Bundesliga

Watzke: "Die totale Verzwergung kann doch niemand wollen"

DFL-Aufsichtsratschef mahnt die Klubs zum Kampf gegen die deutsche Gemütlichkeit

Watzke: "Die totale Verzwergung kann doch niemand wollen"

Äußerte sich unter anderem zur 50+1-Regel: Hans-Joachim Watzke.

Äußerte sich unter anderem zur 50+1-Regel: Hans-Joachim Watzke. IMAGO/MIS

Watzke, DFL-Aufsichtsratschef und Geschäftsführer von Borussia Dortmund, lobt dabei ausdrücklich die Arbeit des Branchenprimus FC Bayern - bleibt aber in der Diskussion um die 50+1-Regel auch klar auf Konfrontationskurs mit dem Münchner Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn. Zudem redet er den deutschen Profiklubs eindringlich ins Gewissen, die eigene Komfortzone zu verlassen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga nachhaltig zu sichern.

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"In Deutschland wird es auf Dauer nicht funktionieren, wenn wir es uns zu schnell gemütlich machen", formuliert Watzke. "Nicht in der Wirtschaft. Nicht im täglichen Leben. Und auch im Fußball nicht. Dagegen müssen wir ankämpfen." Unter anderem beim Thema Auslandsvermarktung, so die Forderung des 63-jährigen Multifunktionärs. Da habe die Liga "ehrlicherweise noch gar nicht richtig angefangen, unser Potenzial richtig auszuschöpfen".

Konkret schwebt Watzke vor: "Wenn wir nachhaltig und in einem nennenswerten Umfang unsere Auslandserlöse erhöhen wollen, dann kommen wir nicht darum herum, Präsenz zu zeigen. Zu Ende gedacht bedeutet das, dass ab nächster Saison eigentlich jeder Bundesligist und zahlreiche Zweitligisten eingeladen sind, einfach raus in die Kernmärkte zu gehen. In die USA, nach Asien, irgendwann vielleicht auch mal nach Australien. Auch wir als Borussia Dortmund werden wieder auf Tour gehen in Zukunft. So wie jetzt die Münchner, wofür man sie nur loben kann."

"Die Abschaffung von 50+1 würde tiefe Verwerfungen auslösen"

Widerstände gegen eine solche Strategie registriere er unter Klubvertretern "vereinzelt", ergänzt Watzke. Und kontert: "Wenn man ehrlich ist, dann wäre das das Programm zur totalen Verzwergung der Bundesliga. Das kann doch niemand ernsthaft wollen. Man kann sich zu Zeiten der Globalisierung nicht national abschotten." Zumal der wirtschaftliche Wettbewerbsnachteil gegenüber den Staats- und Oligarchenklubs, speziell der Premier League, infolge der Corona-Pandemie noch einmal größer geworden sei.

Die Abschaffung der 50+1-Regel in Deutschland bleibt für Watzke dennoch ein Tabu: "Demokratische Mitbestimmung, wie sie in Vereinen seit Hunderten von Jahren praktiziert wird, ist so tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, dass eine Abschaffung tiefe Verwerfungen auslösen würde. Zum anderen würde es für den Fan viel teurer, das will ich nicht. Fußball ist in Deutschland Gott sei Dank noch Gesellschaftskitt. Drittens konnte mir noch niemand widerlegen, dass ein 50+1-Klub genauso erfolgreich sein kann. Auch wenn manche Leute darüber lachen, wenn ich Real Madrid einen 50+1-Klub nenne. Diese Leute haben aber einfach nicht erkannt, worauf es ankommt." Nämlich: "Real ist nun mal ein 50+1-Klub, der alle zugehörigen Regeln erfüllt. Egal, woher und wieviele Sponsorengelder fließen. Entscheidend ist die Struktur: Der Präsident wird von den Mitgliedern gewählt. Auch Bayern München ist ein glasklarer 50+1-Klub, genau wie Eintracht Frankfurt."

Position des FC Bayern "nicht nachvollziehbar und nicht stringent"

Dass der FC Bayern - etwa in Person von Vorstandschef Oliver Kahn und Ehrenpräsident Uli Hoeneß - die Beibehaltung von 50+1 unlängst einmal mehr infrage gestellt hat, bezeichnet Watzke als "nicht nachvollziehbar" und "nicht stringent".

Im großen kicker-Interview in der Printausgabe am Montag (oder hier im eMagazineäußert sich Watzke zudem über seine Anerkennung für RB Leipzig, Bestandsgarantien für die 50+1-Ausnahmen Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim, die Aussicht auf mehr Spannung im Meisterschaftskampf sowie die Arbeit von DFL-Chefin Donata Hopfen und DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Gleichzeitig warnt er im Zusammenhang mit der drohenden Energiekrise im Herbst vor einer erneuten Symboldiskussion über den Profifußball und erklärt, warum die Öffentlichkeit mit Blick auf die WM-Vergabe an Katar viel früher hätte "wach werden" müssen.

Matthias Dersch, Thiemo Müller

Fussball, Herren, Saison 2021 2022, 79. Finale um den DFB-Pokal in Berlin, SC Freiburg - RB Leipzig, Christopher Nkunku (RB Leipzig), Jubel nach Tor zum 1:1, 21.05. 2022, *** Football, men, season 2021 2022, 79 final of the DFB Cup in Berlin, SC Freiburg RB Leipzig, Christopher Nkunku RB Leipzig , cheering after goal to 1 1, 21 05 2022, Copyright: xMatthiasxKochx

Prädikat "Besonders wertvoll": Nkunku ist "Fußballer des Jahres" 2022

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