Bundesliga

Watzkes deutlicher Appell an Politik und BVB-Fans

Klubboss sieht die Impfung als Schlüssel - und hat 500-Millionen-Euro-Zielmarke noch im Blick

Watzkes deutlicher Appell an Politik und BVB-Fans

Sprach am Montag ausführlich über Finanzen und Ambitionen des BVB: Hans-Joachim Watzke.

Sprach am Montag ausführlich über Finanzen und Ambitionen des BVB: Hans-Joachim Watzke. BVB/Alexandre Simoes

Leicht fällt es Hans-Joachim Watzke am Montagmorgen nicht, im Presseraum des Signal- Iduna-Parks die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres 2020/21 zu präsentieren. Es ist diesmal ja auch wahrlich keine vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung für den BVB-Boss, der stets stolz darauf war, vernünftig zu wirtschaften und schwarze Zahlen zu schreiben. Denn die Corona-Pandemie sorgte auch bei Borussia Dortmund für erhebliche wirtschaftliche Einbrüche. "Die Zahlen", sagt Watzke gleich zu Beginn der Pressekonferenz, "waren so zu erwarten. Aber das ist eine herausfordernde Geschichte - keine Frage."

Die Umsatzerlöse sanken von 370,2 auf 334,2 Millionen Euro (ohne Transfers), die Bruttokonzerngesamtleistung (inklusive Brutto-Transferentgelte) fiel von 486,9 auf 358,6 Millionen Euro. Der Jahresfehlbetrag lautet gar 72,8 Millionen Euro - nach bereits 44 Millionen Euro Verlust im Geschäftsjahr 2019/20. Aus schwarzen Zahlen wurden tiefrote - vor allem aufgrund der fehlenden Zuschauereinnahmen, die den BVB mit seinem in normalen Zeiten stets ausverkauften Stadion besonders hart trafen und die ihn nun noch angewiesener auf die Einnahmen aus der TV-Vermarktung machten. Der Anteil der TV-Vermarktung am Umsatz erhöhte sich von knapp 46 auf 56 Prozent.

"Jetzt ist die Zeit gekommen, in der man nicht mehr alles dadurch lösen kann, dass man den Laden abschließt"

Mit Einnahmen in Höhe von vier Millionen Euro kalkuliert der BVB pro Heimspiel. Selbst wenn künftig knapp 22.000 Zuschauer kommen dürfen, wie es die aktuell geltende Corona-Schutzverordnung des Landes NRW erlaubt, klafft ein dickes Loch in der Klubklasse. Umso deutlicher fiel der Appell aus, den Watzke am Montag an die Politik richtete.

Bundesliga-Auftakt: So viele Zuschauer dürfen in die Stadien

Von der Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag erwarte er, "dass Entscheidungen getroffen werden, die uns mittelfristig eine Perspektive geben". Mehr Mut sei gefragt. "Jetzt ist die Zeit gekommen, in der man nicht mehr alles dadurch lösen kann, dass man den Laden abschließt."

Konkret wünscht sich der 62-Jährige eine Abkehr von der Inzidenz als alleinigem Richtwert. "Die Inzidenz von 35 ist ein Relikt", sagt Watzke. "Bei dem Impfstatus, den wir jetzt haben, ist das nicht mehr zielführend. Man muss einen Mix finden mit ein paar Parametern, die sinnvoll sind." Etwa die Hospitalisierungsrate, "sofern sie denn stimmt".

Watzke: "Mit 600.000 Euro an Ticketeinnahmen kriegen wir das nicht hin"

Es gehe darum, nicht nur dem Fußball, sondern "der gesamten Veranstaltungsbranche" wieder eine Perspektive zu geben. "Wenn man sagt, die Impfung ist der Schlüssel, dann sehe ich uns mit einer steigenden Impfquote auf dem Weg zu höheren Zuschauerzahlen - ohne da überziehen zu wollen." Über die gesamte Saison hinweg kalkuliert der BVB aktuell mit einer Auslastung von 60 Prozent.

Sorgen bereitet Watzke allerdings der immer langsamer werdende Impffortschritte. Der Klub selbst hatte deshalb eine Impfaktion im Stadion ins Leben gerufen, vergleichbare Aktionen sollen in Kürze folgen. Ähnlich wie der 1. FC Köln, der am vergangenen Freitag verkündete, künftig nur noch Geimpfte und Genesene ins Stadion zu lassen - von Ausnahmen für beispielsweise Kinder, die sich nicht impfen lassen können, abgesehen -, will auch der BVB noch stärker auf 2G setzen. Selbst dann, wenn das von der Politik nicht vorgeschrieben werden sollte. "Das", sagt Watzke, "wird bei uns deutlich favorisiert, damit wir den Menschen ein noch höheres Sicherheitsgefühl beim Stadionbesuch geben."

Grundsätzlich gelte: Nur wenn sich möglichst viele Menschen impfen lassen und die Politik darauf mit weiteren Öffnungsschritte reagiere, funktioniere das Geschäftsmodell des BVB dauerhaft. "Mit 600.000 Euro an Ticketeinnahmen kriegen wir das nicht hin", sagt Watzke. "Mein Appell an die BVB-Fans lautet deshalb: Wenn ihr wollt, dass wir bald wieder Normalität verspüren, wenn ihr wieder ins Stadion wollt, dann lasst euch bitte impfen."

