Bundesliga

Geisterspiele: Werders Stadionsprecher Arnd Zeigler über seinen Job

Gastbeitrag: Bremens Stadionsprecher Arnd Zeigler

Weil die ganze Stadt mitfiebert: "Leute, ihr werdet gesehen"

Werders Stadionsprecher Arnd Zeigler

Werders Stadionsprecher Arnd Zeigler imago images

Ganz oft werde ich gefragt, wie das so ist als Stadionsprecher, wenn Zuschauer fehlen. Und wozu ich am Spieltag überhaupt da bin. Das ist nicht einfach zu beantworten. Fußball lebt sehr viel mehr vom gemeinsamen Erleben und vom Teilen von Emotionen, als wir bisher dachten. Vor der Pandemie waren Werder-Heim-spiele oft Happenings. Die Atmosphäre auf den Rängen grandios, die Stimmung übertrug sich von der Tribüne auf den Rasen und zurück. Nach jedem normalen Spiel bin ich ausgelaugt, weil es so intensiv ist. Jetzt ist es Arbeit.

Trotz fehlender Zuschauer ist diese notwendig, weil jedes bisschen Normalität den Spielern hilft, es mehr wie ein Bundesligaspiel zu empfinden. Ohne die Geräusche, ohne die Musik, das Torjingle, die Durchsagen würde sich alles anfühlen wie ein Trainingskick in der Vorbereitung irgendwo im Nirgendwo. Ich bin dafür da, mitzuhelfen, dass es sich weiter ein bisschen wie Bundesliga anhört.

Ich bin dafür da, mitzuhelfen, dass es sich weiter ein bisschen wie Bundesliga anhört.

Arnd Zeigler

Manchen mag dies lächerlich erscheinen oder überflüssig, aber das täuscht. Das Irritierendste für die Spieler ist Woche für Woche das Einlaufen ins leere Stadion und der oberflächliche erste Eindruck, es schaue niemand zu. Für einen Leistungssportler, der zu einem guten Teil über Kopf und Psyche funktioniert, wäre es kein besonders guter Eindruck, wenn von außen tatsächlich niemand das Gefühl vermitteln würde, dass es die ganze Stadt interessiert, was die Mannschaft in den 90 Minuten leistet oder nicht.

Heimvorteil? Falsch

Als die Sache anfing mit den Geisterspielen, war vieles noch sehr anders als heute. Wir dachten, es gäbe auch ohne Fans eine Art Heimvorteil. Falsch. Jede Fahrt in ein fremdes Stadion ist besser dazu angetan, die Spieler aus dem werktäglichen Trott um Training und Regeneration zu reißen, als das x-te Heimspiel ohne Fans. Bei der Pokalauslosung fiel mir das auf. Aus alter Gewohnheit hofft man kurz auf ein Heimspiel, um im nächsten Moment zu denken: ist eigentlich egal. Im Fernsehen gab es anfangs Versuche mit künstlicher Stadionatmosphäre, die in England weiter üblich ist, was Übertragungen aus der Premier League zum bizarren Schauspiel macht.

Das erstaunlichste Phänomen und grellste Alarmzeichen in dieser Krise ist die große Distanz, die zwischen Fans und ihren Herzensvereinen angewachsen ist, und das meine ich auch physisch.

Zu Beginn des Ausnahmezustands gab es von Seiten der Entscheider großen Respekt, wenn nicht gar Angst vor Menschenansammlungen vor den Stadien, wenn drinnen die Lieblingsmannschaft spielt. Das ist ausgeblieben. Die Fans sind einfach nur weg. Möglicherweise, weil ihnen ungewollt suggeriert wurde, es müsse notfalls ohne sie gehen.

Die Fans sind einfach nur weg. Möglicherweise, weil ihnen ungewollt suggeriert wurde, es müsse notfalls ohne sie gehen.

Arnd Zeigler

Wenn ich Dienst habe, sehe ich den wichtigsten Teil meines Jobs darin, den Spielern so oft es geht in Erinnerung zu rufen, dass über die ganze Stadt verteilt Menschen sitzen, die trotz allem mitfiebern, hoffen, bangen und mit dem Herzen dabei sind. Meine Durchsagen sind kein Ersatz für Fans, Fahnen und Emotionen, sondern eine Art Vermittlerdienst an die Mannschaften: Leute, ihr werdet gesehen.

Ich habe nur am 1. Spieltag ein Spiel mit Fans erlebt: Werder gegen Hertha mit über 8000 Menschen - es war sehr viel besser als nichts. Ich habe deutlich bemerkt, wie sehr es etwas mit einem Profi macht, wenn er wieder in Gesichter schaut, die im IdealfallFreude und Dankbarkeit vermitteln.

Arnd Zeigler (55) ist Journalist, Moderator, seit Kindesbeinen Werder-Fan und seit 2001 Stadionsprecher beim SVW.

Diese Profis haben noch nie vor Zuschauern in der Bundesliga gespielt