Bundesliga

Watzke: "Wir müssen nicht in Sack und Asche gehen"

BVB-Boss hätte sich "zwei, drei Punkte" mehr gewünscht

Watzke: "Wir müssen nicht in Sack und Asche gehen"

Hans-Joachim Watzke bei der Mitgliederversammlung des BVB.

Hans-Joachim Watzke bei der Mitgliederversammlung des BVB. IMAGO/Kirchner-Media

Es ist 10.50 Uhr, als am Sonntag das erste Mal Applaus in der Westfalenhalle 3 in Dortmund aufbrandet: Doch das Klatschen der insgesamt 907 anwesenden Mitglieder auf der Mitgliederversammlung des BV Borussia 09 e. V. Dortmund gilt nicht dem Profi-Team, das am Vortag nach einem abermals wilden Ritt auf der Achterbahn und einem zwischenzeitlichen 0:2-Rückstand noch 4:2 gegen Borussia Mönchengladbach gewinnen konnte, sondern der Frauen-Mannschaft des BVB. In der Landesliga gelang ihnen das, wovon die Dortmunder Fans vor der Saison auch in der Bundesliga träumten: Sie wurden souverän Herbstmeister.

Bei den Männern läuft es bislang nicht so rund, auch wenn am Samstag nach zwei Niederlagen zuvor gegen München (0:4) und in Stuttgart (1:2) die Fahrt am Ende wieder nach oben führte und der BVB durch den sieben Saisonsieg wieder auf einen Champions-League-Platz springen konnte. "Mit uns", bilanzierte Trainer Edin Terzic anschließend, "wird es definitiv nicht langweilig in dieser Saison." Der 41-Jährige schmunzelte dabei. Doch allzu lustig dürfte er den Start seines Teams in die Partie nicht gefunden haben: Nach 28 Minuten, die an die erschreckende Vorstellung in Stuttgart erinnerten, lag der BVB bereits mit 0:2 zurück - und das nur deshalb, weil die Kniescheibe von Alassane Plea beim vermeintlichen dritten Tor der Gladbacher einen Zentimeter zu weit vorne war und der Stürmer deshalb im Abseits stand (19.). Es herrschte Schockstarre im Stadion. Passend dazu hatte kurz zuvor ein heftiger Regenschauer eingesetzt, der den Eindruck des drohenden Untergangs noch einmal stärker werden ließ.

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Kehl: "Das brauchen wir nicht jedes Mal"

Doch die Schussfahrt endete abrupt. Binnen 15 Minuten drehte der BVB - auch dank zweier starker Ballgewinne von Routinier Marco Reus - durch die Tore von Marcel Sabitzer (30.), Niclas Füllkrug (32.) und Jamie Bynoe-Gittens (45.) ein in der ersten Hälfte völlig verrücktes Fußballspiel, das eine Essenz dessen bot, was diesen Klub seit einigen Jahren so schwer greifbar macht. Plötzlich lief es im Angriffsspiel, unter anderem auch weil Terzic Anpassungen vornahm und er seine Mannschaft nun im Dreieraufbau agierte. Plötzlich passten auch die Zweikampfschärfe, das Engagement und die defensive Staffelung, so dass die Gäste lediglich in der sechsten Minute der Nachspielzeit zu einer weiteren Chance kamen. Diese aber hatte es in sich - und es wäre nur allzu passend zur berühmt-berüchtigten Wankelmütigkeit des BVB gewesen, wenn Christoph Kramer in diesem Moment das 3:3 erzielt hätte. "Da habe ich kurz die Finger gekreuzt", gestand Rechtsverteidiger Julian Ryerson. Offenbar mit Erfolg: Kramers Schuss aus bester Position strich knapp am Winkel vorbei, kurz darauf beseitigte Donyell Malen nach einem 80-Meter-Sprint die letzten Zweifel am Sieg.

