Champions League

Eintracht Frankfurt zwischen Überforderung und Willensstärke

Frankfurt verlässt Tottenham mit gemischten Gefühlen

"Wir sollten nicht den Fehler machen": SGE zwischen Überforderung und Willensstärke

Hatten während der Partie einiges zu besprechen: Sebastian Rode (li.) und Djibril Sow.

Hatten während der Partie einiges zu besprechen: Sebastian Rode (li.) und Djibril Sow. IMAGO/Colorsport

Aus London berichtet Moritz Kreilinger

Rational betrachtet lässt sich vieles im Fußball nicht erklären. Wie eine Mannschaft binnen weniger Tage sang- und klanglos gegen den Tabellenletzten der Bundesliga verlieren kann, kurz darauf aber einem Starensemble aus der Premiere League im letzten Moment fast noch den Sieg zu entreißen, bleibt das Geheimnis von Eintracht Frankfurt. Fast hätte es das Team von Trainer Oliver Glasner geschafft, den eklatanten Qualitätsunterschied mit einer beeindruckenden Mentalitätsleistung wettzumachen. Doch eben nur fast. Am Ende sollte das knappe Ergebnis aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Partie in London auch in einem Debakel hätte enden können.

Der Plan, Tottenham zu überrumpeln, ging zunächst auf. Das Vorhaben, sich nicht zu verstecken und auf Sieg zu spielen, war klar erkennbar. Einen Fehler von Eric Dier bestrafte die hoch pressende Eintracht direkt - Daichi Kamada, der London-Spezialist der Eintracht, traf zum 1:0. Schon in der Vorsaison traf der Japaner beim 2:1 beim FC Arsenal doppelt, beim 2:1 über West Ham United einfach.

Wir waren in der ein oder anderen Situation überfordert.

Oliver Glasner

Doch es gab ein grundsätzliches Problem am Mittwochabend: Die Eintracht musste auf Fehler des Gegenüber hoffen, Tottenham nicht. Spielerisch und mit wahnsinnig hohem Tempo rauschte der nicht zu stoppende Spurs-Zug immer wieder Richtung Kevin Trapp. Allen voran Doppeltorschütze Heung-Min Son und Harry Kane wären in dieser Form wohl von sehr wenigen Abwehrreihen in der Königsklasse aufgehalten worden - erst recht nicht von der nicht so sattelfesten SGE-Hintermannschaft.

"Wir waren in der ein oder anderen Situation überfordert", gestand Glasner. Auch Sportvorstand Krösche musste das erkennen: "Du kannst gewisse Dinge einfach nicht verteidigen, das musst du akzeptieren. Wir sollten nicht den Fehler machen, uns mit Tottenham auf Augenhöhe zu sehen."

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"Für die Eintracht wird es jetzt schwer"

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Dass es am Ende dennoch fast zu einem Ergebnis auf Augenhöhe reichte, hatte seine Gründe. Erstens: Trapp parierte mehrfach glänzend. Sonst wäre die Heimreise eine unangenehme geworden, denn schon nach etwas mehr als einer Stunde hätten die Spurs das halbe Dutzend problemlos voll machen können. Zweitens: Kane setzte inmitten der Frankfurter Schlussoffensive einen Elfmeter in den Londoner Nachthimmel. Drittens: Nach dem Platzverweis von Tuta wähnten sich die Gastgeber in Sicherheit und schalteten einen Gang zurück. Viertens, und das ist aus Eintracht-Perspektive der wichtigste Aspekt des Abends: Allen Widrigkeiten zum Trotz nahm die SGE genau diese Passivität des zuvor übermächtigen Favoriten zum Anlass, nochmal alles in die Waagschale zu werfen.

"Was die Jungs dann nach dem Anschlusstreffer geleistet haben, das war unglaublich. Da bin ich unglaublich stolz darauf. Diese Charakter, diese Persönlichkeit, das ist Eintracht Frankfurt", betonte Glasner.

Wegen der völlig unnötigen Gelb-Roten Karte, der verletzungsbedingten Auswechslung von Makoto Hasebe und der Herausnahme des erschöpften Sebastian Rode stand ein wild zusammengewürfelter Haufen in der Defensive. Faride Alidou (21) und Hrvoje Smolcic (22) gaben ihr Champions-League-Debüt, an ihrer Seite spielten Eric Junior Dina Ebimbe und Kristijan Jakic auf ungewohnten Positionen. Nur noch Evan Ndicka spielte in der Fünferkette dort, wo er begonnen hatte. Dennoch hielt die Truppe den Laden zusammen.

Für Alidou wäre es beinahe der Tag seiner Träume geworden. Der Neuzugang vom HSV, der vor einigen Monaten noch in der 2. Liga spielte, erzielte erst den Ausgleich und war nicht weit davon entfernt, das Spiel in der letzten Sekunde auf den Kopf zu stellen - doch Hugo Lloris parierte den Abschluss vom Strafraumrand in der sechsten Minute der Nachspielzeit.

Nach der Blamage in Bochum lieferte die Eintracht die passende Reaktion. Doch diese Einstellung darf nicht nur den Höhenpunkten in der Königsklasse vorbehalten sein. Jedes Spiel, ob in London, am Samstag gegen Bayer Leverkusen oder in der kommenden Woche im DFB-Pokal beim Fünftligist Stuttgarter Kickers, jede Partie muss ausnahmslos mit dieser Intensität und vor allem der Leidenschaft und dem Willen angegangen werden.

Die Messlatte liegt hoch, denn die Eintracht hat mehrfach beweisen, dass sie mit diesen Faktoren Mannschaften eines viel größeren Kalibers besiegen kann. Nur so erreicht Glasner sein jüngst formuliertes Ziel, der Diva vom Main ihre Allüren abzugewöhnen. Und nur mit zwei Siegen in den abschließenden Duellen gegen Olympique Marseille und Sporting Lissabon oder Schützenhilfe kann sich der Traum vom Achtelfinale noch erfüllen.

Von 1 bis 5,5: Die Noten zu Tottenham gegen Frankfurt