstwahrscheinlich nicht mit im Auto gesessen. Hartenbach stimmt zu: "Er würde sich auch kein American-Football-Spiel in einem anderen Stadion anschauen. Über Termine am Tag vor dem Spiel freut er sich zwar nicht, in dieser Situation mussten wir einfach hinfahren." Das zeigt, wie wichtig dem SC die Personalie Doan war.

Also fuhren die drei durch 20 Jahre gemeinsame Arbeit bestens Vertrauten die eineinhalb Stunden nach Eindhoven. Hartenbach saß am Steuer: "Wir haben Musik gehört und ein bisschen geredet. Wir haben uns vorher keine Strategien überlegt, wer zum Beispiel welche Rolle einnimmt oder wer was sagt. Das schießt uns im Gespräch aus dem Bauch heraus. Sie kennen ja den Trainer." Doan hatte seinen Berater und zwei Vertraute als Verstärkung mitgebracht. "Es war ein total nettes Gespräch. Wir haben nicht nur über Fußball gesprochen. Er wusste ja, dass wir im Jahr vorher schon großes Interesse hatten", erzählt Hartenbach. "Wir sind zurückgefahren und hatten ein gutes Gefühl, obwohl wir uns manchmal hinterher fragen, ob wir dem Spieler überhaupt deutlich gemacht haben, dass wir ihn wollen."

Wir malen ihm die Freiburg-Welt nicht unbedingt so, wenn die Sonne scheint, sondern eher, wenn es regnet.

Klemens Hartenbach

Was er damit meint: "Wir malen ihm die Freiburg-Welt nicht unbedingt so, wenn die Sonne scheint, sondern eher, wenn es regnet. Wir wollen dem Spieler alles dargelegt haben, wie es sein könnte, wenn es nicht so toll läuft."

Qualitäten im Eins-gegen-eins

All das blieb im Falle von Doan, der bei seiner Verpflichtung in den höchsten Tönen über den Sport-Club sprach, aber bisher nur Theorie. Auch wenn seine Scorerquote von vier Toren und vier Assists in 22 Pflichtspieleinsätzen Luft nach oben lässt, ist der wendige, fast immer rechts außen aufgebotene 1,72-Meter-Mann an fast jedem gefährlichen Freiburger Angriff beteiligt. Seine Qualitäten im Eins-gegen-eins haben das SC-Offensivspiel auf ein neues Level gehoben. Zudem hat Doan sehr schnell seine defensiven Aufgaben im Freiburger Kollektiv verinnerlicht.

Trotz seiner ursprünglichen Reservistentolle hat Doan mit seinen zwei eminent wichtigen Jokertoren gegen Deutschland und Spanien auch bei der WM groß aufgetrumpft. Die höchste Freiburger Sommerablöse von acht Millionen Euro, die man der PSV überwies, erscheint inzwischen schon fast als Schnäppchenpreis. Wie gut, dass sich Hartenbach, Streich und Saier gemeinsam ins Auto gesetzt hatten.

Warum die Bundesliga einen großen Anteil an Japans Achtelfinaleinzug hat - lesen Sie dazu eine Hintergrundstory im aktuellen kicker (Montagsausgabe, oder hier im eMagazine).

Carsten Schröter-Lorenz