Bundesliga

VfB Stuttgart: Wohlgemuth und der Faktor Zeit

Union als warnendes Beispiel für Stuttgart

Wohlgemuth und der Faktor Zeit

Ein Gesicht des Stuttgarter Erfolgs: Sportdirektor Fabian Wohlgemuth.

Ein Gesicht des Stuttgarter Erfolgs: Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. IMAGO/Eibner

Als wenn es eines warnenden Beispiels bedurft hätte: Union lieferte dieses heute frei Haus. Kaum ganz oben angekommen, folgte der Absturz. Nach fünf Jahren des stetigen Erfolgs trennen sich die Berliner von dem Mann, der sie erst dahin gebracht hat, wo sie heute stehen: Trainer Urs Fischer. Und damit ist keineswegs Platz 18 in der Bundesliga gemeint.

Der Schweizer führte die Berliner, die 2005/06 noch in der Regionalliga spielten und 2009 in die 2. Liga aufgestiegen waren, im Mai 2019 erst in die Bundesliga und im Vorjahr in die Champions League. Eine Entwicklung mit Siebenmeilen-Stiefeln. Ein Weg, auf dem die Unioner jetzt ins Straucheln geraten sind.

Ausgerechnet der Traditionsklub aus Köpenick und der Traditionsklub vom Neckar tauschten 2019 die Ligen. Union ließ den VfB in der Relegation in die Zweitklassigkeit stürzen, der seither mühsam seinen einstmals fixen Platz in der deutschen Eliteklasse zurückerobern möchte. Nach zwei Fastabstiegen in den beiden jüngsten Spielzeiten mit Rettungen in allerletzter Minute haben die Stuttgarter jetzt auf die Überholspur gewechselt. Mit attraktiven und vor allem auch noch erfolgreichen Leistungen haben sie sich im Spitzentrio der Liga festgesetzt, was zu einer riesigen Euphorie geführt hat.

Das 2:1 gegen Dortmund war nicht einfach nur ein Sieg

Stuttgart glänzt, das Umfeld glüht und der Sportchef glaubt, den Realitätssinn schärfen zu müssen. Wohlgemuth genießt den Moment des Erfolgs sowie die Bestätigung erfolgreicher Transferaktivitäten. "Zweifel am Erreichen unseres Saisonziels sind bisher nicht aufgekommen", erklärt der 44-Jährige mit einer Prise Berliner Humor. Der Erfolg am vergangenen Wochenende gegen Borussia Dortmund war für die Schwaben mehr als nur ein Sieg. Er war die Bestätigung ihrer Wehrhaftigkeit gegen den Negativtrend nach zwei Niederlagen gegen Hoffenheim (2:3) und Heidenheim (0:2).

"Es gelingt uns inzwischen sehr stabil, die richtige Antwort auf die wenigen Leistungsunterbrechungen zu geben", sagt Wohlgemuth. "Das ist eine der ganz wichtigen Botschaften aus dem Spiel gegen den BVB. Zuletzt waren wir zweimal nicht erfolgreich oder haben drei Strafstöße nicht nutzen können. Trotzdem lässt sich die Mannschaft nicht aus dem Konzept bringen."

Dennoch, das betont der 44-Jährige, sei man falsch beraten, sich in Sicherheit zu wiegen. Vor allem mit Blick auf die Gesamtentwicklung. Die aktuelle Zielsetzung ist und bleibt, das wiederholen die sportlich Verantwortlichen unisono, eine sorgenfreie Spielzeit. Gesundes Wachstum in einem angemessenen Zeitraum ist angesagt. Schritt für Schritt.

Wohlgemuth und der Klub als Ganzes haben kein Interesse daran, noch einmal die Berg- und Talbahn der Vergangenheit zu besteigen. "Das, was uns momentan auf der Ergebnisseite gelingt, läuft unserer Gesamtentwicklung als Klub manchmal etwas voraus", meint der Sportchef. "Der Aufbau von sportlicher und wirtschaftlicher Substanz braucht seine Zeit." Die Zeiten, in denen schon mal im Überschwang versprochen wurde, innerhalb der folgenden fünf Jahre wieder in der Champions League zu spielen, sollen der Vergangenheit angehören.

Nach dem Aufstieg 2017 landeten die Stuttgarter auf Anhieb auf Platz 7, um im Folgejahr wieder abzusteigen. Nach dem Aufstieg 2020 folgte Platz 9, wieder der Traum von besseren Zeiten und von Europa. Und wieder war es des Guten zu viel. 2022 und 2023 wäre man fast erneut abgestiegen, was den Traditionsklub in seinen Plänen zurückgeworfen hat.

George Moissidis

Bilder zur Partie VfB Stuttgart gegen BV 09 Borussia Dortmund