Auch die sportliche Wettbewerbsfähigkeit der Borussia hängt davon ab. National wie international. Der BVB-Boss hat registriert, dass die europäischen Spitzenklubs derzeit aktiv werden auf dem ansonsten weiterhin weitgehend ruhigen Transfermarkt. "Und das", sagt er, "sind die Klubs, mit denen wir in Konkurrenz stehen."

UmfrageSollten volljährige Zuschauer künftig nur noch ins Stadion dürfen, wenn sie geimpft oder genesen sind?

In der Vorsaison sei angesichts des Pokalsiegs, des Wiedereinzugs in die Champions League und des Erreichens des Viertelfinals der Königsklasse der "Spagat zwischen der Wirtschaftlichkeit und den sportlichen Ambitionen" geglückt. Auf Sicht gelinge dies aber nur mit steigenden Einnahmen, "sonst müssen wir an der Kaderkostenschraube drehen - verbunden mit dem Risiko, dass du dadurch nicht besser wirst".

Im abgelaufenen Geschäftsjahr beliefen sich die Kosten für den Lizenzspielerkader aufgrund der Erfolge - die wiederum mit höheren Prämieneinnahmen einhergingen - auf knapp über 150 Millionen Euro. Ein erneuter Gehaltsverzicht, wie er zuletzt aufgrund der fehlenden Zuschauereinnahmen von der Mannschaft und den Führungskräften praktiziert wurde, ist derzeit nicht geplant.

Marco Rose passt zu uns wie die Faust aufs Auge.

Hans-Joachim Watzke

Ungeachtet der hohen Verluste bleiben Dortmunds sportliche Ambitionen auch im neuen Geschäftsjahr hoch. In der Liga, sagt Watzke, wolle man sich als Vorjahresdritter "punktemäßig und was die Position angeht" verbessern. Im Pokal, den der BVB gewann, und der Champions League, wo man erst in der Runde der letzten Acht knapp gegen Manchester City unterlag, sei man dagegen bereits "nah am Optimum" gewesen. "Es wird schwierig, dieses Niveau wiederherzustellen - aber wir arbeiten daran", sagt Watzke, der positiv auf den Start des neuen Trainers Marco Rose blickt.

Zwar habe dieser eine Vorbereitung absolvieren müssen, "wie ich es noch nie erlebt habe", Rose aber habe trotz der teils "grotesken" Umstände das Beste daraus gemacht. "Dafür bin ich allen handelnden Personen sehr dankbar", sagt Watzke, der sich in der Verpflichtung des 44-Jährigen bestätigt sieht: "Wir haben ein sehr gutes Gefühl mit Marco Rose und seinem Team. Er verfolgt ein klares Konzept, hat eine klare Ansprache an die Mannschaft, die ihm folgt. Er kommuniziert offen und mit viel Vertrauen. Ich habe großes Vertrauen, dass wir auf dieser Position jetzt sehr gut besetzt sind. Marco Rose passt zu uns wie die Faust aufs Auge."

Watzke über Transfers und die ambitionierte Umsatz-Zielmarke

Für den Kader gilt das aktuell mit Blick auf die Verletzungsprobleme in der Defensive nur bedingt. Hier jedoch setzt Watzke auf Entspannungen in den nächsten ein, zwei Wochen. Neue Verpflichtungen seien derzeit auf aufgrund der wirtschaftlichen Situation nicht geplant. "Wir sind uns klar damit, dass wir netto nichts investieren wollen. Ohne dass sich auf der Abgangsseite etwas tut, wird sich auch auf der Aufnahmeseite nichts tun", sagt der BVB-Boss, der sich jedoch eine Hintertür offenlässt für den Fall, dass sich die Verletzungssorgen bis Ende August noch weiter vergrößern.

Am Ende der mehr als einstündigen Veranstaltung steht die Hoffnung, dass die Pandemie - auch wenn das Coronavirus vermutlich ein dauerhafter Begleiter des Alltags bleibt - bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahrs überwunden ist. Die Zielmarke von einem Umsatz in Höhe von einer halben Milliarde Euro, die Watzke einmal für das Jahr 2024 ins Auge gefasst hatte, ist keineswegs von der gedanklichen Festplatte gelöscht, sondern nur nach hinten verschoben.

Die Voraussetzungen dafür seien gegeben, dass der Klub - wenn wieder Normalzustand erreicht sei - relativ zügig die 400er-Marke überspringen könne. Und dann sei man auch in der Lage, die 500er-Marke anzustreben. "Wenn Sie das Jahr 2024 nehmen und am Ende der Pandemie die Zeit, die sie dauerte, aufaddieren", rechnet Watzke gegen Ende seiner Ausführungen vor, "dann wissen Sie auch, bis wann wir das anpeilen." Spätestens dann wird es auch dem BVB-Boss wieder mehr Freude bereiten, über die Geschäftszahlen zu sprechen.

Matthias Dersch