"Für uns war es sehr wichtig, dass wir nach dem 0:2 wieder zurückgekommen sind, das Spiel in den Griff bekommen und in unsere Richtung gedreht haben", sagte Sportdirektor Sebastian Kehl und hob die "Comeback-Qualitäten" des BVB hervor. "Das brauchen wir nicht jedes Mal, ist aber auch ein Merkmal dieser Mannschaft in dieser Saison. Die Punkte tun der Gesamtsituation sehr gut." Auch Terzic urteilte: "Es war extrem wichtig, dass wir mit einem Sieg in den nächsten Block gestartet sind." Denn der hat es mit Spielen unter anderem in Mailand, in Leverkusen, in Stuttgart sowie daheim gegen Leipzig und Paris in allen drei Wettbewerben in sich.

Höflicher Applaus auf der Mitgliederversammlung

Die Mannschaft bewahrt der jüngste Erfolg vor einem schweren Gang am Sonntag. Zwar gibt es vereinzelt höhnische Kommentare im Saal zu hören, auch einzelne Pfiffe, als BVB-Präsident Dr. Reinhold Lunow den Bericht der Tischtennis-Abteilung unterbricht, "weil wir die Mannschaft nicht in der Kälte stehen lassen wollen". Doch als das Team um Kapitän Emre Can die Halle betritt, ist der Applaus höflich.

Auch BVB-Boss Hans-Joachim Watzke gibt sich diesmal wesentlich gemäßigter im Ton als noch zum Ende der Vorwoche, als er nach der Rückkehr der Nationalspieler beim Training vorstellig geworden war und das Team auf die benötigte Wende eingeschworen hatte. Diesmal ordnet er die aktuelle Lage - nach den fast schon traditionsgemäßen Sticheleien gegen die Medien - betont analytisch ein: "Wir haben 24 Punkte aus zwölf Spielen gesammelt. Wir hatten uns vielleicht zwei, drei mehr erhofft. Aber es ist jetzt auch nicht so, dass wir in Sack und Asche gehen müssen." Die Situation an der Tabellenspitze sei anders als im Vorjahr, als Union Berlin zum gleichen Zeitpunkt mit 26 Punkten an der Spitze stand. Vor allem Leverkusen mache es in dieser Saison "außergewöhnlichst gut". Vor dem direkten Aufeinandertreffen in der BayArena am kommenden Sonntag trennen beide Teams zehn Punkte.

Der BVB kann in Mailand das Weiterkommen in der Champions League sichern

Vor dem Spiel gegen die Werkself ist der BVB bereits am Dienstag in der Champions League gefordert- und sollte sich dann nicht abermals auf eine Achterbahn-Fahrt einlassen: In Mailand kann die Terzic-Elf mit einem Sieg das Achtelfinal-Ticket buchen - und damit ein Ausrufezeichen in der stark besetzten Gruppe F setzen. Etwas, womit Watzke bei der Auslosung nicht gerechnet hätte. "Damals dachte ich bei der Gruppe: Mein lieber Mann!", sagt er am Sonntag, schränkt aber auch ein: "Ich weiß, wie fragil die Gruppe ist. Da kann noch viel passieren." Mit einer Niederlage würde sich der BVB daher auch unter Druck setzen, wäre das Überwintern in Europa dann doch keineswegs gesichert. Dieser Klub, er kennt eben nur Extreme.

"Wir werden uns wieder viel vornehmen und versuchen, von Anfang an in die Zweikämpfe zu kommen und aggressiv zu sein", kündigt Kapitän Can am Rande der Mitgliederversammlung an. "Wir haben gegen München und in Stuttgart kein gutes Gesicht gezeigt, dafür aber am Samstag eine gute Reaktion gegen Gladbach. So können wir weitermachen." Da war er wieder: Der Wunsch nach Konstanz. Geäußert in einer Lage, in der der nächste wilde Ritt auf der Achterbahn nur eine Frage der Zeit erscheint.

Matthias Dersch

Bilder zur Partie Borussia Dortmund gegen Borussia Mönchengladbach